Sanierungspläne:Wie Porsche den Batteriehersteller Varta retten könnte

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Die Batterien von Varta stecken in vielen Elektrogeräten. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Das schwäbische Unternehmen will die Insolvenz verhindern. Porsche würde sich an einem Rettungsplan beteiligen. Doch damit würden Alt-Aktionäre alles verlieren, und die Gläubiger müssten auf viel Geld verzichten.

Von Christina Kunkel

Auf der Webseite von Varta löst gerade eine schlechte Nachricht die nächste ab. Dort ist von eingeschränkter Erreichbarkeit die Rede, denn auch der schwäbische Batteriehersteller war vom großen IT-Ausfall betroffen, der am Freitag weltweit zu Chaos geführt hatte. Doch es geht noch schlimmer, zumindest bei Varta. Die neueste Meldung trägt die etwas verklausulierte Überschrift: „Varta meldet StaRUG-Verfahren an.“ Übersetzt heißt das: Das Unternehmen greift nach dem letzten Strohhalm, um eine Pleite abzuwenden.

Am Montag hat Varta beim Amtsgericht Stuttgart ein Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) beantragt. Damit will das Unternehmen eine mögliche Insolvenz abwenden. Doch der Preis dafür ist hoch, zumindest für die Alt-Aktionäre. Denn diese sollen bei der Rettung für Varta leer ausgehen. Das StaRUG gibt es seit drei Jahren in Deutschland. Es soll verhindern, dass ein operativ lebensfähiges Unternehmen in die Pleite rutscht. Dabei kann der Widerstand einzelner Gläubiger, aber auch der Aktionäre ausgehebelt werden. Auf diesem Weg hatte sich im vergangenen Jahr der Nürnberger Autozulieferer Leoni saniert. Auch dort verloren die Aktionäre alles, was auf heftige Kritik von Anlegerschützern stieß.

Auch bei Varta fiel die Reaktion der Aktionäre deutlich aus: Der Börsenkurs des Konzerns ist nach der Meldung vom Sonntagabend abgestürzt: von rund zehn Euro am Freitag auf nur noch knapp über zwei Euro am Montagmorgen. Zum Vergleich: Anfang 2021 befand sich der Kurs mit mehr als 180 Euro auf einem Höchststand.

Der Batteriehersteller ist schon länger in der Krise. Varta hatte große Hoffnungen und viel Geld in das Geschäft mit Mini-Akkus für kabellose Kopfhörer gesteckt. Diese Knopfzellen liefert der schwäbische Konzern unter anderem an Apple für dessen Air Pods, anfangs noch exklusiv. Varta hatte sogar extra die Produktionskapazitäten ausgeweitet. Doch Apple setzt mittlerweile auch auf andere Lieferanten, außerdem ist die Nachfrage nach kabellosen Kopfhörern eingebrochen. Auch das Geschäft von Varta mit Wandladestationen zum Speichern von Strom unter anderem für das Aufladen von Elektroautos kam bisher nicht recht in Schwung. Außerdem hatte ein Cyberangriff im Februar Varta stark belastet, wochenlang gab es Produktionsausfälle. Bisher hat das Unternehmen seinen Geschäftsbericht für 2023 nicht vorgelegt und flog aus dem Kleinwerteindex SDax.

Schuldenabbau reicht nicht, neues Geld ist nötig

„Es sind interne Fehler gemacht worden“, sagt Varta-Chef Michael Ostermann, der Anfang Mai als Sanierer nach Ellwangen geholt wurde. Er glaubt aber an das Potenzial der Firma, die als Batteriehersteller in einer der wichtigsten Zukunftsbranchen agiert und rund 4000 Menschen beschäftigt. Damit Varta eine Überlebenschance hat, muss es Ostermann zufolge erst einmal Schulden abbauen. Diese belaufen sich derzeit auf etwa 485 Millionen Euro. Man brauche aber auch neue Investitionen, rund 80 bis 100 Millionen Euro. Wie kann das gelingen? Ein Vorschlag dazu kommt vom größten Varta-Aktionär, dem österreichischen Milliardär Michael Tojner und von Sportwagenbauer Porsche. Beide gemeinsam würden das benötigte Geld bereitstellen.

Porsche hatte erst kürzlich Interesse bekundet, Varta das Geschäft für E-Auto-Batterien abzukaufen, das in der V4Drive Battery GmbH gebündelt ist. Jetzt geht es dem Autohersteller darum, über eine mögliche Kapitalerhöhung eine Mehrheitsbeteiligung an der Batterie-Sparte zu bekommen. Ein Porsche-Sprecher bestätigte am Montag die Verhandlungen dazu. „Das Ziel unseres Engagements wäre, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu erhalten“, sagt er. Voraussetzung dafür sei eine gesunde finanzielle Basis der Varta AG: „Unter bestimmten Umständen könnten wir uns daher vorstellen, uns auch an einer finanziellen Neuaufstellung der Varta AG insgesamt zu beteiligen.“

Dass Porsche den schwäbischen Nachbarn aus Ellwangen stützen will, geschieht auch aus Eigeninteresse. Denn gemeinsam mit Varta hat der Sportwagenhersteller neuartige Batterien für den Hybrid-Antrieb des neuen Porsche 911 GTS entwickelt, der gerade erst vorgestellt wurde. Die Technik wurde mit viel Geld und Entwicklungsaufwand vom Rennsport in die Serienfahrzeuge gebracht und ist weltweit einmalig. Die Akkus werden bei Varta gefertigt. Für Porsche geht es also auch darum, seine Lieferketten abzusichern, was deutlich schwieriger werden würde, wenn Varta in die Insolvenz geht oder Hedgefonds den Konzern übernehmen. „Der Name Porsche hat natürlich Strahlkraft“, sagt Varta-Chef Ostermann. Es hilft dem angeschlagenen Konzern, wenn ein großes Unternehmen wie Porsche bereit ist, weiteres Geld zu investieren.

Gläubiger würden von der Kapitalerhöhung ausgeschlossen

Doch bei dem geplanten Schuldenschnitt müssen auch die Banken und Hedgefonds mitspielen, die sich in einen Konsortialkredit über 235 Millionen Euro bei Varta eingekauft haben. 250 Millionen Euro hat sich Varta mit Schuldscheindarlehen geborgt. Die SZ erfuhr aus Finanzkreisen, dass die Gläubiger grundsätzlich mit einem Schuldenschnitt einverstanden seien, allerdings nicht mit den Bedingungen dafür, wie sie bisher vorgesehen sind. Demnach wären die Gläubiger von der geplanten Kapitalerhöhung ausgeschlossen. Sie hätten keine Möglichkeit, neues Geld zu geben und damit weiter am Unternehmen beteiligt zu sein. Das bliebe dem bisherigen Mehrheitsaktionär Tojner und Porsche vorbehalten. Dies widerspreche einer fairen Gleichbehandlung, so sehen das die Gläubiger. Schon seit Wochen, so heißt es aus Finanzkreisen, lägen Varta Vorschläge großer Gläubiger vor, wie man diese Probleme lösen könnte, diese seien jedoch bisher nicht ausreichend gewürdigt worden.

Varta-Chef Ostermann betont im Gespräch mit der SZ, es gehe um „die beste Lösung für Varta“. Noch gebe es allerdings keinen finalen Vorschlag, sondern nur Entwürfe. Ostermann hofft, dass in wenigen Wochen eine Entscheidung möglich ist, „je früher, desto besser“. Die ist auch nötig, weil Varta nur mit neuem Geld eine positive Fortführungsprognose bekomme. Und die ist wiederum Voraussetzung, um endlich den Jahresabschluss von 2023 zu machen.

Für die Beschäftigten bei Varta heißt es jetzt warten und bangen, ob und wie sich das Unternehmen vor der Insolvenz retten kann – und damit auch ihre Arbeitsplätze. Allerdings deutet Michael Ostermann bereits an, dass auch die Restrukturierung wieder Jobs kosten wird. Der dann nötige Stellenabbau würde jedoch in einem „sehr moderaten Umfang“ liegen.

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