Geplatzter Traum einer atomfreien Welt
Es war in den Sechzigerjahren, als der Physiker Peter W. für seine Diplomarbeit am Forschungsreaktor in Garching arbeitete. "Seitdem bin ich ein entschiedener Gegner der Kernenergie", sagt der heute 73-Jährige, "weil ich weiß, was in einem Reaktor passiert, welche gefährlichen radioaktiven Spaltprodukte entstehen und wie langlebig sie sind." Peter W. beschloss: Er steigt aus.
Jahre später sah er sich seinem Traum von einer atomfreien Welt ein großes Stück näher. Die Solar Millennium AG kündigte an, in der kalifornischen Mojave-Wüste, etwa 350 Kilometer östlich von Los Angeles, das größte Sonnenkraftwerk der Welt zu bauen. Bald werde es so viel Strom liefern wie ein Atommeiler, versprach das Erlanger Unternehmen. "Mir schien es, als hätte das alles Hand und Fuß", sagt Peter W. Also investierte er. Im März 2009 zeichnete er Anleihen der Solar Millennium AG, für 41 827,20 Euro. Laufzeit fünf Jahre, Garantiezins 6,75 Prozent.
Fünfeinhalb Jahre später ist das Geld weg. Der Physiker ist einer von 30 000 Anlegern und Aktionären, die mit ihren Investments in Solar Millennium mehrere hundert Millionen Euro verloren haben. Im Dezember 2011 brach die Firma unter dubiosen Umständen zusammen. Viele Projekte entpuppten sich als Luftnummern.
Der Insolvenzverwalter fordert 200 Millionen Euro Schadenersatz
Nun versucht Insolvenzverwalter Volker Böhm die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fordert er von etwa einem Dutzend ehemaliger Vorstände und Aufsichtsräte von Solar Millennium insgesamt mehr als 200 Millionen Euro Schadenersatz. Selten zuvor sollten Manager in Deutschland in solchem Umfang haften.
Der Fall gilt schon jetzt als eine der größten Pleiten im Bereich Erneuerbarer Energien. Staatsanwälte und Gerichte befassen sich damit. Auch in den USA forschen Juristen, wohin die Unsummen flossen, die Anlegern abgeknöpft wurden. Von Briefkastenfirmen ist die Rede. Von möglichem Insiderhandel mit Aktien, Kapitalanlagebetrug und Anlegertäuschung.
Neue Dokumente aus den US-Verfahren enthüllen: Viel Geld von Investoren wie Peter W. floss gar nicht erst in Kraftwerksprojekte, sondern gingen für glamourösen Lebensstil von Managern drauf. So schildert es eine Klageschrift, die Insolvenzverwalter des amerikanischen Solar-Millennium-Ablegers STA bei Gericht im US-Bundesstaat Delaware eingereicht haben.
Sie erheben auch Vorwürfe gegen Manager der deutschen Muttergesellschaft. Die Beschuldigten hätten versucht, das Unternehmen "zu berauben" und "den Gläubigern zu entkommen". Von der Gründung der STA 2009 bis zu ihrem Insolvenzantrag 2012 hätten die Verantwortlichen im für die Firma zentralen US-Geschäft eher im eigenen Interesse gehandelt als in dem der Eigentümer, heißt es in Justizdokumenten. Sie lesen sich wie ein Protokoll einer wüsten Verschwendungsorgie.
Manager lebten in Saus und Braus
Besonders schlecht kommt ein Ex-STA-Chef weg. Er sei vor allem seinen eigenen Interessen gegenüber höchst loyal gewesen, so die Anwälte. Während Anleger Euro um Euro im guten Glauben auf die globale Energiewende überwiesen, hätten Verantwortliche in Saus und Braus gelebt.
Für "Nebenkosten" flossen jährlich 435 000 Dollar aus der Firmenkasse - allein 18 000 Dollar ging für die Miete einer Luxuswohnung im Trump-Tower in Chicago drauf, weitere 6000 Dollar für ein Apartment in Houston. 5000 Dollar kosteten Mitgliedschaften von Golf-, Country- und Fitness-Clubs. Und zwar Monat für Monat. "Unglaublich" finden das selbst hartgesottene US-Anwälte. Dabei verkaufte Solar Millennium den deutschen Anlegern ausgerechnet Amerika als große Hoffnung, mehr als 100 Millionen Euro flossen dorthin ab. Mit dem größten Solarkraftwerk der Welt sollte das Prunkstück der Firma entstehen.