Jens Weidmann ist keiner, der leichtfertig Schimpfkanonaden abfeuert, und wenn der Bundesbankpräsident von "bedenklichen Übergriffen" in Japan spricht, weiß man: Die Sache ist ernst. Weidmann fürchtet um den Berufsstand der Zentralbanker, denn Politiker weltweit wollten den Währungshütern an den Kragen und ihnen das rauben, was sie überhaupt erst vernünftig arbeiten lässt: ihre Unabhängigkeit. Der "bedenkliche Übergriff" der japanischen Regierung sei das beste Beispiel.
Am Dienstag hatte die japanische Notenbank erklärt, sie werde unbegrenzt Geld in die Märkte pumpen. Sie will Staatsanleihen kaufen, Unternehmensanleihen und auch Aktien. Kurzum: Die Notenbank kauft alles, was sie kriegen kann. Sie beugt sich dem politischen Druck der Regierung, um die stagnierende Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen. Die Notenbank drückt so den Wechselkurs des Yen zum Dollar - die japanische Geldpolitik könnte damit einen Währungskrieg einläuten. Je billiger die eigene Währung, desto besser die Exportchancen.
Weidmann warnt vor einer gefährlichen "Politisierung" der Zentralbanken und des Wechselkurses. Der Kampf gegen die Inflation als Hauptziel der Geldpolitik werde zunehmend in Frage gestellt. Der Bundesbankchef fürchtet: "Womöglich kommt die unabhängige Notenbank aus der Mode."
Bundesregierung ist über Japans Politik besorgt
Die Bundesregierung beobachtet das Vorgehen der japanischen Regierung mit Skepsis und hält Weidmanns generelle Befürchtungen mit Blick auf die Unabhängigkeit der Notenbanken für nachvollziehbar. "Mir macht ziemlich viel Sorge, was die neue Politik der neu gewählten japanischen Regierung ist", hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble jüngst in ungewohnter Offenheit erklärt. Es gebe ohnehin ein Übermaß an Liquidität auf den globalen Finanzmärkten. Dieses Problem werde durch ein falsches Verständnis von Notenbankpolitik noch vergrößert.
Ein ranghoher Regierungsvertreter räumte am Dienstag ein, dass seit dem Ausbruch der Euro-Krise auch der politische Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) deutlich gestiegen sei. Es sei nun am EZB-Rat, sich diesem Druck mit aller Macht entgegenzustemmen. "Hohe Erwartungen an eine Notenbank sind noch kein Angriff auf deren Unabhängigkeit, sondern in einer Demokratie zunächst einmal ein Ausdruck von Freiheit", sagte der Regierungsvertreter der Süddeutschen Zeitung. "Es kommt darauf an, wie man mit diesen hohen Erwartungen umgeht."
Länder mit den höchsten Goldreserven:Faustpfand der Welt
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EZB-Direktor Jörg Asmussen hat mit Blick auf die Situation in Japan vor einer Politisierung der Wechselkurse und der Notenbank gewarnt. "Es gibt Anlass zur Sorge, wenn öffentlich Druck auf eine Notenbank ausgeübt wird, mehr zu tun, wenn die Probleme struktureller Natur sind", sagte er am Dienstag.
In Kreisen des Finanzministeriums hieß es ergänzend, die expansive Geldpolitik einzelner Notenbanken könne durchaus dazu führen, dass die Währungen dieser Länder gegenüber anderen Währungen abwerteten. Die Bundesregierung sehe allerdings bisher "keine Anzeichen für einen Abwertungswettlauf", zumal Wechselkursfragen in der Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G7) und der Gruppe der 20 größten Volkswirtschaften (G20) regelmäßig diskutiert würden.
"Dort ist man sich einig, dass Wechselkurse die ökonomischen Fundamentaldaten widerspiegeln sollen und ein Abwertungswettlauf der Währungen unterbleiben sollte", hieß es. Die Unabhängigkeit der westlichen Notenbanken hat eine junge Geschichte. Das Modell der Bundesbank stand hier Pate, die Euro-Zone konnte mit unabhängigen Währungshütern aufgebaut werden. In den vergangenen 15 Jahren war man sich auch einig darüber, dass Notenbanken dem Zugriff der Politik entzogen bleiben müssen, eingedenk der Tatsache, dass Regierungen historisch Unfug mit der Notenpresse getrieben haben.
Doch nun ist diese Unabhängigkeit in Gefahr, weil die Zentralbanken Feuerwehr spielten in der Finanz- und Staatsschuldenkrise in den USA und Europa. Dieser Noteinsatz soll nach Ansicht einiger Politiker nun die Regel werden, besonders in Japan, wo man seit 20 Jahren gegen die Deflation ankämpft - mit Hilfe der Notenbank.
Japan steckt in einer Falle
Der Paradigmenwechsel zeigte sich am Dienstag, als Japans neuer Premier Shinzo Abe von einer Wende in der japanischen Geldpolitik sprach und die Vereinbarung mit der Zentralbank "epochal" nannte. Damit könne man die Geldpolitik "mutig umbauen". Die Entscheidung der Notenbank stellt einen Bruch mit der bisherigen Strategie dar, die Käufe von Anleihen schrittweise auszuweiten. Die Notenbank als Büttel der Regierung zu nutzen hat aber wenig gebracht. Japan steckt in einer Liquiditätsfalle, der Zins liegt bei Null, das Geld fließt dennoch kaum in die Wirtschaft.
Auch die EZB, die amerikanische Fed und die britische Notenbank haben in den letzten Jahren die Geldschleusen geöffnet, um Banken und Staaten zu retten. Die Bilanz der EZB ist binnen zwölf Monaten von 1,9 auf 3,1 Billionen Euro gewachsen, die Bilanz der Fed auf 2,8 Billionen Dollar - von 1,6 Billionen verglichen mit dem Zeitpunkt vor der Krise. Eine Ausweitung der Notenbankbilanz bedeutet, dass mehr Geld in Umlauf kommt, denn die Mittel können jederzeit gegen Bargeld eingetauscht oder für Überweisungen verwendet werden.
"Es droht in solchen Situationen Inflation, wir sehen die Tendenzen schon jetzt bei den Häuserpreisen in deutschen Städten", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Ein Ausweg könnte so aussehen: Die Notenbanken ziehen das viele Geld wieder ab, sobald die Konjunktur anzieht. Doch dazu brauchen sie ihre Unabhängigkeit zurück, denn Politiker halten wenig von Konjunkturbremsen.
Es ist ein außerordentlich gefährliches Spiel. "Wer mit der Inflation flirtet", sinnierte der frühere Bundesbankpräsident Otmar Emminger, "der wird von ihr geheiratet."