Porsche und die Babyfon-Affäre:Schlaflos in Wolfsburg

Die Schlacht zwischen Porsche und VW zeigt skurrile Züge: Porsche hat in der Babyfon-Affäre auf eigene Faust ermittelt - und einen Verdächtigen entdeckt. Da dieser jedoch schweigt, wird er nun wohl Besuch von der Polizei bekommen.

Hans Leyendecker

Den Beamten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist nichts Technisches fremd, aber über einen Lauschangriff mit Hilfe eines Babyfons haben sie noch nie gegrübelt: "Wir haben dazu nichts, eine zu primitive Technik", sagt eine Sprecherin. Fehlanzeige auch beim Bundeskriminalamt und bei diversen Landeskriminalämtern. Den in diesen Tagen umlaufenden Verdacht, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sollte ausgerechnet mit einem technisch so unterentwickelten Gerät abgehört werden, finden Spezialisten der Behörden eher skurril.

Porsche und die Babyfon-Affäre: Skeptischer Porsche-Chef: Wendelin Wiedeking soll in einem Wolfsburger Hotel mit einem Babyfon bespitzelt worden sein.

Skeptischer Porsche-Chef: Wendelin Wiedeking soll in einem Wolfsburger Hotel mit einem Babyfon bespitzelt worden sein.

(Foto: Foto: ddp)

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft, die am Donnerstag voriger Woche eine entsprechende Anzeige des Autobauers Porsche erhielt, müht sich um Ernsthaftigkeit: "Das wirkt nicht gerade wie ein großer Lauschangriff", sagt Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt zu Hannover werde seine Behörde aber "den Fall ernsthaft prüfen".

Das Babyfon ist verschwunden

Der Fall steckt voller Merkwürdigkeiten: Das Babyfon, das Mitarbeiter einer von Porsche beauftragten Sicherheitsfirma am frühen Nachmittag des 15. November kurz vor dem Eintreffen Wiedekings in dessen Suite im Wolfsburger Luxushotel Ritz-Carlton entdeckt hatten, ist nicht mehr auffindbar. Das Gerät sei "am Fundort belassen worden", schreibt Porsche in der Strafanzeige.

Folglich kann das Babyfon jetzt auch nicht auf Spuren untersucht werden. Die Sicherheitsleute von Porsche haben lediglich Fotos des Babyfons gemacht und Recherchen angestellt, ob das Gerät in Wolfsburg zu kaufen war. Die Antwort ist wenig überraschend: Ja, denn es ist ein handelsübliches Produkt.

Andererseits: Dass ein primitives Babyfon eingesetzt worden sein könnte, um den Top-Manager zu belauschen, ist aus Porsche-Sicht so absurd nicht. Im Gegenteil. Gerade die Einfachheit macht Sinn.

Es gehört, wie Sicherheitsfachleute wissen, zum Ritual, dass vor dem Eintreffen Wiedekings die Räume nach Wanzen und Abhörgeräten mit der neuesten Technik gefilzt werden. So war das auch am 15. November und die Techniker hatten keine Wanze gefunden.

Eher zufällig stieß einer von ihnen allerdings auf das eingeschaltete Babyfon, das hinter einem Sofa steckte. Die technischen Prüfgeräte hatten das Babyfon nicht gemeldet. Wiedeking, der gegen 14.30 Uhr eintraf, wurde gleich über den Fund informiert. Die Sicherheitsleute setzten eine fingierte Nachricht ab, um zu schauen, ob sich jemand rühre. Nichts passierte.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum ein potenziell Verdächtiger lieber nicht reden möchte - und wieso Porsche-Chef Wiedeking in Wolfsburg kürzlich unsanft geweckt wurde.

Schlaflos in Wolfsburg

Die Leitung des Hotels, das nicht auf dem VW-Gelände liegt, aber zur Autostadt gehört, wurde informiert. Wer war wann in diesem Zimmer? Den monatelangen Ermittlungen von Porsche zufolge ist es ausgeschlossen, dass ein Gast das Gerät vergessen hatte. Recherchen ergaben, dass über Monate keine Familie in der Suite gewohnt hatte, die ihr Babyfon vergessen haben könnte.

Es herrscht Krieg

Bei der Suche nach einem Verdächtigen, stießen die Werks-Ermittler auf einen jungen Mann, der für eine Sicherheitsfirma arbeitet, die manchmal im Ritz`-Carlton nach dem Rechten sieht. Er wurde befragt. Der Verdacht blieb und sein Name findet sich in der Strafanzeige. Die letzten Gespräche mit dem aus Porsche-Sicht potenziell Verdächtigen fanden vor ein paar Wochen statt. Er schwieg weiter. "So ein armes Würstchen redet doch nicht mit uns über Hintermänner", sagt ein Porsche-Mann. "Wir konnten dann den Fall beerdigen oder an die Staatsanwaltschaft weiterreichen", sagt Porsche-Sprecher Anton Hunger. "Wir haben uns für das Letztere entschieden". Der Sicherheitsspezialist wird vermutlich von der Polizei Besuch bekommen.

Außenstehende tun sich schwer, die vielen Gerüchte und Verdächtigungen nachzuvollziehen. Um die Herrschaft bei Volkswagen, das immerhin steht fest, gibt es seit Monaten einen erbitterten Machtkampf zwischen den Konzernen. Porsche will die Macht. VW hält dagegen. Dass Krieg herrscht, ist noch eine Untertreibung. Besonders die bei Porsche trauen den anderen fast alles zu, besonders denen in Wolfsburg.

War es eigentlich ein Zufall, fragen sich Porsche-Leute, dass Wiedeking, der immer im Ritz-Carlton absteigt, wenn er in Wolfsburg ist, ausgerechnet an diesem Tag vor einer Aufsichtsratssitzung nicht die Suite erhielt, die er sonst immer bewohnt? Er musste in eine andere Suite und das hatte Folgen. Am darauffolgenden Morgen gegen 6.45 Uhr fand eine Demonstration von mehr als hundert VW-Leuten gegen Wiedeking statt und die Demonstranten zogen direkt unter dessen Hotel-Suite, um den Porsche-Mann zu wecken. Die Suite, die er gewöhnlich bewohnt, wäre für die Demonstranten nur schwer erreichbar gewesen.

Zu den umlaufenden Spekulationen gehört der Verdacht, dass einer der Demonstranten das Babyfon installieren ließ, um am Morgen die Reaktion Wiedekings zu belauschen.

"Zur Nachahmung empfohlen"

"Jede Menge Leute hätten daran ein Interesse gehabt", sagt Hunger: "Jedenfalls in Wolfsburg". Porsche-Manager können auf Anhieb weitere Fälle nennen, in denen es einen Bespitzelungsverdacht gibt, aber sie haben andererseits keinen Beleg dafür, dass Leute von VW dahinter stecken könnten.

Selbst erfahrene Kriminalisten blicken da nur noch schwer durch. Das Babyfongate findet der Trierer Kriminalhauptkommissar Günter Schönweiler "sehr merkwürdig". Der 53-jährige Ermittler machte sich in Fachkreisen einen Namen, als er Anfang der neunziger Jahre eine in Rheinland-Pfalz und Hessen aktive Diebesbande mit Hilfe von Babyfonen auffliegen ließ.

Die Geräte hatten die Beamten in einer Gaststätte versteckt, die schon einmal Besuch von den Dieben bekommen hatte und Schönweiler nahm an, dass die Gauner wiederkommen würden. Die Anlage kostete umgerechnet 35 Euro. Schönweiler schrieb dann 1992 in der Zeitschrift Kriminalistik einen Aufsatz über das "Babyfon als stille Täterfalle". Der Vater von drei Kindern, der über die technischen Schwächen von Babyfonen weiß, schrieb über seinen Einsatz: "Zur Nachahmung empfohlen".

Vielleicht hat jemand diesen Vorschlag gründlich missverstanden.

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