Politik:In der Erfolgsfalle

Viele Regionalflughäfen wie Hahn haben einst vom Boom der Billigflieger profitiert. Geld haben sie damit aber nicht verdient. Das rächt sich jetzt. Für sie dürfte es in Zukunft eher noch schwieriger werden, Gewinne zu erzielen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Kenny Jacobs, Marketingvorstand der Billigfluggesellschaft Ryanair, nutzt - wie sein Chef Michael O'Leary - öffentliche Auftritte gern für klare Ansagen. In der Regel geht es dann gegen Konkurrenten, deren Strategien aus seiner Sicht unsinnig sind, um Steuern und Luftverkehrsabgaben (zu hoch) oder um Streiks der französischen Fluglotsen (geschäftsschädigend). Doch bei einem Thema ist Jacobs derzeit ganz zurückhaltend: Ryanair stehe natürlich zu seinem Engagement am Flughafen Hahn, versichert er immer wieder. Die Ryanair-Manager haben kein Interesse daran, den Standort schlechter zu reden, als er ist, deswegen lassen sie es auch. Dennoch lassen diverse Ankündigungen der Billig-Airlines und die anhaltende Krise der Regionalfluggesellschaften nichts Gutes ahnen: Für die kleineren deutschen Flughäfen wie Hahn dürfte es in Zukunft eher noch schwieriger werden, einen regen Betrieb auf ihren Landebahnen aufrechtzuerhalten und Gewinne zu erzielen. Ryanair etwa hat gerade angekündigt, eine neue Basis in Luxemburg zu eröffnen, nicht weit von Hahn entfernt. Hinzu kommt der Standort Köln, von dem aus die Iren - aller Kritik an der deutschen Luftverkehrsabgabe zum Trotz - sogar innerdeutsche Flüge nach Berlin anbieten. In Bayern will Ryanair irgendwann gerne den Münchner Flughafen ansteuern und nicht mehr nur Memmingen. In London ist Ryanair längst nicht mehr nur am Billig-Airport Stansted stationiert, sondern auch in Gatwick gelandet.

"Es geht nicht um Entweder-oder, sondern um Sowohl-als-auch", behauptet Jacobs zwar. Doch auch wenn Ryanair und Anbieter mit vergleichbaren Geschäftsmodellen wie Wizz Air an kleinen Flughäfen wie Hahn festhalten, sind die großen Wachstumsraten der Vergangenheit wohl passé. Das Geschäft wird neu aufgeteilt, im besten Fall.

Der Trend lässt sich bereits an den Passagierzahlen ablesen. Einer Studie der Deutschen Bank zufolge sank das Aufkommen auf den deutschen Regionalflughäfen von rund 20 Millionen Fluggästen im Jahr 2010 auf nur noch 17 Millionen im Jahr 2014. Im vergangenen Jahr war das Bild etwas differenzierter: Hahn konnte um fast neun Prozent wachsen, auch Plätze wie Karlsruhe/Baden-Baden oder Saarbrücken legten um 6,9 respektive 17 Prozent zu, allerdings von sehr kleiner Basis aus. Dagegen stehen Airports wie Bremen, Friedrichshafen oder Münster/Osnabrück, die Verluste von 4,1, 6,1 und 8,6 Prozent hinnehmen mussten, obwohl etwa Bremen eine Ryanair-Basis ist.

Wie sehr sich aber schon im vergangenen Jahr das Wachstum verschoben hat, macht ein Blick auf die Standorte deutlich, auf die die Billig-Anbieter zunehmend setzen: Berlin-Schönefeld wuchs um 17 Prozent und Köln/Bonn um 9,4 Prozent. Auch Hamburg hat, zum Teil dank Easyjet, mit fast sechs Prozent Wachstum ein ziemlich gutes Jahr hinter sich.

Für ein paar Ferienflieger in die Türkei lohnt sich der Betrieb nicht

Die 2015 veröffentliche Deutsche Bank-Studie spricht davon, dass der Flughafen Hahn für die anderen Airports ein "trügerisches Vorbild" gewesen sei: Anfangs habe er enorme Wachstumsraten aufgewiesen, auch wenn die Flughafengesellschaft selbst defizitär geblieben sei. Ähnlich verlief auch die Entwicklung an anderen kleineren Flughäfen. Wegen der hohen Fixkosten und der geringen Zusatzeinnahmen durch Parkplätze, Geschäfte oder Restaurants sei es "sehr schwer, einen Regionalflughafen wirtschaftlich zu betreiben", so die Autoren der Studie. Praktisch alle Regionalflughäfen machen seit Jahren Verluste. Dass ihre Eigentümer sie weiterbetreiben, hat vor allem wirtschaftspolitische Gründe: Die Länder, Landkreise und Kommunen befürchten, dass die lokale Wirtschaft leidet, wenn der Flughafen verschwindet. Doch dass ein paar Ferienflieger in die Türkei gar nichts bringen, zeigt nicht zuletzt eindrucksvoll das Beispiel Kassel-Calden, dem bislang größten Flop unter den Regionalflughäfen.

Auf gewisse Weise sind die kleinen Airports auch Opfer ihres früheren Erfolges geworden. Durch das starke Wachstum, das sie den Billigfliegern durch günstige Lande- und Abfertigungsgebühren ermöglicht haben, wurden die klassischen Regionalfluggesellschaften, die mit kleinen Turboprops oder 50-sitzigen Jets die Nebenstrecken bedienten, immer mehr verdrängt. Beispiel Friedrichshafen: Nach langen Schwierigkeiten meldete dort die kleine Intersky Ende 2015 Insolvenz an und stellte den Flugbetrieb ein. Die belgische VLM übernahm die Strecken, stellte aber im Mai selbst einen Insolvenzantrag. Die Friedrichshafen-Strecken sollen laut VLM weitergeführt werden.

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