Man wird zur Frage, ob ein Auto Kunst sein kann, von autophilen Vielfahrern sicherlich andere Antworten bekommen als aus der Lastenradfraktion. Der größte ästhetische Konsens dürfte aber beim legendären 911er zu erzielen sein, jenem ikonischen Porschemodell mit dem eleganten Seitenprofil. Und weil der Wagen sich sehr gut verkauft hat, führt Ingrid Steineck, Tochter des Porsche-Ingenieurs Erwin Komenda, seit Jahren einen Prozess. Sie fordert eine Beteiligung am Erlös - weil ihr Vater derjenige gewesen sei, der den Wagen designt habe. In zwei Instanzen ist sie gescheitert, zuletzt beim Oberlandesgericht Stuttgart. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufgehoben und ans OLG zurückverwiesen. Das eröffnet ihr eine neue Chance. Wenn auch eine ziemlich kleine.
Nach dem sogenannten Bestseller-Paragrafen steht dem Urheber ein Fairnessausgleich zu, wenn sich sein Werk so gut verkauft, dass es unangemessen erschiene, ihn auf den Arbeitslohn zu verweisen. Da kann es um viel Geld gehen. Steineck fordert 0,25 Prozent vom Erlös, berechnet ab 2007. Allein bis 2017 müsste es nach ihrer Berechnung um 260 000 Fahrzeuge gehen.
Erwin Komenda, gestorben im Jahr 1966, hatte das Vorgängermodell des 911er entworfen, den 1950 auf den Markt gebrachten Porsche 356. Das zumindest steht fest. Die Firma Porsche selbst hatte Komenda immer wieder als Gestalter der Karosserie genannt, etwa auf einer Schautafel im Museum in Stuttgart-Zuffenhausen und in einer historischen Werbebroschüre. Der Wagen wirkt barocker als der schlanke Nachfolger, doch man kann die Verwandtschaft erahnen. Mehr aber eben auch nicht. Das OLG fand, die Ähnlichkeit reiche nicht aus, um das Recht des 356-Urhebers auf das Nachfolgemodell zu erstrecken. Der BGH bestätigte das Urteil in diesem Punkt.
Die Porsche-Version lautet: Die Entwürfe stammen aus der Familie
Damit lief alles auf die Frage zu, ob Komenda - wie von der Tochter behauptet - auch der Schöpfer des Porsche 911 war. Die Porsche-Version lautet: Die Entwürfe stammen aus der Familie. Tatsächlich hatte die Firma neben der von Komenda geleiteten Karosserieabteilung eine neue Designabteilung installiert, geleitet von Ferdinand Alexander Porsche, dem ältesten Sohn des Geschäftsführers Ferry Porsche. Beide Abteilungen arbeiteten parallel an diversen Modellen, aus denen der 911er hervorgehen sollte - T7, T8, T9, so lauteten die internen Kürzel. Aber ganz eindeutig ließ es sich nicht mehr auflösen, ob es Porsche junior war, der den entscheidenden schöpferischen Geistesblitz hatte - oder Komenda, langjähriger Vertrauter von Ferry Porsche. Diverse Zeugen brachten keine Klarheit. Und die Beweislücke fiel auf die Klägerin zurück.
Allerdings war dem OLG ein Fehler unterlaufen. Ingrid Steineck hatte ihren Ehemann als Zeugen benannt. Ihm soll Erwin Komenda bei einem Besuch in der Firma gesagt haben, der Porsche 911 sei "sein Auto, sein Entwurf". Doch das OLG vernahm den Zeugen nicht, obwohl so eine Aussage laut BGH "zumindest ein Indiz für die Urheberschaft des Vaters" gewesen wäre. Wobei nicht klar ist, ob das OLG den Mann wirklich vorladen musste, womöglich kam das Beweisangebot zu spät. Aber es hätte darüber zumindest förmlich entscheiden müssen. Das muss das Gericht nun nachholen.
Was heißt dies nun für Ingrid Steineck? Welches Gewicht hätte die Aussage eines Zeugen, der selbst vom Geldsegen profitieren würde? Klar ist: Das OLG muss dem Ehemann nicht glauben, wenn andere Indizien dagegen sprechen. Und selbst wenn Komenda doch die Urheberschaft zuerkannt würde, müsste das Gericht über eine weitere Auto-ästhetische Frage entscheiden. Ist der heutige Porsche 911 aus der Baureihe 991 dem Ur-Porsche ähnlich genug, um ihn als Komendas Schöpfung anzusehen? Die Forderung der Klägerin richtet sich nämlich auf den Verkauf der aktuellen Modelle. Und deren Hinterteil ist, falls man das sagen darf, doch etwas wuchtiger ausgefallen.