Nahaufnahme:Macht im Hintergrund

Nahaufnahme: Hans Dieter Pötsch 2016 zum Dieselskandal: "VW selbst hat das größte Interesse daran, alles über die Ursachen und Verantwortlichkeiten zu erfahren - und wird daraus die richtigen Lehren ziehen."

Hans Dieter Pötsch 2016 zum Dieselskandal: "VW selbst hat das größte Interesse daran, alles über die Ursachen und Verantwortlichkeiten zu erfahren - und wird daraus die richtigen Lehren ziehen."

(Foto: Imago)

Hans Dieter Pötsch bleibt wohl VW-Chefaufseher.

Von Max Hägler

Es gibt Momente, in denen man die Nervenstärke von Topmanagern austesten kann. Ein Vorabend beim Autosalon in Genf, Volkswagen hat geladen, es ist die Zeit vor der Corona-Seuche. Hunderte Kellner, Journalisten und Adabeis schwirren herum, um die Autos und um die Mächtigen, etwa Hans Dieter Pötsch, den Aufsichtsratschef. Bei dem lohnt es sich, nachzufragen: Herr Pötsch, wie verhält es sich eigentlich mit Ihnen, Sie sind ja auch im Fokus der Strafermittler, die den Dieselskandal ausleuchten, haben Sie sich etwas vorzuwerfen?

Man hat auf solchen trubeligen Veranstaltungen schon Automänner erlebt, die bei diesem Thema sehr garstig werden. Pötsch indes bleibt, wie er stets auftritt. Der Rücken durchgedrückt, sodass er die meisten Umstehenden ein Stück überragt, die Miene unbewegt, bis auf dieses kleine Lächeln, dass er mitunter einflicht, wenn auch nicht in diesem Moment. Die Untersuchungen liefen, sagt er, deswegen könne er nichts sagen, das werde aber alles seinen rechtsstaatlichen Lauf nehmen, und was das Ergebnis anbelange, sei er zuversichtlich.

Eine Antwort, die keinem weh tut und doch präzise wirkt, ruhig vorgetragen, ohne ein Zeichen persönlicher Angefasstheit. Pötsch übte damals bei der Begegnung Contenance wie stets. So etwas ist selten in diesem aufgeregten Konzern - und das wissen offenbar alle zu schätzen: Seine Aufsichtsratskollegen empfehlen nun, den Vertrag des 70-Jährigen zu verlängern. Aller Voraussicht nach wird er VW also bis zum Jahr 2026 kontrollieren.

Wobei kontrollieren eine Untertreibung ist. Der Wirtschaftsingenieur, gebürtig in Oberösterreich, hat bei BMW gearbeitet und den Lackieranlagenbauer Dürr geführt. 2003 wechselte er zu VW, wurde bald Finanzchef und dirigierte - auch in Doppelfunktion bei der Eigentümerholding Porsche SE - den Zusammenschluss von VW und Porsche mit. Ein konfliktreiches Projekt, das wirtschaftlich letztlich sehr erfolgreich war, zumal für die Familien Porsche und Piëch.

Im Herbst 2015 wurde er an die Spitze des Aufsichtsrates berufen, als Nachfolger des Konzernpatriarchen Ferdinand Piëch, just zu der Zeit, als auch der Dieselskandal offenbar wurde. Sein Büro im "BT 10", dem Vorstandsgebäude in Wolfsburg, hat er behalten - weil die Aufgaben zahlreicher sind als in anderen Großunternehmen und weil er nah dran sein will. Ihm obliegt etwa der alljährliche Investitionsplan, bei dem unterm Strich immer zweistellige Milliardensummen stehen, mit denen der Weg zur Elektromobilität und der Digitalisierung geebnet werden soll.

Eine andere Aufgabenzuteilung war indes umstritten: die Aufklärung des Dieselskandals. Es gab ja den Vorwurf, Pötsch habe in seiner vorigen Funktion als Finanzchef die Aktionäre zu spät über den Dieselskandal unterrichtet. Und mitunter schien er es mit der Aufklärung nicht ganz so ernst zu meinen. Pötsch saß die Vorwürfe aus - die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn wurden gegen Zahlung einer kleinen Millionensumme eingestellt und VW erklärte jüngst die Aufklärungsarbeit für erledigt.

Und so ist er noch da, während andere mächtige Männer weg sind, auch seinetwegen: Piëch, Martin Winterkorn oder Matthias Müller. Dass Herbert Diess noch Volkswagen-Chef ist, liegt ebenfalls an dem ruhigen Regisseur, der in Wolfsburg allseits geschätzt ist. Nachdem Diess im vergangenen Jahr mit seinen Provokationen den Konzern gegen sich aufgebracht hatte, agierte Pötsch mal wieder als Chefdiplomat. Er sprach in Einzelsitzungen mit den Eigentümerfamilien, mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, mit dem Betriebsrat - und mit Diess. Ganz ruhig. Bis eine Friedenslösung gefunden war.

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