Süddeutsche Zeitung

Portrait:Ein bisschen träumen

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Mohammad Hussein Hadi aus dem Irak verschlug es vor einem Jahr ins Münsterland. Dort hat er nun eine Ausbildung zum Bäcker begonnen.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Seine Heimatstadt im Irak ist zerstört, und unter den Trümmern des Krieges liegen auch die Träume von Mohammad Hussein Hadi. "Geh nach Deutschland, dort ist es gut", haben ihm alle gesagt. Also hat er sich auf den Weg gemacht. Allein. Das Letzte, was er von seiner Familie gehört hat, waren Nachrichten aus Ägypten. Aber das ist auch schon eine Weile her. Einen Monat dauerte seine Flucht: über Serbien und Bulgarien, München und Berlin. Vor einem Jahr ist er in Lüdinghausen angekommen, einer Kleinstadt südwestlich von Münster. Rot geklinkerte Bauernhäuser, Wasserburg, Kastanienbäume - und die Bäckerei der Familie Terjung.

Mohammad Hussein Hadi, 23, ist nicht der Einzige, der in der kleinen Bäckerei mit angeschlossenem Café eine neue Heimat gefunden hat: Auch eine Libanesin und eine Schweizerin haben dort vor Kurzem eine Ausbildung begonnen, ein Pole arbeitet in der Backstube, und demnächst fängt ein Syrer an. Es sei immer schwerer geworden, Leute zu finden, die diesen Job gerne machen, erzählt Maria Terjung, die die Bäckerei gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. Sie überlegten nicht lange, als sich jemand von der Stadt bei ihnen erkundigte, ob sie mit Praktikumsplätzen für Flüchtlinge helfen könnten. Sie konnten. Mohammad Hussein Hadi ist auch für sie eine Hilfe.

Drei Monate lang hat der Iraker zunächst ein Praktikum gemacht. Etwas Erfahrung in einer Backstube hat er bereits aus seiner Heimat mitgebracht. Beim Rest helfen die anderen: Einer der jungen Gesellen, Daniel Schmidt, erklärt ihm nicht nur, wie Roggenbrot gebacken wird. Er nimmt ihn auch mit zum Schwimmen und zum Grillen. Während der Fußball-Europameisterschaft hat Mohammad kaum ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft verpasst. Im August hat er nun seine Ausbildung zum Bäcker begonnen.

Derzeit ist Mohammad in Deutschland nur geduldet, aber während der dreijährigen Ausbildung kann er nicht abgeschoben werden. Wenn er durch eine der Prüfungen fällt, weil sein Deutsch noch nicht gut genug ist, darf er diese nachholen. Nun sucht Mohammad eine eigene Wohnung. Denn in der Flüchtlingsunterkunft findet er selten die Ruhe, die jemand braucht, dessen Arbeitstag um drei Uhr in der Früh anfängt. Es sind keine großen Träume, die Mohammad Hussein Hadi inzwischen wieder hat: die Lehre meistern, ein friedliches Leben führen. Ob nun in Lüdinghausen oder anderswo.

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Quelle:
SZ vom 18.08.2016
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