Porsche: Hitzige Hauptversammlung:"Kollektive Geistesverwirrung"

Attacken aus dem Plenum: Bei der Porsche-Hauptversammlung machen die Aktionäre ihrem Ärger Luft. Die milliardenschweren Verluste seien Ergebnis eines allgemeinen Größenwahns gewesen.

Bei der Hauptversammlung von Porsche sind die Fetzen geflogen. Im Zentrum der Kritik: der Aufsichtsrat des Sportwagenherstellers, der wegen der gescheiterten VW-Übernahme von den Kleinaktionären scharf kritisiert wurde.

Hauptversammlung bei Porsche, Foto: dpa

Ein Mann geht bei der Hauptversammlung von Porsche an einem Plakat des Automobilherstellers vorbei. Der neue Eigner Volkswagen will dem Sportwagenhersteller eine große Eigenständigkeit zugestehen.

(Foto: Foto: dpa)

Das von den Familiengesellschaftern Porsche und Piëch dominierte Aufsichtsgremium habe die "Hybris" des Vorstands offensichtlich geteilt, sagte Peter Maser von der Aktionärsvereinigung DSW.

Denn die ehemaligen Vorstände Wendelin Wiedeking und Holger Härter hätten bei der geplanten Übernahme des vielfach größeren Volkswagen-Konzerns nicht im Alleingang gehandelt, sondern mit Rückendeckung des Aufsichtsrates: "Der Aufsichtsrat, der sich da entlasten lassen will, ist genauso schuld", so Maser. Es habe eine kollektive Geistesverwirrung geherrscht. Letztlich sei dieser Plan aber gescheitert und habe Porsche sogar an den Rand der Zahlungsfähigkeit geführt.

Wie gewonnen, so zerronnen

Der Sportwagenhersteller hatte für das Geschäftsjahr 2007/2008 einen Vorsteuergewinn von 8,6 Milliarden ausgewiesen, war aber auf Grund der verunglückten Übernahme von Volkswagen im darauffolgenden Geschäftsjahr 2008/2009 tief in die Verlustzone (minus 4,4 Milliarden Euro) gerutscht.

Bei der Hauptversammlung im Januar 2009 hatte sich der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking noch mit dem Milliardengewinn gebrüstet, weil er sogar höher ausgefallen war als der Umsatz: "Vielleicht müssen auch betriebswirtschaftliche Lehrbücher um das singuläre Beispiel Porsche ergänzt werden", tönte Wiedeking damals.

Maser nahm die damalige Vermessenheit Wiedekings zum Anlass und griff auch die Abfindungen für den geschassten Porsche-Chef und den früheren Finanzvorstand Härter von zusammen 62,5 Millionen Euro an, die der Aufsichtsrat im Sommer 2009 beschlossen hatte. "Sie sind keine Gutsherren, sondern Gutsverwalter", rief Maser dem Aufsichtsgremium zu.

Schließlich habe Porsche im Zuge der VW-Übernahmepläne die Unabhängigkeit verloren und werde nun bei VW eingegliedert.

Pfiffe für den Strippenzieher

Christian Strenger, Aufsichtsrat und früherer Chef der Fondsgesellschaft DWS, forderte gar in einem Gegenantrag, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern. Als der Name des Strippenziehers Ferdinand Piëch fiel, gab es Pfiffe im Auditorium. Dem VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigner wurden erneut Interessenskonflikte bei der Zusammenführung der beiden Unternehmen vorgeworfen.

Franz Wagner von der Aktionärsvereinigung SdK warnte die Anteilseigner zudem vor den möglichen finanziellen Folgen einer in den USA gegen Porsche eingereichten Schadenersatzklage. "Wenn wir Glück haben, ist die Klage schnell vorbei. Wenn wir Pech haben, wird es richtig teuer."

Mehrere institutionelle US-Anleger hatten Porsche in New York auf Schadenersatz in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar verklagt, da das Unternehmen unter Führung von Wiedeking und Härter angeblich zu spät über die geplante Beherrschung von VW informiert habe. Damit sei der Aktienkurs von Volkswagen manipuliert worden, heißt es in der Klage, die bei einem Gericht in Manhattan einging.

"Kräfte bündeln"

Einen nüchternen Empfang bereiteten die rund 2000 Aktionäre Porsche-Holding-Chef Martin Winterkorn, der in Personalunion auch Vorstandschef des neuen Porsche-Eigners Volkswagen ist.

Winterkorn bemühte sich sichtlich, Optimismus zu verbreiten: "Unser erklärter Anspruch ist es, der Innovationsmotor der Automobilindustrie zu sein. Deshalb arbeiten wir mit voller Kraft daran, unsere Kräfte zu bündeln." Beide Unternehmen seien bemüht, durch gemeinsame Entwicklungen und Produktionen Wachstumspotenziale erschließen und so die Kosten deutlich zu senken. Mit ersten Erfolgen sei bereits in diesem Jahr zu rechnen.

Neuer Milliardenverlust

Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2009/10 (31. Januar) gingen die Verkäufe zwar im Jahresvergleich um 3,1 Prozent auf 33.200 Fahrzeuge zurück. Von August bis Ende November hatte der Sportwagenhersteller aber noch ein Viertel weniger Autos verkauft, im ersten Quartal sogar 40 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. "Der Aufwärtstrend ist also deutlich erkennbar", sagte Winterkorn.

Für das Gesamtjahr rechnet Porsche mit einem Absatz über Vorjahr. Im abgelaufenen Jahr 2008/09 waren die Verkäufe um knapp ein Viertel auf 75.238 Fahrzeuge geschrumpft.

Mittelfristig wollen die Stuttgarter die Jahresproduktion auf 150.000 Fahrzeuge erhöhen. Dazu sollen auch neue Baureihen beitragen. Der Umsatz verringerte sich nach vorläufigen Zahlen im ersten Halbjahr um 3,3 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr gab Winterkorn noch kein Erlösziel aus.

Ergebniszahlen für das Halbjahr legten die Porsche-Verantwortlichen nicht vor. Der Sportwagenhersteller rechnet aber schon jetzt für 2009/10 erneut mit einem Milliardenverlust.

"Immer zu 100 Prozent ein echter Porsche"

Gleichzeitig stellte Winterkorn die Eigenständigkeit Porsches heraus. Unter dem Dach von VW werde der Stuttgarter Hersteller eine starke, selbstbestimmte Marke bleiben. "Ein Porsche muss immer zu 100 Prozent ein echter Porsche sein. Und daran wird es auch in Zukunft keinerlei Abstriche geben."

Das Unternehmen soll im Laufe des Jahres 2011 als zehnte Marke in den VW-Konzern integriert werden. Dabei sind noch zahlreiche Hürden zu nehmen. Vor allem muss Porsche den Milliarden-Schuldenberg, den das Unternehmen bei der missglückten VW-Übernahme angehäuft hatte, weiter abtragen.

Dabei soll 2011 vor allem eine Kapitalerhöhung über insgesamt fünf Milliarden Euro beitragen.

Nach dem gescheiterten Übernahmeangriff auf VW war der Wüstenstaat Katar mit zehn Prozent bei Porsche eingestiegen und wurde zum ersten Anteilseigner, der nicht zu den Eignerfamilien Porsche und Piëch gehört.

Das Emirat will sich nun auch Einfluss im Aufsichtsrat der Stuttgarter sichern. Die Aktionäre sollen Scheich Jassim Bin Abdulaziz Bin Jassim Al-Thani für vier Jahre zum Aufseher wählen. Der Scheich würde dort den Platz von Hans-Peter Porsche, dem Bruder von Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche, einnehmen.

Zunächst keine Entlastung für Wiedeking und Härter

Die Aktionäre sollen außerdem beschließen, dass von 2011 an das Geschäftsjahr an das Kalenderjahr angepasst wird. Außerdem sollen alle Vorstände künftig ihr Gehalt offenlegen müssen.

Eine Entlastung von Ex-Chef Wendelin Wiedeking und Finanzvorstand Holger Härter ist wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Manager wegen des Verdachts der Marktmanipulation zunächst nicht geplant. Beide ehemaligen Vorstände waren nicht zu der Hauptversammlung gekommen.

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