Polen:Nationale Töne

A man holds a banner with Jaroslaw Kaczynski, leader of ruling party Law and Justice (PiS) as he takes part in march demanding their government to respect the country's constitution in front of the Constitutional Court in Warsaw

Für die Demokratie, gegen die Regierung: Im März demonstrierten Polen gegen Jarosław Kaczyński, den mächtigen Chef der Regierungspartei PiS.

(Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Jarosław Kaczyński hätte gern, dass die wichtigen Unternehmen in inländischer Hand sind. Doch vor einer Verstaatlichung oder Enteignung schreckt er trotz feuriger Rhetorik zurück.

Von Florian Hassel, Warschau

Es dürften noch ein paar Flüge nach Mailand werden, bis Michał Krupiński, Chef der staatskontrollierten polnischen Versicherung PZU, seine Mission erfüllt hat. In Italiens Finanzmetropole verhandelt Krupiński mit der Bank Unicredit über den Verkauf des 40-Prozent-Anteils der Italiener an der Bank Pekao, Polens zweitgrößter Bank. Gelingt Krupiński ein Abschluss, hat der Bankier und Wirtschaftsfachmann der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) einen ersten Beitrag zu einer gleichsam nationalen Mission geleistet: der "Repolonisierung" der polnischen Wirtschaft.

Jarosław Kaczyński, Pis-Parteichef und seit der Regierungsübernahme seiner Partei im November 2015 Polens mächtigster Mann, ärgert schon lange, dass Ausländer etliche Bereiche der polnischen Wirtschaft dominieren. Schon Ende 2012 gab Kaczyński die Parole aus, vor allem Banken und Medien sollten Polen gehören. Seit seine Partei mit absoluter Mehrheit im Parlament regiert, haben neben Kaczyński auch Getreue wie Vizepremier Jarosław Gowin oder Vizepremier und Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki solche Positionen bekräftigt. Morawiecki, Hauptarchitekt der Wirtschaftspolitik, klagte über die "horrenden Summen", die ausländische Firmen als "neokoloniale Renten" aus Polen herausbrächten. Geht es nach Gowin, sollen polnische Banken, die heute zu 60 Prozent westlichen Finanzhäusern gehören, am Ende zu zwei Dritteln von Polen kontrolliert werden.

Doch wie wird Polen bei der "Repolonisierung", die etwa auch den Medienmarkt umfassen soll, vorgehen? Im Inneren hat die Pis-Regierung bei ihrem Angriff auf das Verfassungsgericht bewiesen, dass sie sich im Zweifelsfall wenig um Prinzipien des Rechtsstaates schert. Auch ausländische Investoren sind bereits im Visier der Regierung: etwa mit einer Bankensondersteuer oder einer zum 1. September in Kraft getretenen Sondersteuer auf große Handelsgeschäfte, die vor allem deutsche, englische oder französische Handelsketten trifft. Die Sonderabgabe wurde eingeführt, obwohl die EU-Kommission Polens Finanzministerium warnte, dass diese Abgabe "ausländische Firmen diskriminiert" und so europäischem Recht widerspreche.

Von radikaleren Methoden aber, etwa Verstaatlichung oder Enteignung, ist bei der "Repolonisierung" bisher keine Rede. Im Fall der Bank Pekao etwa ringen Polen und Italiener offenbar nur um den Preis: Der 40-Prozent-Anteil ist an der Warschauer Börse umgerechnet 3,1 Milliarden Euro wert. Die Italiener, die ihr Eigenkapital erhöhen müssen und deshalb verkaufen wollen, fordern angeblich 3,5 Milliarden Euro, die Polen wollen dem Vernehmen nach nur drei Milliarden zahlen. Kommt ein Geschäft zustande, würde es den Gesetzen des Marktes gehorchen. Für weitere umfangreiche "Repolonisierungen" fehlt der Regierung allerdings das Geld.

Zudem hat Warschau trotz feuriger Rhetorik Grund zur Vorsicht. Weniger als ein Jahr nach Regierungsantritt gibt es erste Warnzeichen. Zwar wächst die Wirtschaft immer noch um rund drei Prozent, geht die Arbeitslosigkeit weiter zurück. Dies aber ist vor allem der guten Konjunktur im wichtigen Abnehmerland Deutschland zu verdanken. Geholfen hat auch, dass im Frühjahr das Kindergeld erhöht wurde, was den Konsum beflügelt hat.

Doch Polens Währung, der Złoty, hat seit Frühjahr 2015 ein Zehntel an Wert verloren - was die Bedienung ausländischer Schulden verteuert. Ein weiteres Alarmsignal: Die Investitionen brachen von April bis Juli im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent ein - der stärkste Rückgang seit Ende 2012. Analysten zufolge ist dies eine Reaktion auf die Unsicherheit in Politik, Justiz und Wirtschaft. Schon jetzt klafft im Haushalt für 2017 ein Loch, soll das bisher mit Sondereinnahmen finanzierte Kindergeld weiter gezahlt werden. Und Kaczyński hat weitere Wohltaten versprochen, darunter ein niedrigeres Rentenalter. Schon fürchten Wirtschaftsvertreter weitere Sondersteuern. "Wenn der Regierung Geld fehlt, wird sie neue Steuern für einzelne Wirtschaftssektoren einführen", sagte Małgorzata Starczewska-Krzysztoszek vom Handelsverband Lewiatan der Wirtschaftszeitung Rzeczpospolita.

Der Złoty fällt, die Bonität wird schlechter - und Investoren halten sich neuerdings zurück

Nicht nur private Investoren halten sich nun zurück, sondern auch regionale Verwaltungen und Städte. In den vergangenen Monaten bezogen in Regionalparlamenten und etlichen Städten, bisher meist von Polens Opposition kontrolliert, Offiziere des Antikorruptionsdienstes CBA Büros. Das sorgt für Unruhe, da die Pis den als Geheimdienst agierenden CBA schon in ihrer ersten Regierungszeit von 2005 bis 2007 auch gegen politische Gegner einsetzte. Noch schlechter steht es um die Rechtssicherheit auf nationaler Ebene. Die Regierung weigert sich weiter, Grundsatzurteile des Verfassungsgerichtes zur Gewaltenteilung und Unabhängigkeit des Gerichtes zu veröffentlichen und drei rechtmäßig gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen.

Dies bleibt auch in der Wirtschaft nicht folgenlos. Die drei führenden Ratingagenturen haben Polens Kreditwürdigkeit bereits herabgestuft oder stehen davor, es zu tun. Moody etwa warnte am 26. August, die Krise um das Verfassungsgericht sei "kreditnegativ" - schon am 9. September könnte die Herabstufung folgen. Die EU-Kommission hat Polen bis Oktober Zeit gegeben, um seinen Angriff auf das Verfassungsgericht zu beenden. Doch es sieht nach dem Gegenteil aus: Die Regierung lässt gegen den Verfassungsgerichtspräsidenten ermitteln und droht, unbotmäßige Verfassungsrichter abzusetzen. Dies könnte Polens Ruf und Anziehungskraft für Investoren weiter schwächen.

So ist auch zweifelhaft, ob Polen mit einer anderen Initiative Erfolg hat: dem Versuch, im Zuge des Brexit westliche Großbanken aus London nach Polen zu locken. Wirtschaftsminister Morawiecki, selbst jahrelang Bankier, umwarb in der vergangenen Woche Vertreter prominenter Banken oder Hedgefonds in London. Doch Polen gehört zwar zur EU, aber nicht zum Euro-Raum. Zudem hat Warschau neben Konkurrenten wie Paris, Amsterdam oder Frankfurt einen schweren Stand bei den verwöhnten Bankern. Mancher Bankier wird auch politisch deutlich. Angesichts der gegenwärtigen Lage werde er nicht in Polen investieren, sagte der Chef der österreichischen Bank Erste Group, Andreas Treichl, am 5. August in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten. "Wir brauchen eine stabile politische Umgebung, bevor wir investieren."

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