Porsche: Götterdämmerung:Wiedeking - auf zum letzten Gefecht

Krieg der Charakterköpfe bei Porsche: Vorstandschef Wendelin Wiedeking provoziert und provoziert. Er leistet sich im Kampf um VW ein Scharmützel mit den mächtigen Aufsichtsräten Ferdinand Piëch und Berthold Huber - die Schlacht könnte bald entschieden sein.

Hans von der Hagen und Melanie Ahlemeier

So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben: Ein Unternehmenslenker, bekannt für großen Erfolg und ein noch größeres Mundwerk, will höher als jeder andere hinaus - und fällt im Sturzflug.

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Zoff in Zuffenhausen: Porsche-Boss Wendelin Wiedeking (rechts) hat sich neben Ferdinand Piëch (Mitte) nun auch noch mit IG-Metall-Chef Berthold Huber angelegt.

(Foto: Montage: sueddeutsche.de; Fotos: AFP/dpa/AP)

Der Mann heißt Wendelin Wiedeking und ist mit einem geschätzen Einkommen von 130 Millionen Euro in den letzten beiden Jahren einer der bestbezahlten Manager weltweit. Nun, kurz vor dem Aufprall, rudert und schlägt er um sich - und ist im Clinch mit gleich zwei wichtigen Aufsichtsräten.

Mit Ferdinand Piëch, dem Aufsichtsratschef von Volkswagen (VW), liefert er sich genauso ein verbales Scharmützel wie mit Berthold Huber, dem Chef der IG Metall. Immer belehrt Wiedeking seine Gegner, sie dürften nichts Abträgliches über die von ihm geleitete Porsche AG und die wirtschaftlichen Bedingungen dort sagen - notfalls müssten sie für Schaden haften.

Doch längst haben andere die Kontrolle über den Absturz des Wendelin Wiedeking übernommen. Eine Spurensuche im Reich der Automobilbauer und der Banken.

Das Szenario: Wiedeking wollte mit Porsche Volkswagen übernehmen - und er hat die Wolfsburger völlig unterschätzt. Das Vorhaben war gewaltig. Porsche galt als einer der profitabelsten Autokonzerne der Welt, wäre aber mit seinen 13.000 Mitarbeitern aus Sicht von Volkswagen mit 350.000 Mitarbeitern nicht viel mehr als die Besetzung eines VW-Fließbands.

Porsche brauchte viel Geld für den Kauf der VW-Aktien und musste sich dafür hoch verschulden. Derzeit steht das Unternehmen mit gut neun Milliarden Euro in der Kreide und bekommt angesichts der schwierigen Bedingungen auf den Finanzmärkten kein Geld mehr. Statt der angestrebten 75 Prozent hält Porsche derzeit nur 51 Prozent von Volkswagen - und aufgrund des VW-Gesetzes nicht mehr als 20 Prozent der Stimmrechte.

Das Ziel: Warum Wiedeking sich in das Abenteuer gestürzt hat, bleibt sein Geheimnis. Natürlich: Es geht um Macht, Einfluss und Geld - der Rest ist Spekulation. Wiedeking, der alles hatte, muss satt und gelangweilt gewesen sein. Und Ferdinand Piëch, der ursprünglich im Einvernehmen mit Wiedeking gehandelt haben wird, wollte wohl den Besitz der Familien unter einem Dach bündeln.

Wirtschaftlich notwendig aber war die Übernahme für Porsche nicht - schon vor der Übernahme arbeiteten Porsche und VW zusammen. Vielleicht weiß es Wiedeking selbst nicht so genau: 2007 antwortete er auf die Frage, was er mit der Übernahme von VW bezwecke: "Langsam, langsam. Dieses Ziel verfolgen wir aktuell nicht."

Die List: Wiedeking spielte stets mit verdeckten Karten. Auf diese Weise narrte er alle. Schon im September 2005 hatte seine Porsche AG eine Beteiligung an Volkswagen ankündigt. Es folgten Bekenntnisse, die sich aus heutiger Sicht als Witz ausnehmen.

Im Oktober 2005 hieß es: "Wir werden Volkswagen nicht beherrschen." Im Januar 2006 hörte es sich dann so an: "Nach aktuellem Entscheidungsstand wird Porsche nicht über eine Beteiligung von 22 Prozent hinausgehen", im November des gleichen Jahres hingegen so: "Es bestehen derzeit definitiv keine Absichten, den Anteil von Porsche an VW auf 30 Prozent oder darüber aufzustocken." So ging es weiter.

Noch im März 2008 hieß es: "Die Porsche Automobil Holding SE weist Medienberichte zurück, wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen VW-Anteil auf 75 Prozent aufzustocken." Nur ein halbes Jahr später hieß es bei Porsche: "Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen."

Die Strategie: Weil Wiedeking so lange die Börse narrte, konnte er sich lange billig mit VW-Aktien eindecken. Wäre später alles so gekommen wie geplant, hätte Porsche Zugriff auf das Geld von VW gehabt - und damit die Übernahme letztlich aus fremder Kasse finanziert. Zugleich setzte Porsche darauf, dass das VW-Gesetz keinen Bestand haben würde.

Es begrenzt die Macht von Porsche, da kein Aktionär bei Volkswagen - unabhängig von der Höhe der Beteiligung - in dem ehemaligen Staatsunternehmen mehr als 20 Prozent der Stimmrechte wahrnehmen darf. Es ist mit europäischen Recht unvereinbar - doch statt es zu kippen, plant der Bund ein neues VW-Gesetz. Porsche ist gleich doppelt gescheitert.

Der Freund:

Holger Härter - der Geldjongleur Er ist der Finanzvorstand bei Porsche, hält eisern zu Wiedeking und setzte dessen kühne Pläne um. Er kaufte Aktien und konstruierte Optionsmodelle, die dem Unternehmen Zugriff auf Aktien zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen sollten. Doch Härter machte Fehler. Der vielleicht entscheidende: Er brachte die Banken gegen sich auf.

Nur ein Beispiel: Im Februar 2008 nahm er zehn Milliarden Euro als Kredit auf - und legte sie gleich wieder an. Er musste weniger bezahlen als er bekam. Schöner kann man die Banken nicht gegeneinander ausspielen. Doch die merkten sich das und Porsche-Großaktionär Ferdinand Piëch ätzte: "Der Kleine hat die Banken stark vergrätzt." Verdient hat Härter dennoch hervorragend:

Geschätzte 60 Millionen Euro soll Härter in den vergangenen zwei Jahren bekommen haben - mehr als doppelt so viel wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Künftig wird es wohl weniger sein: Schon jetzt heißt es aus dem Clan der Familieneigner: Härter und Wiedeking müssen an Bord bleiben, bis es eine Lösung für die Neun-Milliarden-Schuldenlast von Porsche gibt. Anschließend können beide gehen. "Das ist keine Frage von Jahren, sondern nur noch eine von ein paar Monaten."

Seine Chance, die er noch zu nutzen glaubt, ist der Einstieg des Emirats Katar. 25 Prozent sollen die Scheichs angeblich in wenigen Wochen übernehmen - und dafür zwei bis drei Milliarden Euro spendieren.

Und dann hat er noch im Eigentümerkreis einen letzten Getreuen: Wolfgang Porsche, den eher sanften Cousin des eher aggressiven Auto-Patriarchen Ferdinand Piëch.

Die Gegenspieler

Die Feinde:

Ferdinand Piëch, der Patriarch Den öffentlichen Dolchstoß verpasste Patriarch Ferdinand Piëch seinem einstigen Getreuen Wiedeking an einem lauen Mai-Sommerabend. Es war auf Sardinien, und eigentlich wollte Europas größter Autokonzern in heimeliger Runde den neuen Polo vorstellen. Doch der alte Stratege Piëch nutzt die Gunst der Stunde. Vor versammelter Journalistenschar degradierte er Wiedeking.

"Für Porsche war Wiedeking der Beste, sicher über 15 Jahre", sagte der Patron. Übersetzt heißt das: Schluss, aus, vorbei - der Mohr kann gehen. Auch der Nachsatz Piëchs konnte die Lage für Wiedeking nicht mehr retten. "Zurzeit noch. Das 'noch' können Sie streichen", antwortete der 72-Jährige auf die Frage, ob er Wiedeking noch vertraue.

Vielleicht hätte Wiedeking zu jenem Zeitpunkt einfach seinen Stuhl räumen sollen. Vielleicht hätte er einfach sagen sollen: "Es reicht." Doch die Schmach wollte sich der einst als erfolgreichster Manager ausgezeichnete gebürtige Westfale nicht geben - und blieb.

Auch wenn sich Wiedeking mit seinem Not-Kompromissangebot, Porsche und VW in einer neuen Holding zu fusionieren, auf dem ersten Blick gegen Piëch durchsetzte: Im neuen Konstrukt VW-Porsche wird Wiedeking keine Rolle mehr spielen. Dafür wird Piëch mittels seines Einflusses bei VW und Porsche schon sorgen. Und den Brief, in dem Wiedeking den VW-Aufsichtsratschef Piëch als Nachklapp auf die Sardinien-Äußerung zur Räson rufen wollte und ihm mit Schadenersatzforderungen drohte, den wird Piëch einfach weglächeln. Und vielleicht wird er, ganz so wie auf der Volkswagen-Hauptversammlung im Mai, leise aber abermals vernehmbar sagen: "Ich habe jetzt entschieden."

Berthold Huber, der Gewerkschafter Er ist der Kopf der mächtigsten Gewerkschaft der Republik: Berthold Huber von der IG Metall. Auch er erhielt einen Brief vom Porsche-Chef - weil er sich negativ über einen vom Sportwagenhersteller bei der staatlichen KfW beantragten Milliardenkredit geäußert hatte. Doch das ficht den Gewerkschaftsboss nicht an, im Gegenteil. In einem der Bild-Zeitung vorliegenden Schreiben fährt der Metaller Wiedeking ein weiteres Mal in die Parade.

"Ich bin weiter der Meinung, dass es für das Unternehmen Posche die beste Lösung ist, die Schwierigkeiten (...) selbst zu bewältigen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund Ihres Gehalts und der entsprechenden Diskussion in der Öffentlichkeit." Huber kann gelassen bleiben, denn er weiß: Die Mitarbeiter von Europas größtem Autokonzern Volkswagen stehen hinter ihm, sie waren von Anfang an gegen den Porsche-Einstieg.

Die Banken Ohne Banken geht nichts - das weiß jeder, der in der Wirtschaft arbeitet. Doch Wiedekings rechte Hand, Finanzvorstand Härter, hat es sich mit den Banken verscherzt - und zwar selbstverschuldet. Die Zehn-Milliarden-Euro-Nummer und auch das öffentliche Protzen mit dem Geniestreich des Finanzvorstandes ("Die aufgenommene Summe wird risikofrei gut verzinslich angelegt werden und bringt Porsche zusätzlich Ertrag") kam in der Szene gar nicht gut an. Seitdem sind die Banker sauer und vergrätzt zugleich.

Die Retourkutsche folgte wenig später: Als Ende März dieses Jahres der Zehn-Milliarden-Kredit zur Verlängerung anstand, musste Härter mächtig schwitzen: In Frankfurt nahmen ihn 15 Banker in die Zange, die Verlängerung der Kreditlinie gab es erst auf dem allerletzten Drücker. Auch dass Wiedeking den Bankern einst Gier und Unfähigkeit vorwarf, werden diese nicht vergessen haben - Zahlenmenschen haben ein gutes Gedächtnis.

Das Ergebnis:Vor Jahren noch höhnte Wiedeking: "Die bisherigen Erfahrungen, auch von Automobilfirmen, haben gezeigt, dass man, wenn man den falschen Fisch schluckt, gewaltige Verdauungsprobleme bekommen kann."

Wiedeking hat nun ein mächtiges Verdauungsproblem, von dem er sich nie ganz erholen wird. Klare Diagnose zur Lage bei Porsche: Ein Fall von Fischvergiftung.

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