Autoindustrie:Schwäbische Superzellen

Porsche investiert in Fabrik für Batteriezellen

2030 will Porsche mehr als 80 Prozent der Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb ausliefern.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Porsche will zukünftig Batteriezellen auch selbst bauen. Favorisierter Standort für die neue Fabrik ist Tübingen. Gäbe es da nicht noch ein kleines juristisches Problem.

Von Christina Kunkel, Stuttgart

Ein Schild, das in Richtung Bosch weist, haben sie schon in Tübingen. Und bald, so hofft Oberbürgermeister Boris Palmer, wird noch ein zweites Industrieschwergewicht in seiner Stadt einen festen Platz haben: Porsche will mit einer neu gegründeten Tochtergesellschaft in Tübingen in die Batteriezellenentwicklung- und Produktion einsteigen. Cellforce Group heißt das Joint Venture zwischen dem Autobauer und dem Start-up Customcells, das bisher in Itzehoe in Schleswig-Holstein an hochspezialisierten Zellen für Lithium-Ionen-Akkus arbeitet und ursprünglich aus dem Fraunhofer-Institut hervorgegangen war.

Das neue Unternehmen, an dem Porsche 83,75 Prozent hält, sitzt in Tübingen. Ob auch die dazugehörige Batteriezellenfabrik dort entsteht, ist allerdings noch nicht ganz sicher. Es gäbe da noch ein "kleines juristisches Problem", sagte Boris Palmer am Montag im Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach bei Stuttgart. Es gehe um rechtliche Hürden im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Standort für die Fabrik. Er sprach von unterschiedlichen Regelungen, je nachdem, ob es sich um ein Gewerbegebiet oder um ein Industriegebiet handele. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich jedoch zuversichtlich: "Ich denke, wir werden das Problem lösen, so schnell wie nötig." Klar ist, dass Porsche seine Fabrik im Raum Stuttgart, also in der Nähe zum Entwicklungszentrum in Weissach und der Firmenzentrale in Zuffenhausen, ansiedeln will.

Allein VW will in den nächsten Jahren sechs Batteriezellwerke bauen

Hielten es die meisten Autobauer lange Zeit nicht für nötig, beim Umstieg in Richtung Elektromobilität auch die kleinste Komponente für die Akkus, die Batteriezellen, selbst zu entwickeln, hat sich diese Ansicht mittlerweile gewandelt. Allein VW will in Europa bis 2030 mit Partnern insgesamt sechs Batteriezellwerke hochziehen, um den steigenden Bedarf zu decken. Die Fabrik von Porsche kommt jetzt noch on top. Auch andere Autokonzerne gehen Kooperationen ein - vor allem mit asiatischen Firmen -, um sich genügend Know-how und Nachschub an Batteriezellen zu sichern.

Für Porsche geht es in dem neuen Joint Venture jedoch nicht darum, Batteriezellen für den Massenmarkt zu produzieren. Dafür ist das Werk, in dem von 2024 an zunächst Zellen für bis zu 1000 Fahrzeuge produziert werden sollen, auch viel zu klein angelegt. Stattdessen will sich der Sportwagenbauer in einem speziellen Segment technologische Vorteile verschaffen: Es geht um besonders leistungsfähige Batteriezellen, die extreme Bedingungen aushalten - etwa besonders viel Leistung bei wenig Wärmeverlust bereitstellen, besonders schnell laden oder extreme Temperaturen bewältigen können. Solche Hochleistungszellen braucht man vor allem im Rennsport, worauf die ersten Entwicklungen von Cellforce auch ausgerichtet sein werden. "Von dort kann die Technologie dann später in die Breite gehen", erklärt Porsche-Chef Oliver Blume. Denkbar ist etwa, dass die selbstentwickelten Batteriezellen auch anderen Sportwagenmarken im VW-Konzern wie Lamborghini oder Bugatti zugute kommen. Aber auch die elektrischen Supersportwagen des kroatischen Unternehmens Rimac, an dem Porsche beteiligt ist, könnten vielleicht in ein paar Jahren mit den Hochleistungszellen aus Schwaben fahren.

"Bis heute kann man die Technik, die den Kern unserer Hochleistungssportwagen ausmacht, nicht zukaufen. Wir entwickeln sie selbst", so Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Daher sei es nur logisch, auch die Schlüsseltechnologie der Zukunft, die Batteriezelle, selbst zu entwickeln. Innerhalb des VW-Konzerns sind die Rollen klar verteilt: Volkswagen baut die Einheitszelle für den Massenmarkt und deckt damit einen Großteil dessen ab, was die einzelnen Marken benötigen. Auch die Batterien, die zum Beispiel in Porsches Elektroauto Taycan zum Einsatz kommen, werden auf absehbare Zeit nicht aus der neuen Cellforce-Zellfabrik stammen.

Erst großzügige Förderungen machen solche Projekte interessant

Dass Unternehmen wie Porsche jetzt solche großen Projekte realisieren, liegt sicher auch an den großzügigen Beteiligungen von Land und Bund. Der Staat fördert den Bau der Batteriezellenfabrik mit 60 Millionen Euro an Steuergeldern. Zwei Drittel der Summe kommen vom Bund, ein Drittel vom Land. Porsche investiert laut Oliver Blume in die neue Firma ebenfalls eine hohe zweistellige Millionensumme. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, von dem Bau der Fabrik gehe ein starkes Signal aus. An Baden-Württemberg führe bei der Batterie kein Weg vorbei. Die Idee für die Fertigung ist bereits zwei Jahre alt und geht auf die Stuttgarter Unternehmensberatung P3 Group zurück. Sie hatte das Konzept entwickelt und mit Customcells den Förderantrag gestellt. Die Unternehmensberatung stieg aber wieder aus, weil sie unabhängig am Markt agieren wolle.

Als Zellentwicklungspartner ist das Chemieunternehmen BASF an Bord. Bis 2025 soll die Cellforce Group bis zu 80 Mitarbeiter haben. "In einem zweiten Schritt können wir nachdenken über eine Giga-Fabrik - der Markt ist mit Sicherheit da", sagte Porsche-Chef Blume. Das Erproben der im Labor schon entwickelten Batterie im Fahrbetrieb sei die nächste Etappe.

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