Portugal:Stabil auf niedrigem Niveau

Tourist Boom Upsets Lisbon Dwellers

Straßenbahn in Lissabon: Höhere Löhne im öffentlichen Dienst sollten die Wirtschaft beleben.

(Foto: Bloomberg)

Die Regierung in Lissabon kann aufatmen: Zumindest eine Agentur hat ihre Bewertung für das Land nicht gesenkt. Doch die Lockerung des Sanierungskurses lässt Investoren zögern.

Von Thomas Urban, Lissabon

Es sah bedrohlich aus, doch nun kann Portugal aufatmen, zumindest für einen Moment. Die kleine kanadische Ratingagentur DBRS hat am Wochenende ihre Bewertung für das Land veröffentlicht. Im Gegensatz zu den Branchenriesen Standard & Poor's, Moody's und Fitch, die portugiesischen Staatsanleihen die Ramschnote "Ba1" geben, sieht die kleine kanadische Agentur die Gesamtlage optimistischer. Sie gab dem Land erneut die Note "BBB (low)", die Note steht für Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die Entscheidung der Kanadier, wiewohl es sich um eine Mindermeinung handelt, ist für das Land von großer Bedeutung. Sie gibt nämlich der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtlich die Handhabe, nach wie vor portugiesische Schuldtitel aufzukaufen und somit einen Beitrag zum Haushalt Lissabons zu leisten.

Hätte auch DBRS den Daumen gesenkt, so wäre Lissabon faktisch wohl wieder von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten, so wie es von 2011 bis 2014 der Fall war. Damals hatten Kreditzusagen über insgesamt 78 Milliarden Dollar durch den IWF, die EZB und die Europäische Union das Land vor dem Staatsbankrott gerettet. Die 2011 abgewählte sozialistische Regierung hatte Portugal durch eine expansive Schuldenpolitik, zu der ein völlig fehlgeschlagenes Konjunkturprogramm gehört hatte, an den Rand des Absturzes gewirtschaftet; doch hatten auch die konservativen Vorgängerregierungen naiv mit dem Anhalten eines um die Jahrtausendwende eingesetzten Wirtschaftsbooms gerechnet und dabei Warnungen überhört, dass dieser vor allem auf Pump beruhte. Er war die Folge der hohen Kreditaufnahmen durch die öffentliche Hand sowie der Privathaushalte und grob fahrlässiger Spekulationen durch einige Banken des Landes.

Die Milliardenhilfe war an eine Bedingung gebunden: die Sanierung der Staatsfinanzen. Das Programm der neuen Mitte-Rechts-Regierung schlug an, das Land überwand die Rezession, die Arbeitslosigkeit sank von knapp 18 auf rund elf Prozent. Allerdings überstand diese Regierung die Parlamentswahlen vor einem Jahr nicht. Vielmehr führt seither der Sozialist António Costa ein Minderheitskabinett. Seine Partei verfügt über 86 der 230 Sitze im Parlament zu Lissabon und ist auf die Duldung durch zwei linksradikale Gruppierungen angewiesen. Zwar hatte Costa im Wahlkampf seinen Landsleuten erklärt, dass der Sanierungskurs unvermeidlich sei; nur begrenzt ließen sich Haushaltsmittel zugunsten der sozial Schwächeren umschichten. Doch kaum im Amt macht Costa mit Rücksicht auf seine linksradikalen Partner eine Kehrtwende: Der Mindestlohn wurde kräftig angehoben, vier abgeschaffte Arbeitstage sowie die 35-Stunden-Woche für den öffentlichen Dienst wurden wieder eingeführt und die Pensionen im Staatsdienst erhöht.

Es ist diese Aufweichung des bislang erfolgreichen Sanierungskurses, die Wirtschaftsexperten zunehmend Sorgen bereiten. Die Erhöhung der Ausgaben für den öffentlichen Dienst sollte wie ein Konjunkturprogramm wirken, Costas Wirtschaftsexperten gaben optimistische Prognosen über das Wachstum für 2016 an, es sollten bis zu drei Prozent werden. Doch das Wachstum aufgrund gestiegener Inlandsnachfrage fiel wesentlich geringer aus als erhofft, am Jahresende werden wohl 1,2 Prozent herauskommen. Auch die anderen Eckdaten der Wirtschaft machen den Experten Sorge, die Costa, eigentlich ein begabter Kommunikator, bislang nicht zerstreuen konnte: Für Zehn-Jahres-Bonds musste Lissabon zuletzt 3,4 Prozent Rendite garantieren, vor Jahresfrist lag sie einen Punkt darunter. Gleichzeitig sanken die Erlöse aus Exporten, dem Land droht wieder eine negative Leistungsbilanz, nachdem diese vor zwei Jahren erstmals seit langer Zeit schwarze Zahlen ausgewiesen hatte. Die Regierung hatte zunächst angekündigt, das Haushaltsdefizit von zuletzt 4,4 Prozent im Haushalt für das laufende Jahr zu halbieren. Doch mittlerweile rechnet das Finanzministerium mit 2,5 Prozent, die konservative Opposition aber spricht von Schönfärberei, am Jahresende würden es mindestens 3,0 Prozent sein.

Der Haushalt für 2017 sieht höhere Steuern vor - auch für Bier, Autos und Jagdmunition

Die Regierung in Lissabon steht gegenüber Brüssel in der Pflicht, die Drei-Prozent-Grenze einzuhalten, sonst drohen Bußen. Der Haushalt für das kommende Jahr sieht somit Steuererhöhungen vor, um die Einnahmen zu steigern, darunter bei Tabak, Bier, Süßigkeiten, Autos und Jagdmunition. Auch wurden staatliche Investitionen aufgeschoben, um die Bilanzen nicht zu belasten. Überdies steht der ehrgeizige Costa bei seinen linksradikalen Partnern im Wort, beträchtliche Haushaltsmittel für die Beseitigung "sozialer Ungerechtigkeiten" einzusetzen. All dies zusammen dürfte sich ungünstig auf die Konjunktur auswirken, Costas Prognosen aber gehen von einem robusten Wachstum aus. Doch weder internationale Analysten, noch die Geschäftswelt teilen diesen Optimismus. Sie mahnen weitere Strukturreformen an.

Das Urteil der Firmen in Portugal fällt gespalten aus. Nach einer Umfrage der Deutsch-Portugiesischen Handelskammer, die mehr als 300 Firmen betreut, sind 51 Prozent der Niederlassungsleiter der Meinung, dass ihre Geschäfte gut laufen, weitere 42 Prozent sehen ihre eigene Lage als befriedigend an. Doch die aktuelle Wirtschaftslage ihres Gastlandes schätzen 43 Prozent als schlecht oder sehr schlecht an. Hans-Joachim Böhmer, Geschäftsführer der Kammer, der seit 18 Jahren die Entwicklung der portugiesischen Wirtschaft aus nächster Nähe analysiert, erklärt diesen Unterschied: Die überwältigende Mehrheit der deutschen Unternehmen in dem Land stellt Produkte für den Export her, die portugiesische Krise hat sie nur wenig tangiert. Doch dass die internationale Wirtschaftspresse nun unisono über die Gefahr einer "Rückkehr der portugiesischen Krise" schreibt, beunruhigt auch die deutschen Investoren.

Laut Böhmer bietet Portugal grundsätzlich günstige Voraussetzungen für Investoren. Zwar sei die Bürokratie wenig effizient, die Zivilgerichte seien überlastet, doch die Grundstimmung gegenüber ausländischen Firmen als Arbeitgeber sei sowohl in der Bevölkerung, als auch der Verwaltung positiv. Auch die Gewerkschaften seien kooperativ geworden. Investoren loben auch den hohen Ausbildungsstand der jungen Generation, besonders mit den Kenntnissen von Fremdsprachen können die Portugiesen punkten. Doch die allgemeine Unsicherheit veranlasst auch die Firmen, Investitionen aufzuschieben.

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