Der Stuttgarter Autobauer Porsche kommt nicht zur Ruhe. Erst vergangenes Wochenende hatte das Unternehmen verkündet, die Verträge mit zwei seiner Vorstände auflösen zu wollen. Und während die Verhandlungen darüber und die Spekulationen über mögliche Nachfolger gerade erst losgegangen sind, kam am Donnerstagabend nach einer Aufsichtsratssitzung bereits die nächste schlechte Nachricht: Es kriselt nicht nur in der Management-Etage gewaltig – auch bei den Finanz- und Absatzzahlen sieht es deutlich düsterer aus als gedacht.
Porsche wird demnach in diesem Jahr weniger Autos verkaufen als 2024. Doch damit nicht genug: Der Gewinn wird wohl so stark zurückgehen, dass nur noch eine Marge von zehn bis zwölf Prozent übrig bleibt. Das ist im Vergleich mit anderen Autoherstellern immer noch ein hoher Wert, doch für die Ansprüche des erfolgsverwöhnten Sportwagenbauers viel zu wenig. Vor zwei Jahren lag Porsches Gewinnmarge noch bei 18 Prozent und das Unternehmen gab das Ziel aus, langfristig die 20 Prozent knacken zu wollen. Nach den schlechten Nachrichten vom Donnerstagabend ging es auch an der Börse weiter bergab, das Porsche-Papier sackte zwischenzeitlich auf ein Rekordtief von 55 Euro.

Porsche und Volkswagen:Warum der Porsche-Finanzchef gehen muss und wie es zum großen Bruch kam
Dass Porsche nun seinen Finanzvorstand Lutz Meschke abservieren will, hat nicht nur mit den aktuellen Problemen des Sportwagenbauers zu tun. Hinter den Kulissen tobt seit Wochen ein Machtkampf – am Ende soll der große Umbau stehen.
Jetzt heißt es in Zuffenhausen also Sparen und Umschichten. Helfen soll dabei ausgerechnet ein Strategiewechsel, der auch die jüngsten Personalentscheidungen bei Porsche noch einmal in ein anderes Licht rückt. Porsche macht in Sachen Elektromobilität einen Rückzieher. Das Unternehmen will nun doch wieder mehr Modelle als Verbrenner oder mit Plug-in-Hybridmotoren bauen, nachdem die reinen Elektro-Modelle nicht so gut ankommen wie erhofft. Das ist bemerkenswert, weil der Autobauer sich damit recht deutlich von der ehrgeizigen Elektrostrategie verabschiedet, die Vorstandschef Oliver Blume dem Unternehmen verpasst hatte. Noch bei der Porsche-Jahresbilanz im vergangenen März 2024 hatte Blume auf Nachfrage bekräftigt, Porsche wolle im Jahr 2030 auf einen Elektroanteil von 80 Prozent kommen.
Dieses Ziel scheint nun in weiter Ferne zu liegen. Im vergangenen Jahr waren nur rund 13,5 Prozent der 310 000 verkauften Autos aus Zuffenhausen rein elektrisch, dazu kamen in etwa noch einmal so viele Plug-in-Hybride. Das ergibt eine Verbrennerquote von 73 Prozent, die man in fünf Jahren mehr als umkehren müsste. Porsche wird die 80-Prozent-Zielsetzung dem Vernehmen nach bald nach unten korrigieren. Überraschend ist das nicht: In Europa und den USA klappt es mit dem Hochlauf der Elektromobilität nicht so wie erwartet, damit haben alle Autohersteller gerade zu kämpfen. Und in China setzen die Kunden bei E-Autos immer öfter auf einheimische Marken.
Meschke wollte schon länger wieder mehr Verbrenner, doch Blume beharrte auf den Elektrozielen
Doch bei Porsche schwingt auch die Frage mit, ob Oliver Blume, der die forsche Elektrostrategie aufgesetzt und immer wieder propagiert hatte, sich damit nicht doch verzockt hat. Interessant dabei: Ausgerechnet Lutz Meschke, der jetzt seinen Job als Finanzchef verlieren soll, wird eher der „Fraktion Brumm-Brumm“ zugerechnet, wie es einer aus dem Konzern beschreibt. Tatsächlich hatte Meschke schon im vergangenen Oktober bei der Verkündung der Zahlen für das dritte Quartal gesagt, dass Porsche überlege, ob ursprünglich rein elektrisch geplante Fahrzeuge in Zukunft doch einen Hybrid-Antrieb oder einen Verbrennungsmotor bekommen sollen. „Klar ist, wir halten deutlich länger am Verbrenner fest“, sagte er da bereits.
Dagegen stand Blume, der zumindest laut offizieller Aussagen die großen Elektroziele weiterverfolgen wollte und sich auch ein wenig darin gefiel, die im Branchenvergleich ambitioniertesten Pläne zu haben. Es kommt nun ziemlich überraschend, dass Porsche ausgerechnet kurz nach dem Aus für Meschke diesen Strategieschwenk verkündet: weniger Elektroautos, mehr Verbrenner. Genau dafür hatte Meschke schon länger geworben.
Ein Beispiel für eine strategische Fehlentscheidung, die Blume zugerechnet wird, betrifft den Porsche Macan, den kleineren SUV aus Zuffenhausen. Den gibt es in Europa nur noch als Elektrovariante zu kaufen, weil Porsche das alte Verbrennermodell nicht mehr fit für neue EU-Vorschriften bei der Cybersicherheit machen wollte. Die Kosten dafür, so entschied die Konzernspitze, seien zu hoch. Treiber hinter dieser Entscheidung soll laut SZ-Informationen Oliver Blume gewesen sein. Doch anders als erhofft findet der Elektro-Macan nicht genug Abnehmer. Das Modell ist neben dem größeren SUV Cayenne beim Absatz das wichtigste Fahrzeug für Porsche. Fast jeder dritte verkaufte Porsche war 2024 ein Macan, rund 82 000, allerdings waren nur 18 000 vollelektrisch.
Nun bangt man in Zuffenhausen offenbar so stark um seine Verkaufszahlen, dass es für den Macan doch noch ein Verbrenner-Comeback geben könnte. Dabei könnte nach SZ-Informationen die Konzernschwester Audi aushelfen, mit deren Modell Q5 sich Porsche schon früher eine Plattform für den Verbrenner-Macan teilte. Anders als Porsche beim Macan hatte Audi dem Q5 noch einen Verbrenner-Nachfolger gegönnt. Nun sollen in Zuffenhausen schon erste Teams an Konzepten arbeiten, wie man diese Q5-Plattform nutzen kann, um zukünftig doch wieder Verbrenner-Macans zu bauen. Doch bis ein solches Auto vom Band rollen könnte, dürften mindestens zwei Jahre vergehen.
Andere Hersteller wie Mercedes oder Audi haben ihre Elektroziele bereits aufgeweicht oder wollen zumindest kein konkretes Datum für ein Verbrenner-Aus mehr nennen. Viele bei Porsche sehen im neuen Schwenk zu mehr Verbrennern einen überfälligen Schritt. Das sei die einzige Möglichkeit, auf die schwache Nachfrage nach Elektromodellen zu reagieren, heißt es aus dem Konzern.
Blume will an seiner Doppelrolle festhalten, das gefällt nicht allen
Ausgerechnet in diesen turbulenten Zeiten tobt intern ein Machtkampf um die Neubesetzung des Porsche-Vorstands. Mehrere Mitarbeiter aus dem Konzern berichten, gegenüber der Belegschaft habe es immer noch keine Erklärung gegeben, warum Finanzchef Meschke, der seit 16 Jahren im Porsche-Vorstand sitzt, gehen muss. Die Trennung von ihm kam für die meisten überraschend, auf den Fluren gäbe es kaum ein anderes Thema mehr, berichtet einer. Das Unternehmen sei „in einer Art Schockstarre“. Ungewöhnlich ist auch, dass die Nachbesetzung der beiden Vorstandsposten so lange dauert. Weder für Vertriebschef Detlev von Platen noch für Meschkes Finanzposten gab es eine schnelle Nachfolgelösung.
Aus Konzernkreisen heißt es, intern gebe es wie so oft bei Personalfragen im VW-Konzern, mehrere Lager. Die einen wollen demnach gleich den ganz großen Umbau, der auch bedeuten würde, dass Blume den Porsche-Vorstandsvorsitz abgibt und sich auf VW konzentriert. Eine andere Gruppe und Blume selbst wollen hingegen, dass er zunächst an beiden Posten festhält, das Unternehmen stabilisiert, und als Meschke-Ersatz erst einmal nur ein neuer Finanzchef gesucht wird. Als sicher gilt, dass die neuen Vorstandsmitglieder aus dem VW-Konzern kommen werden. Viele Manager mit Porsche-Vergangenheit arbeiten aktuell bei anderen Konzern-Marken.
Immer wieder fällt in Zuffenhausen der Name von Škoda-Chef Klaus Zellmer, der einen Großteil seiner Karriere bei Porsche verbracht hat, bevor er zunächst zu VW und dann zu Škoda nach Tschechien wechselte. Doch Zellmer würde vermutlich nur dann nach Zuffenhausen kommen, wenn ihm perspektivisch die Chef-Rolle und nicht nur ein Job in der zweiten Reihe winkt. Kurzfristige Lösungen für den Finanzchefposten könnten dagegen Manager wie Škoda-Finanzchef Holger Peters oder Audi-Finanzchef Jürgen Rittersberger sein.
Parallel müssen die Konzern-Gremien allerdings noch eine andere Frage beantworten: Was wird aus Meschkes Zweitjob als Vorstand bei der Porsche Holding SE? Immerhin soll sein Auftreten dort ein wichtiger Grund für seinen Rauswurf bei Porsche gewesen sein. Er habe, so heißt es, als Holding-Vorstand immer wieder harsche Kritik in Richtung VW nach Wolfsburg geschickt. Es scheint unrealistisch zu sein, dass Meschke sich dort halten kann. Auch – wie könnte es anders sein in der verschachtelten VW-Welt – weil er dort den gleichen Aufsichtsratschef hat wie bei Porsche: Wolfgang Porsche.