Süddeutsche Zeitung

Playmobil:Geisterjäger in der Spielewelt

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Der Rausschmiss der Marketing-Chefin schürt Gerüchte über Intrigen und Kündigungen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Wenn gar nichts mehr hilft muss Hillary ran. In der Siemens-Zentrale leistete sie schon wirksame Dienste, an Universitäten und zuletzt im Untergeschoss am Münchner Stachus. Auch aus dem Playmobil-Werk im fränkischen Dietenhofen vertrieb das Wüstenbussard-Weibchen lästige Tauben und womöglich gewann der stolze Raubvogel dabei tiefere Einblicke in das Spielwarenunternehmen als es menschlichen Beobachtern möglich ist. Seit dem Tod von Firmengründer Horst Brandstätter im Juni 2015 schottet sich Playmobil ab wie nie zuvor. Manager geben weder Interviews noch Pressekonferenzen und kürzlich blieben sie auch der Neuheiten-Schau fern, dem wichtigsten PR-Termin bei der größten Spielwarenmesse der Welt in Nürnberg.

Gelegentlich werden Pressemitteilungen versandt, die dann bisweilen mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten. So im Januar, als Playmobil für 2017 ein Umsatzplus von elf Prozent verkündete - und nahezu zeitgleich den überraschenden Abgang von Vertriebs- und Marketingvorständin Silke Heinrich. Ausgerechnet jener Managerin, die Insidern zufolge den größten Anteil am Wachstum und Erfolg von Playmobil hat. Hartnäckig halten sich obendrein Gerüchte, die so gar nicht zur bunten Welt der fingerlangen Figürchen mit dem stets freundlichen Gesichtsausdruck passen. Von einem Klima der Angst und Verunsicherung in der Playmobil-Zentrale in Zirndorf bei Fürth ist da die Rede, von Kündigungen unliebsamer Mitarbeiter, von Beschäftigten, die hinwerfen oder kaltgestellt werden. Die Zentrale des gemessen am Umsatz größten deutschen Spielwarenherstellers sei zum Intrigantenstadl verkommen, behaupten Kritiker.

Im Unternehmen vollzieht sich ein grundlegender Kulturwandel

Alles Blödsinn, heißt es offiziell. Die Zahlen seien gut, die strategischen Konzepte ebenso und ein verlässlicher Arbeitgeber sei Playmobil auch, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. Dass ausgerechnet die in der Spielwarenbranche bestens angesehene Top-Managerin Heinrich gehen musste, wird mit PR-Floskeln der Kategorie "herausforderndes Marktumfeld", "anspruchsvoller Transformationsprozess" oder "Weiterentwicklung unserer Vertriebsarbeit" umnebelt, nicht aber wirklich erklärt und begründet. Nur so viel: Künftig brauche das Unternehmen "agile Strukturen und eine agile Projektarbeit", so ein Sprecher. War Heinrich also nicht agil genug?

Es ist ein grundlegender Kulturwandel, der sich bei Playmobil seit dem Tod des eigenwilligen Milliardärs Brandstätter vollzieht. Mächtigste Figur in dem Geflecht an Stiftungen, die Playmobil und den dazugehörigen Pflanzkübelhersteller Lechuza steuern, ist Marianne Albert. Was die frühere Assistentin und Vertraute Brandstätters für die Schlüsselposition in einem Unternehmensverbund mit 741 Millionen Euro Umsatz und etwa 4200 Mitarbeitern qualifiziert, ist offen; zu ihrer beruflichen Biografie verweigert das Unternehmen selbst auf Nachfragen konkrete Auskunft.

Die operativen und nach Firmenangaben profitablen Geschäfte führt Stefan Höpfner. Auch seine Pläne sind ein Abschied von der schönen, bunten Plastikwelt des Horst Brandstätter. Höpfner steuert neue Zielgruppen an, etwa Business-Kunden und andere Erwachsene. "Die Digitalisierung ermöglicht viele neue Marktpotenziale", lässt er einen Sprecher ausrichten. So hat Playmobil eine App entwickelt, die das Smartphone in das Spielen mit den greifbaren Playmobilfiguren und -welten verbindet. "Digitaler Content" und ebensolche Plattformen sollen die "Andockstationen für unser Markenerlebnis" werden, so der Sprecher. Und zwar nicht nur auf dem deutschen Markt, auf den sich Playmobil zu Brandstätters Zeiten stark konzentriert hatte. Ende 2017 hat Playmobil damit begonnen, in China Vertriebsstrukturen aufzubauen. Auch die USA stehen als "Zielmarkt" auf der Expansionskarte.

Geschäftsmodell, Vertriebsstrukturen - alles steht auf dem Prüfstand

Und dann ist da das Lizenzgeschäft, vom dem sie früher bei Playmobil nur wenig wissen wollten. Der Nachbau eines Porsche-Rennautos war ein offenkundig erfolgreicher Testlauf, auch um neue, ältere Zielgruppen anzusprechen. Ihm folgten Lizenzprodukte aus den Filmen "Ghostbusters" und "Dragons". Damit habe man "neues Terrain betreten", heißt es in Zirndorf. "Lizenzthemen schaffen Aufmerksamkeit und helfen uns, das Markenerlebnis breiter und digitaler zu machen." Ziel sei es, eine generationenübergreifende "Brücke zwischen Eltern und Kindern" zu schlagen. Erstmals beteiligt sich Playmobil in diesem Jahr am Lizenzgeschäft in Zusammenhang mit einer Fußball-WM. In Gestalt einer "WM-Arena zum Mitnehmen", samt "innovativem Torschuss-Mechanismus".

Der Wandel bei Playmobil, wo man sich bislang darauf beschränkte, immer neue Kulissen und Spielwelten für die mittlerweile weltweit drei Milliarden Figürchen zu schaffen, ist groß. Und er folgt nach Höpfners Überzeugung einem generellen Umbruch in der Spielwarenbranche. Langfristige Strategien seien obsolet, je mehr sich virtuelle und tatsächliche Spielwelten vermischen. Weshalb in Zirndorf alles auf dem Prüfstand stünde, Geschäftsmodell, Vertriebsstrukturen, Markenführung - und das Management. Mit Lars Wagner und Roger Balser traten gerade zwei neue Vorstände ihren Dienst bei Playmobil an, wo sich der eine nun um Marken- und Produktmanagement und der andere um Markt und Kunden kümmert. Beide bringen Erfahrungen von US-Spielwarenkonzernen mit; Wagner kommt von Walt Disney, Balser war mal bei Hasbro.

Von einem "Generationswechsel" bei Playmobil ist die Rede, wobei das nicht auf den Vorstand zutrifft. Wagner ist 46, Balser 54 Jahre alt; die geschasste Heinrich liegt mit 48 Jahren dazwischen. Auch gesprächiger wird das Management wohl in absehbarer Zeit nicht werden. Zu Umsatzzielen für 2018 äußert man sich nicht, geschweige denn zu Details wie etwa dem Umfang des Lizenzgeschäftes. Produkte und nicht Personen sollten im Mittelpunkt stehen, heißt es dazu lapidar, und im Übrigen wolle man "Fakten schaffen und dann darüber sprechen".

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Quelle:
SZ vom 16.02.2018
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