Volkswagen:Porsche strebt an die Börse

Volkswagen: Selbstbewusst und womöglich auch bald recht selbstständig: Eine ziemlich eigenwillige Skulptur vor den Werkstoren könnte den Weg für Porsche weisen.

Selbstbewusst und womöglich auch bald recht selbstständig: Eine ziemlich eigenwillige Skulptur vor den Werkstoren könnte den Weg für Porsche weisen.

(Foto: Arnulf Hettrich /imago images)

Der Sportwagenbauer aus Stuttgart könnte sich bald aus dem VW-Konzern lösen. Womöglich ist das der Beginn eines noch größeren Umbaus bei Volkswagen.

Von Max Hägler und Christina Kunkel

Das Vorhaben läuft unter einem klingendem Codewort: "Projekt Phoenix". Die Anleihe aus der Mythologie passt, denn es könnte große Folgen haben, wenn Realität wird, was der Volkswagen-Konzern und die übergeordnete Eigentümerholding Porsche SE nun nach jahrelangen Spekulationen bestätigt haben: Man befinde sich "in fortgeschrittenen Gesprächen" zu einem möglichen Börsengang der Sportwagentochter Porsche. Klappt das, bekäme Stuttgart einen zweiten eigenständigen Autobauer und Volkswagen frisches Geld in Milliarden-Höhe. Und es könnte der Startschuss sein zu einer Neuordnung von Europas größten Industriekonzern.

Der Autohersteller aus Stuttgart ist eine von derzeit zwölf Marken im Konzern - und die profitabelste. Auch in Krisenzeiten liegt die Marge meist über 15 Prozent, eher noch höher. Beim Verkauf eines Sportwagens für 100 000 Euro bleiben also mindestens 15 000, vielleicht sogar 20 000 Euro Gewinn - eine viel höhere Quote, als beispielsweise die Kernmarke Volkswagen erreicht. Aus diesem Grund ist schon länger im Gerede, die weltbekannte Marke aus dem Verbund herauszulösen. Vor einem Jahr etwa hatte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke im SZ-Interview entsprechend argumentiert: "Konzerne sind oft massiv unterbewertet, weil der Einzelwert der Einheiten am Kapitalmarkt nie 1:1 wiedergegeben wird", sagte er damals. Auf die Frage, ob es nicht Unbehagen bereite, andauernd hohe Gewinne an den VW-Konzern abführen zu müssen, antwortete Meschke mit kokettierendem Unterton: "Da hat man kaum eine Wahl." Und zuvor hatte Meschke bereits einmal erklärt, Porsche könnte an der Börse 60 bis 70 Milliarden Euro wert sein. Analysten halten diese Zahl für plausibel, manche sprechen sogar von einem möglichen Porsche-Wert von 100 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der VW-Konzern - mitsamt Porsche - erreicht an der Börse derzeit einen Wert von 115 Milliarden Euro.

Das Gespräch mit Meschke, der auch ein Vertrauter der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch ist, las sich wie ein Werben für die Loslösung. Zumal der Manager sogleich die Details mitlieferte, die auch heute noch gelten: Der Kapitalmarkt schätze "homogene, fokussierte Geschäftseinheiten". Anders gesagt: Aktionäre investieren lieber konkret in luxuriöse Sportwagen als in einen Gemischtwarenladen, der alles feilbietet, was fahren kann. Mit der Logik könne sich Porsche auch einfacher Geld beschaffen. Und schließlich, so Meschke, könnte eine schlanke Firma auch schneller sein, etwa bei Geschäften mit "Tech-Playern", die immer wichtiger sind für das autonome Fahren, aber auch für die Elektrifizierung. Tatsächlich kamen die jüngsten Nachrichten bei den Anlegern gut an: Die im Dax notierten VW-Vorzugsaktien legten am Dienstag um bis zu zehn Prozent zu. Bei der Eigentümerholding Porsche SE betrug das Plus elf Prozent.

Die Zentrale als "schlanke Holding" mit dicken Aktienpaketen?

Porsche dürfte aus mehreren Gründen mit großem Selbstbewusstsein in die weiteren Gespräche gehen. In Zuffenhausen arbeitete man ruhig, anders als im Konzernvorstand in Wolfsburg. Auch die Zahlen sind beeindruckend: Der Sportwagenbauer hat es besonders schnell geschafft, seine Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen. Im vergangenen Jahr verkaufte sich der elektrische Porsche Taycan bereits besser als der legendäre 911er. Zwar hakte es auch bei den Sportwagen immer wieder an der Software - doch insgesamt scheint Porsche sämtliche Umbrüche und Widrigkeiten deutlich besser zu meistern als andere Marken. Im Jahr 2021 gab es mit mehr als 300 000 verkauften Fahrzeugen sogar einen Absatzrekord - wobei Porsche diesen auch den Schwesterfirmen verdankt: Porsche bekam vergleichsweise mehr der im Moment so raren Computer-Chips zugeteilt als etwa die Marke VW. Damit Stuttgart Rekorde feiern kann, mussten sie in Wolfsburg die Produktion vom Golf drosseln.

Sollte der Börsen-Plan Realität werden, würde indes auch die Volkswagen-Gruppe profitieren. Selbst ein Teilverkauf brächte wohl einen zweistelligen Milliardenbetrag ein, was nicht unwesentlich ist in diesen herausfordernden Transformations-Zeiten. Dem Vernehmen nach ist aus diesem Grund auch eine noch weitergehende Aufteilung des Konzerns möglich - entlang der "Markengruppen", in die Herbert Diess den Konzern gegliedert hat: hier die Lastwagen und Busse, die bereits in einem börsennotierten Konstrukt namens Traton zusammengefasst sind. Dann die Premiumautos und -motorräder, angeführt von Audi: mit Lamborghini, Bentley und Ducati. Schließlich die "Volumengruppe" mit VW, Škoda und Seat und womöglich noch der Teileproduktion, "Komponente" genannt. Und eben: Porsche, wo seit kurzem auch der kroatische E-Auto-Bauer Rimac und die Bugatti-Manufaktur angehängt sind.

Volkswagen: Zwei, die sehr eigenständig auftreten: Porsche-Chef Oliver Blume (li.) und Finanzvorstand Lutz Meschke.

Zwei, die sehr eigenständig auftreten: Porsche-Chef Oliver Blume (li.) und Finanzvorstand Lutz Meschke.

(Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Das VW-Hauptquartier würde dann nur noch als eine "schlanke Holding" fungieren, die jedoch maßgebliche Aktienpakete halten würde. Die deutliche Mehrheit am Lastwagenbauer Traton etwa liegt beim VW-Konzern. Auch bei Porsche ist derzeit nicht denkbar, dass mehr als 25 Prozent in den freien Markt gegeben würden, die Regie bliebe insofern in Wolfsburg. Dort hatte man übrigens einen anderen Zeitplan im Kopf: Erst im Frühjahr sollte Projekt Phoenix der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, im Herbst dann möglicherweise die Börsenpläne zur Premiumgruppe.

Nun ist der Auftakt ein bisschen vorgezogen, was ganz passend ist. Denn die Schwaben führen schon bislang das stärkste Eigenleben. Nicht nur der Porsche-Finanzchef ist in den vergangenen Monaten selbstbewusst aufgetreten, auch manche Produktentscheidungen liefen zuletzt konträr zur Konzernräson. So etwa die Ansage aus Stuttgart, dass man den neuen Cayenne nicht im VW-Bulli-Werk Hannover bauen wolle. Es wäre für Niedersachsen, immerhin VW-Miteigentümer, ein wichtiges Projekt gewesen - doch das war den Schwaben egal. Und schließlich hat Porsche-Chef Oliver Blume in den vergangenen Monaten immer wieder zu erkennen gegeben, dass er gern in Stuttgart bleiben und ungern nach Wolfsburg wechseln würde als Nachfolger des dortigen Chefs Diess.

Markenchef in Stuttgart statt Gesamtchef in Wolfsburg? Im Lichte eines nahen Börsengangs erscheint diese Entscheidung deutlich nachvollziehbarer. Denn selbst für einen erfahrenen Manager wie Blume wäre das ein spannendes Projekt, mit dem man in die Geschichtsbücher eingeht.

Zu guter Letzt ist da noch der Name, der das Projekt wahrscheinlich werden lässt: Auf Porsche, den Konstrukteur und die Familie, geht letztlich alles zurück bei VW. Ganz verwunden haben seine Erben es nie, dass dieser Sportwagenbauer - ihr Sportwagenbauer - zwischenzeitlich vom VW-Konzern geschluckt worden ist. Ein Börsengang, bei dem die Familie wohl auch selbst zugreifen würde über ihre Eigentümerholding, wäre insofern auch eine Genugtuung für die ein wenig angekratzte Familienehre. Auch deshalb passt der Projektname: Phoenix. Wie der Vogel, der sich mit neuer Kraft aus der Asche erhebt.

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