Süddeutsche Zeitung

Pleite von Solar Millennium:Träge vom vielen Geld

Ausgerechnet das Jahr der Fukushima-Katastrophe, das hierzulande die Energiewende forciert hat, endet deaströs für die Solarbranche. Dabei wird sie mit so vielen Milliarden gefördert. Mittlerweile erinnert diese junge Branche an ein verwöhntes Kind, das behäbig geworden ist, weil ihm die Tante ständig Süßes zugesteckt hatte.

Jeanne Rubner

Die Pleiten häufen sich. Mit Solar Millennium meldet - nur wenige Tage nach der Berliner Firma Solon - erneut ein Unternehmen Konkurs an, dem einmal eine strahlende Zukunft vorhergesagt worden war. Ausgerechnet das Jahr des Atomunfalls von Fukushima endet als ein schwarzes Jahr für die Solarbranche, die doch Symbol für Deutschlands Energiewende sein soll.

Mit dem Gesetz zu erneuerbaren Energien hat Berlin den Weltmarkt der Solarzellen gehörig angekurbelt. Die Nachfrage nach Solarzellen ist explodiert und ihr Preis gesunken. Das ist im Prinzip positiv, weil es Solarstrom billiger macht. Dummerweise haben sich die Hersteller in den Zeiten des großen Goldrausches nicht um die Nachhaltigkeit ihres Geschäftserfolges geschert, man hat ihnen schließlich die Solarzellen regelrecht aus den Händen gerissen. Weder haben sie ausreichend in Forschung und Entwicklung investiert, um Produktionskosten zu senken oder effizientere Zellen herzustellen, noch haben sie Märkte außerhalb Deutschlands erschlossen. Das war ein Fehler, denn der deutsche Markt ist schon allein wegen der geringen Sonnenscheindauer begrenzt, die guten Geschäfte werden woanders gemacht.

Deutschlands Solarbranche erinnert an ein verwöhntes Kind, das von der Tante ständig Süßes zugesteckt bekommt. Es wird dick und träge. Schätzungsweise 80 Milliarden Euro an Förderung sind für deutschen Solarstrom zwischen 2000 und 2010 geflossen, das Ergebnis ist mager: Die Sonne sorgt für gerade einmal ein paar Prozent des Stroms.

Benebelt durch ihren Erfolg, den die Politik verordnet und die Verbraucher bezahlen, haben die Solarfirmen übersehen, dass zwischenzeitlich andere Länder auch Fabriken bauten und Produktionsstraßen hochzogen. Jetzt passiert das, was man Marktbereinigung nennt. Am Preisverfall ist zweifelsohne auch die chinesische Politik schuld, die ihre Hersteller päppelt. Doch das ändert nichts daran, dass die deutsche Subventionspolitik große Fehler gemacht hat, indem sie nur den heimischen Absatz förderte und damit ironischerweise auch ausländische Produzenten.

Solarzeitalter beginnt erst

Dass diese Woche auch noch BP seine Solarsparte endgültig dicht macht, wirkt wie ein schlechtes Omen. Doch es wäre falsch, das Ende des Booms der Solarenergie auszurufen. Tatsächlich beginnt das Solarzeitalter erst, ohne Sonnenenergie wird die Welt sich nicht von Kohle und Öl abnabeln können. Die Energiewende aber wird noch eine Weile Geld kosten. Sonne, Wind und Biomasse konkurrieren mit etablierten Technologien, die - Beispiel Atomstrom - auch einmal kräftig subventioniert wurden und deren Klimaschädlichkeit - Beispiel Kohle und Öl - gar nicht ausreichend in Rechnung gestellt wird. Es ist daher richtig, Sonnenstrom zu fördern. Langfristig wird er eine wichtige Rolle spielen - auch für die deutsche Stromversorgung.

Allerdings gibt es mehrere Pfade ins Solarzeitalter. Der Weg, den Berlin bisher gewählt hat, nämlich Solarzellen auf deutschen Dächern, ist mit Sicherheit einer der teuersten. Wirtschaftlicher als heimischer Solarzellenstrom ist der Strom aus Solarkraftwerken in Südspanien, Nordafrika oder Sizilien. Deshalb ist es besonders tragisch, wenn jetzt Unternehmen wie Solar Millennium in den Abwärtsstrudel der Solarzellenbranche geraten. Sie weiter zu unterstützen, kann durchaus vernünftig sein, vorausgesetzt sie handeln nicht kriminell.

Denn bei der Energiewende geht es nicht allein darum, heimische Solarzellenhersteller zu fördern, sondern die deutsche Stromversorgung klimafreundlich und nachhaltig und zugleich langfristig konkurrenzfähig zu machen. Dafür muss Berlin endlich den Blick abwenden von deutschen Dächern und dorthin schauen, wo die Sonne kräftig scheint. Nur dann kann die Solarbranche erwachsen werden.

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Quelle:
SZ vom 23.12.2011/bürk
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