Playmobil:Sie wollen nicht mehr spielen

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Playmobil muss im Geschäftsjahr 2019 Rückschläge verkraften. Die Plastikfigürchen sind nicht mehr so beliebt wie einst. Und auch ein Kinofilm geriet zum Flop.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Kurz vor dem Start des für die Spielwarenbranche existenziellen Weihnachtsgeschäftes erfuhren die Mitarbeiter von Playmobil, dass die Geschäfte alles andere als gut liefen. Das war überraschend, schließlich war der nach Simba Dickie zweitgrößte deutsche Spielwarenhersteller mit breiter Brust in das Jahr gestartet. "Unser Unternehmen gibt die richtigen Antworten in einem umkämpften Marktumfeld", hatte Vorstandschef Steffen Höpfner im Januar 2019 getönt und ein Feuerwerk an Aktivitäten angekündigt: viele neue Produkte, mehr Lizenzgeschäft, eine ehrgeizige Expansion (vor allem in den USA), Digitalisierung - und dann stand da ja auch noch der erste Playmobil-Kinofilm an.

Ein "Playmobil-Erlebnis in neuen Dimensionen" werde 2019 bringen, versprachen seine PR-Leute. Doch die Offensive verpuffte kläglich. "Unsere wirtschaftliche Bilanz für 2019 zeigt deutlich, dass unsere Angebote und Leistungen nicht die Erwartungen vieler Konsumenten und Kunden treffen", mussten die Mitarbeiter im Herbst in einem internen Rundschreiben lesen.

Langjährige Mitarbeiter sind besorgt und sehnen sich nach der alten Firmenkultur

Ein Vorgesetzter stimmte seine Leute einem Teammitglied zufolge mit der bedrohlichen Prognose auf das Weihnachtsgeschäft ein, schlimmstenfalls drohe ein Umsatzrückgang von sieben Prozent. Ganz so schlimm kam es nicht, aber es reicht auch so. Während die deutsche Spielwarenindustrie nach Angaben ihres Verbandes DVSI um fünf Prozent zulegte und Playmobil-Konkurrenten wie Lego und Simba Dickie Zuwächse melden, musste Playmobil 2019 einen Rückgang verkraften. 676 Millionen Euro Umsatz, zehn Millionen weniger als 2018, schlagen zu Buche. Rechnet man die Pflanzkübel-Geschäfte der Schwestermarke Lechuza hinzu, kommt die Brandstätter-Unternehmensgruppe auf 748 Millionen Euro Umsatz; ein Minus von sechs Millionen Euro. "Damit sind wir nicht zufrieden, wir hatten uns mehr vorgenommen", ließ Vorstandschef Höpfner am Rande der diesen Mittwoch gestarteten Nürnberger Spielwarenmesse verbreiten. Zu den Gründen für den Umsatzrückgang verlautete er nichts.

Langjährige, im Unternehmen gut vernetzte Mitarbeiter des Zirndorfer Unternehmens glauben, einige Gründe zu kennen. Sie treibt die Sorge um, dass die lange Zeit sehr erfolgreiche Marke Playmobil langsam aber sicher Schaden nimmt. Zum einen unter der Firmenkultur, die sich nach ihren Angaben seit dem Tod des patriarchalischen Firmengründers Horst Brandstätter 2015 von familiär in ziemlich ruppig verändert habe. Aber nicht nur atmosphärisch, sondern auch strategisch gibt es offenkundig Unwuchten.

So vertrieb Playmobil im Weihnachtsgeschäft 2019 erstmals Ware über einen Discounter, nämlich Lidl. Obendrein brach im playmobileigenen Onlineshop kurz vor Weihnachten eine Rabattschlacht aus. Selbst Spielzeug der neuesten Kollektionen wurde samt Zubehör mit erheblichen Nachlässen von bis zu 45 Prozent verramscht. Damit unterlief Playmobil Experten zufolge preislich teilweise sogar die Händler, welche die Plastikfigürchen seit Jahr und Tag im Sortiment führen. "Sie werden so unnötig verprellt", sagt einer aus der Firmenzentrale. Playmobil-intern wurde die Vermutung laut, die Rabattaktionen seien ein Versuch, den drohenden Umsatzeinbruch zu verhindern. Selbst auf die Gefahr hin, dass Playmobil als wertige Marke darunter leide.

Am Unternehmen prallt dergleichen Kritik ab. "Vermeintliche Vorwürfe oder Konnotationen wie "verramschen" sind bewusst gewählt, um die Marke Playmobil in ein negatives Licht zu stellen", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Den Webshop betreibe man "in enger Zusammenarbeit mit dem Handel", mit dem man im Übrigen "vertrauensvoll" zusammenarbeite und dessen Produktangebot lediglich ergänzt werde. Auch Lidl sei ein solcher Handelspartner und man verkaufe eben dort, "wo sich der Endverbraucher aufhält und die Ware einfordert", so der Sprecher weiter. Von einem "Abfedern eines Umsatzrückgangs" könne angesichts des langen Vorlaufs der Lidl-Zusammenarbeit ohnehin "keine Rede sein".

Und trotzdem läuft es nicht rund bei Playmobil. Das Unternehmen steht finanziell zwar auf einem hervorragenden Fundament, allerdings dank der erfolgreichen Arbeit von Gründer Brandstätter und der langjährigen Vorstandschefin Andrea Schauer über lange Zeit hinweg. An diese alten Zeiten erinnern sich Altgediente im Unternehmen mit Wehmut. Denn seit Playmobil einer Stiftung gehört, der eine frühere Assistentin Brandstätters vorsteht, rumort es auch öffentlich. So hat sich das Management im Werk in Dietenhofen in einen schlagzeilenträchtigen Kleinkrieg mit der IG Metall verheddert.

Beschäftigte freuen sich zum Teil über höhere Löhne und weniger Arbeit

Aufmüpfige Arbeitnehmer sind nicht wohlgelitten. Als Signal gegen die IG Metall schloss sich Playmobil vor einigen Jahren dem Kunststoffarbeitgeberverband an. Womöglich ein Schuss ins eigene Knie, wenn man Mitarbeitern glauben darf. Die freuen sich zum Teil über deutlich höhere Löhne und Gehälter, von bis zu 15 Prozent und einer Wochenstunde weniger Arbeit ist die Rede. Grund sei der im Vergleich zu vorher großzügigere Kunststofftarifvertrag. Ein Playmobilsprecher weicht auf Nachfrage aus: "Durch die Einführung eines komplexen Tarifvertragswerks kommt es zwangsläufig zu Veränderungen in der Gehaltsstruktur", sagt er. Das durchschnittliche Gehaltsplus von 15 Prozent könne er "so nicht bestätigen".

Unstrittig ist hingegen, dass Playmobil 2019 cineastisch danebenlag. "Playmobil - Der Film" geriet international zu einem der größten Kinoflops 2019. Was das Desaster gekostet hat ist unbekannt; die Firma nennt keine Zahlen.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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