Süddeutsche Zeitung

Plastiktüten:Zielgröße Null

Seit der Handel sich selbst dazu verpflichtet hat, für Plastiktüten Geld zu verlangen, ist der Verbrauch deutlich gesunken. Das endgültige Verbot kommt 2022 trotzdem.

Von Vivien Timmler

Wer Erfolg gerne in Zahlen misst, kommt beim Niedergang der Plastiktüte auf seine Kosten. Sechs Jahre ist es her, dass in Deutschland jährlich 5,6 Milliarden davon über die Ladentheken gingen, das machte 68 Tüten pro Kopf. Im Jahr darauf waren es schon nur noch 3,6 Milliarden, ein weiteres Jahr später war der Verbrauch auf 2,4 Milliarden gesunken - und mittlerweile liegt er bei 1,7 Milliarden Stück, also etwa 21 Tüten pro Kopf.

Grund für diesen Abwärtstrend ist eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handelsverbands Deutschland (HDE). Er sicherte damals zu, dass seine Mitglieder die Tüten künftig nicht mehr gratis herausgeben würden; im Gegenzug gab es erst mal kein Gesetz, das sie dazu gezwungen hätte. Ziel der Bundesregierung war es, den Verbrauch bis spätestens 2025 auf 40 Tüten im Jahr zu senken. So sah es eine EU-Richtlinie vor.

Mittlerweile ist klar, dass Deutschland dieses Ziel nicht nur erreicht, sondern schon jetzt übererfüllt hat. Im Vergleich zu 2015 ist der Plastiktütenverbrauch um fast 70 Prozent gesunken. Doch nicht alle sehen das als Erfolg an: Umweltverbände rechnen vor, dass ein Pro-Kopf-Verbrauch von 21 Tüten zwar niedrig klinge, gleichzeitig aber bedeute, dass pro Minute 3200 Tüten in Umlauf kämen.

Und auch der Regierung reicht der Rückgang nicht: Sie hat das Ende der Plastiktüte besiegelt und ein Verbot ab dem 1. Januar 2022 beschlossen. Scharfe Kritik kommt vom HDE. "Das ist reine Symbolpolitik", sagt Geschäftsführerin Antje Gerstein. Das Verbot sei "überflüssig" und "unnötig", da sich der Verbrauch bereits so stark reduziert habe.

Afrika ist bei dem Thema Vorreiter

Die Gegner der Plastiktüte sehen das freilich anders. "Wenn Teile des Handels argumentieren, dass mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Plastiktütenverbrauch gesenkt worden sei, so zeigt das vor allem eines: Plastiktüten sind verzichtbar", sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Für ihn ist das Verbot "ein richtiger und konsequenter Schritt" - wenn auch ein später. "Die freiwillige Vereinbarung hat das Ende der Plastiktüte unnötig in die Länge gezogen", so Fischer.

Weltweit sind Plastiktüten schon jetzt in vielen Ländern verboten, etwa in Ruanda, Marokko oder Tansania. Und Sorgen, seine Einkäufe künftig nicht mehr nach Hause transportieren zu können, muss sich dort wie hier ohnehin niemand machen; Alternativen gibt es mit Stoffbeuteln, Einkaufsnetzen oder faltbaren Polyesterbeuteln schließlich einige.

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