Süddeutsche Zeitung

Porsche: Wiedeking zieht Bilanz:Aus Freude am Verdienen

Kapitalismus pur: Porsche macht mehr Gewinn als Umsatz, der Vorstand erhält noch einige Millionen mehr. An der Spitze: Wendelin Wiedeking.

Melanie Ahlemeier

Wenn Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in wenigen Wochen seine ganz persönliche Bilanz für das Jahr 2008 zieht, wird er denken: "Was für ein Jahr!"

Als erstes Unternehmen hat es Porsche geschafft, mehr Gewinn (vor Steuer: 8,5 Milliarden Euro) als Umsatz (7,4 Milliarden) auszuweisen. Das soll erst einmal einer nachmachen!

Und dann die Gehälter für den Vorstand: 143,5 Millionen Euro verdienen die sechs Porsche-Vorstände zusammen. Auch wenn die Gehälter nicht einzeln ausgewiesen werden, so ist davon auszugehen, dass rund 80 Millionen allein auf das Privatkonto des Herrn Wiedeking überwiesen werden.

Das wären dann insgesamt noch einmal einige Milliönchen mehr als vor einem Jahr - und Wiedeking, Jahrgang 1952, ist vermutlich noch ein wenig glücklicher als damals.

Der Heimat immer noch verbunden

Aber: Wer Geld hat, hat Feinde. Wer viel Geld hat, hat viele Feinde. Und seit Monaten streitet die Republik über üppige Honorare von Vorstandschefs. Wiedeking hat Porsche zu einer starken, gutverdienenden Autofirma gemacht - aber dass ein Einzelner 70 Millionen Euro und mehr im Jahr kassiert, setzt neue Maßstäbe und heizt die Debatte über horrende Managergehälter an.

Möglicherweise waren solche Zusammenhänge mit ein Beweggrund dafür, dass sich der Doktor der Ingenieurwissenschaften auf seine soziale Ader besann. Einst war er als Betriebsrat an der RWTH Aachen um das Sozialwohl der Arbeitnehmerschaft bemüht - und nun hat Wiedeking gleich zwei Stiftungen gegründet. Eine sitzt an seinem Wohnort Bietigheim-Bissingen, die andere im westfälischen Beckum, einer überschaubaren Stadt nahe dem Kamener Kreuz. In Beckum hat Mr. Porsche seine Kindheit verbracht.

"Beide Orte liegen mir am Herzen, beide sehe ich als meine Heimat. Dafür möchte ich mich bedanken", sagt der Gönner über seine Motivation für die gute Tat. Jeweils fünf Millionen Euro hat Wiedeking für beide Organisationen zur Verfügung gestellt, die bedürftige Familien unterstützen sollen.

Dass beide Stiftungen zugleich sein zu versteuerndes Einkommen kräftig drücken, erzählt der ansonsten kommunikative Wiedeking nicht - und doch passt es irgendwie ins Bild des Mannes, über den Gewerkschafter sagen, er sei ein Chef mit zwei Gesichtern.

Wiedekings Name - Synonym für Porsche

Wiedeking ist Porsche und Porsche ist Wiedeking. Der Name des Chefs gilt als Synonym für den seit Jahren profitabelsten Autohersteller der Welt - vor allem deshalb, weil er den Anfang der neunziger Jahre aufgrund seiner zu großen Abhängigkeit vom US-Automarkt in die Krise geratenen Autobauer mit radikalen Umbaumaßnahmen zurück in die Erfolgsspur schickte.

Zudem haftete Wiedeking damals auch mit seinem Privatvermögen für Porsche. Überkapazitäten und eine ineffiziente Fertigung waren nur zwei Gründe, warum es bei Porsche nicht mehr rund lief. Der Chef räumte auf - brutalstmöglich. Von den beiden Porsche-Familienstämmen im September 1992 zum Nachfolger des glücklosen Vorstandschefs Arno Bohn berufen, verpasste Wiedeking dem Unternehmen ein radikales Sanierungsprogramm.

Lesen Sie weiter, wie Wiedeking Porsche wieder in die Spur brachte.

Die Reduzierung der Belegschaft um rund ein Drittel auf 6200 Mitarbeiter sowie eine optimierte Fertigung, kürzere Wege und eine Auftragserledigung in Anlehnung an das Just-in-time-Prinzip zeigten schon bald Erfolg. Bereits im Geschäftsjahr 1994/1995 fuhr Porsche wieder in die Gewinnzone. Das war Wiedekings erstes Meisterstück.

Sein zweites Meisterstück war kürzlich als Schauspiel an der Börse zu beobachten. Mit der Sonntags-Mitteilung, Porsche wolle Volkswagen "beherrschen" und den bisherigen Anteil von 42,6 Prozent um weitere 31,5 Prozent aufstocken, brachen die Dämme.

Hedgefonds hatten sich verspekuliert

Schon am Montag rauschte der VW-Kurs katapultartig in die Höhe - und machte wenig später das Wolfsburger Unternehmen zeitweise zum teuersten Konzern der Welt. Porsche-Finanzchef Holger Härter, 52, hatte die VW-Übernahme zum Großteil über die Börse finanziert - modernen Finanzkonstrukten sei's gedankt.

Hedgefonds und andere Finanzstrategen hatten auf einen fallenden VW-Kurs gewettet, Porsche auf einen steigenden. Porsche gewann, die Fonds kamen in die Bredouille und mussten für teures Geld VW-Papiere nachkaufen. Ein genialer Schachzug Härters. Der Finanzvorstand sagt über sich und seinen Chef Wiedeking: "Uns gibt es nur im Doppelpack." Bereits seit 14 Jahren arbeitet das Duo zusammen.

Auch privat versteht der Kapitalist Wiedeking das Geschäft mit dem Geld. Mit 30 hatte er seine erste Million mit Immobilien verdient. Dem Patentrezept Immobilien als Anlage ist er bis heute treu geblieben; außerdem hält der Hobby-Landwirt Anteile an einer ungarischen Schuhfabrik.

"Ich hatte noch nie Bank-Aktien. Ich bin mehr fürs reale Geschäft", sagte Wiedeking kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. In seinem Portfolio finden sich zudem Beteiligungen an den Onlineportalen e-domizil, e-hoi, e-kolumbus. Das seien alles "schöne Geschichten", sagt Wiedeking, "alles selbst finanziert, mit Freunden zusammen".

So schön also kann das Wirtschaftssystem sein. "Der Kapitalismus - solange er ein soziales Antlitz hat - bietet den Menschen die Chance, ihre Talente zu mehren", hat der Porsche-Chef in einem Gastbeitrag für die FAZ formuliert: "Er ist nicht schuld am schlechten Charakter des Menschen. Es ist genau umgekehrt: Die verdorbenen Charaktere sind es, die ihre Freiheit missbrauchen und den Kapitalismus in Verruf bringen."

Diese Sicht der Dinge macht Wiedeking sicher. Und so kann er auch souverän auf der Bilanzpressekonferenz die Geschäftszahlen präsentieren und über eigene Absatzprobleme reden. Wer ihm zuhört, ist sich sicher, dass der im Zuge der Finanzkrise in Verruf geratene Kapitalismus nicht so schlecht sein kann.

"Wir fahren auf Sicht"

Bei seiner ganz persönlichen Jahresbilanz - vielleicht in seiner eigenen Kneipe ("gutes Essen, gutes Bier, faire Preise") in der westfälischen Heimat - wird Wiedeking auch die Ausmaße der Finanzkrise für Porsche analysieren.

Es lief schon besser: Investmentbanker haben deutlich geringere Boni zu erwarten und werden seltener einen neuen Porsche bestellen. Der Konzernchef jedenfalls rechnet mit einem "spürbaren Rückgang der Absatzzahlen", wie er am Mittwoch bei der Vorstellung der Jahresbilanz sagte. Aber: Auch damit wird Wiedeking umgehen können. Seine Maxime: "Wir fahren auf Sicht."

Übersetzt heißt das: Die prognostizierten Absatzzahlen werden regelmäßig überprüft und im Zweifelsfall angepasst.

In Zeiten von Rezession und einer sich noch stärker abkühlenden Konjunktur könnte das Wiedekings dritte Meisterprüfung werden.

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