Porsche:Luxus-Probleme in "Muffenhausen"

Lesezeit: 4 min

Warum Porsche den Volkswagen-Konzern übernehmen will.

Als alles begann, staunte die Autofachwelt, und die Finanzwelt rieb sich ebenfalls die Augen. Konnte das sein? Aber in der Ad-hoc-Meldung aus Stuttgart-Zuffenhausen vom 25. September 2005 stand zweifelsfrei zu lesen: "Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart, will sich mit rund 20 Prozent des stimmberechtigten Kapitals an der Volkswagen AG, Wolfsburg, beteiligen."

Der kleine Hersteller von Sportwagen für den gehobenen Luxusbedarf machte sich zum Großaktionär von Europas größtem Autohersteller, ein Unternehmen mit knapp 12.000 Beschäftigten und einer Jahresproduktion von nicht mal 100.000 Fahrzeugen schickte sich an, den Konkurrenten mit seinen 324.000 Mitarbeitern und einer jährlichen Produktion von mehr als fünf Millionen Autos zu übernehmen. "Spotz würg", kalauerte der englische Daily Telegraph am Tag darauf, "dieser Deal könnte sich für den Luxusauto-Hersteller als etwa so sinnvoll erweisen wie eine Banane im Auspuffrohr eines 911 Carrera."

Auf Effizienz getrimmt

Aber Porsches Sportauspuff röhrt unverdrossen und einwandfrei vor sich hin. Inzwischen haben die Stuttgarter mehr als fünf Milliarden Euro in ihren 31-Prozent-Anteil an Volkswagen gepumpt, aber allein im ersten Halbjahr der laufenden Geschäftsperiode schon 520 Millionen Euro durch Kursgewinne eingesteckt. Das verriet Porsche-Chef Wendelin Wiedeking auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 26. Juni.

Dieser Tag war ein historisches Datum für das Unternehmen: An jenem 26. Juni wurde die Porsche Holding SE ins Leben gerufen, eine Aktiengesellschaft nach europäischem Recht, unter deren Dach der Autohersteller Porsche und die Beteiligung an VW geführt werden.

Wenn, wie allgemein erwartet wird, der Europäische Gerichtshof am 23. Oktober das VW-Gesetz kassiert, das keinem Aktionär ein Stimmrecht von mehr als 20 Prozent erlaubt, wird Porsche sein Aktienpaket bald auf mehr als 50 Prozent aufstocken und Volkswagen beherrschen.

Organisatorisch vermengt werden die beiden Teilkonzerne allerdings nicht: "Es findet nicht nur keine Hochzeit im Himmel statt, nein, wir heiraten noch nicht einmal auf Erden", hat Wiedeking den Aktionären versprochen. Aber wer das Sagen bei VW haben wird, darüber lässt der Vorsitzende der neuen Porsche Holding keinen Zweifel: Mit einer Zuschauerrolle werde sich Großaktionär Porsche natürlich nicht begnügen, so Wiedeking. "Es wäre geradezu sträflich fahrlässig, wenn wir uns um unser Investment nicht kümmern würden."

Vor 15 Jahren, als Wiedeking Chef in Zuffenhausen wurde, war der Sportwagenbauer von solchen Erwägungen über milliardenschwere Investments noch weit entfernt. Das von Ferdinand Porsche gegründete Unternehmen war nach 60 Jahren so gut wie pleite, kaum ein Experte setzte noch auf die marode Firma. Es herrschte das schiere "Muffensausen in Zuffenhausen", wie eine Zeitung damals titelte.

Das änderte sich unter der Ägide Wiedekings alsbald. Er schickte anfangs mehr als ein Drittel der Belegschaft nach Hause, engagierte ehemalige Toyota-Leute, um die Produktionsprozesse zu verschlanken, verlagerte peu à peu Arbeiten nach außen, trimmte die im Hause verbliebenen Arbeitsabläufe gnadenlos auf Effizienz. So stammen bei Porsche nur noch zehn Prozent der Wertschöpfung aus der eigenen Fertigung, den Rest leisten die Zulieferer; bei anderen deutschen Autoherstellern beträgt der Anteil der Eigenproduktion immerhin noch rund 25 Prozent.

Unter Wiedekings Regie mauserte sich Porsche zum weltweit profitabelsten Autobauer mit einer Umsatzrendite um die 20 Prozent. Andere Unternehmen sind dagegen froh, wenn sie ihre Rendite von fünf auf sieben Prozent steigern können. Die Stuttgarter profitieren davon, dass sie klein, unabhängig und flexibel agieren und Risiken möglichst aus dem Weg gehen. So sichert Finanzchef Holger Härter Wechselkursschwankungen stets langfristig und zu hundert Prozent ab. Waghalsige Expansionspläne, riskante Zukäufe und eine hohe Verschuldung scheut der Porsche-Vorstand ebenfalls.

"Eine Schande"

Um die Risiken zu senken, produziert Porsche den Cayenne zudem gemeinsam mit Volkswagen; mit dem finnischen Autohersteller Valmet arbeitet das Unternehmen bei der Produktion des Boxster und des Cayman zusammen. So vermeidet Porsche, teure Fabriken vorzuhalten, die bei Auftragsschwankungen leer stünden. Sinkt zum Beispiel die Auslastung im Stammwerk Zuffenhausen, erlauben es die Verträge mit Valmet, die Produktion kurzfristig heimzuholen.

Gemeinsam mit Volkswagen produziert Porsche nicht nur den Geländewagen. VW schweißt in Bratislava die Karosserie zusammen und lackiert diese. Porsche stattet das Modell auch mit einem Sechs-Zylinder-Motor aus, dessen Basis von VW stammt und der dann noch von Porsche verfeinert wird.

Zudem arbeiten die Stuttgarter mit dem Wolfsburger Konzern bei der Entwicklung eines Hybridantriebs zusammen, den sie wegen der hohen Kosten und der wahrscheinlich geringen Absatzzahlen allein kaum konstruieren könnten. Wäre Volkswagen Finanzinvestoren anheimgefallen und zerschlagen worden, wofür es vor dem Porsche-Einstieg durchaus Anzeichen gab, wäre ein tragender Teil des Erfolgsmodells à la Zuffenhausen unter die Räder gekommen.

Dass Branchenkollegen Wiedeking immer wieder vorhielten, solch ein Erfolgsmodell sei nur bei einem kleinen Nischenhersteller wie Porsche möglich, hat den ehrgeizigen Westfalen stets gefuchst. Und wenn Wiedeking immer wieder gerne betont, dass VW das Zeug habe, Toyota die Stirn zu bieten, mag ihn sein Ehrgeiz antreiben, auch zu beweisen, dass ein Massenhersteller hoch profitabel produzieren kann. Kein Wunder, dass solche Worte schrill in den Ohren des VW-Managements und insbesondere des Betriebsrats klingen.

Ruhe hat Wiedeking aber inzwischen an der Analystenfront. Jahrelang hat er sich von den Vertretern dieser Finanzmarktspezies mit der Frage löchern lassen müssen, was er mit den Barreserven, die vor dem VW-Einstieg bei über drei Milliarden Euro lagen, anfangen wolle. Das waren die Luxus-Probleme des Luxusauto-Bauers Porsche.

Als die Milliarden dann für die VW-Aktien ausgegeben waren, war es auch wieder nicht recht: Porsche hätte den Geldsegen lieber als Sonderdividende an die Aktionäre ausschütten sollen, als in den Wolfsburger Konzern zu stecken, dessen Erfolgsaussichten nicht gerade rosig aussähen, hieß es dann. Die Financial Times ätzte deswegen: "Die Investmentstrategie von Porsche ist eine Schande."

(SZ vom 29.09.2007)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: