Recycling:Deutschland betrügt sich selbst beim Plastikmüll

Recycling: Deutscher Verpackungsmüll wird massenweise nach Asien exportiert. Weniger als zehn Prozent werden recycelt.

Deutscher Verpackungsmüll wird massenweise nach Asien exportiert. Weniger als zehn Prozent werden recycelt.

(Foto: Aamir Qureshi/AFP)

Die Deutschen halten sich für Vorreiter beim Recycling, sind es aber nicht. Da hilft auch kein Logo der Drogerien, mit dem sich die Hersteller nur grünwaschen.

Kommentar von Michael Kläsgen

War da nicht was? Die beiden Drogeriemarktketten dm und Rossmann hatten den ganz großen Wurf gegen den Plastikwahnsinn angekündigt. Das war überfällig und gut so. Sie hatten zu Recht akuten Handlungsbedarf gesehen, weil viele Deutsche zwar brav seit fast 30 Jahren ihren Müll sortieren - Papier dorthinein, Glas dahin, Verpackungen in den gelben Sack, wenn es den denn in der Kommune gibt, und den Rest eben in den Restmüll. Doch gebracht hat das zumindest beim Plastikmüll erschreckend wenig. Die Recyclingquote bei Kunststoff verharrt auf einem lachhaft geringen Niveau.

Dabei hält sich Deutschland für besonders umweltfreundlich, in Wahrheit ist es das aber nicht. Deutschland exportiert Massen Verpackungsmüll nach Asien, wo vieles auf Deponien landet und von dort ins Meer gelangt, mit den bekannten Folgen für die Lebewesen in den Ozeanen und die menschliche Nahrungskette.

Oder das Land verbrennt den Abfall in den wegen des chinesischen Importstopps gut ausgelasteten Müllverbrennungsanlagen daheim. Dadurch erhöht sich der CO₂-Ausstoß, obwohl sich alle einig sind, dass die Emissionen reduziert werden müssen. Die hiesige Industrie verwertet aber nicht den heimischen Müll, sondern importiert Kunststoffgranulat aus dem europäischen Ausland, um wieder neue Plastikbehälter herzustellen, wenn sie nicht Rohöl verwendet, weil das am billigsten ist.

Die Industrie gibt sich gern grün. Aber die Menschen wollen nicht länger verschaukelt werden

Die Bundesregierung gibt überdies Recyclingquoten als Ziel aus, etwa 63 Prozent für Plastik, die reine Fantasterei sind. Gezählt wird nicht etwa, was tatsächlich recycelt wird, also der Output, sondern was einer Sortieranlage zugeführt wird, der Input. Der Anteil dessen hingegen, was die meisten braven, aber nicht immer kenntnisreichen deutschen Sammler und Sortierer unter Recycling verstehen, dass nämlich aus dem Plastikbehältnis wieder ein Plastikbehältnis entsteht, liegt bei weit unter zehn Prozent. Deutschland ist ein Land, das sich selbst betrügt. Die Bilanz nach 30 Jahren Mülltrennung ist niederschmetternd. Sie ist leider auch das Ergebnis eines Politikversagens.

Gerade deswegen war die Initiative der Händler auf den ersten Blick so löblich. Die Drogeriemarktkette dm hatte es geschafft, innerhalb von relativ kurzer Zeit 30 Unternehmen um sich zu scharen, die wirklich etwas tun könnten, um den Plastikmüll zu reduzieren, darunter große Hersteller wie Henkel, Procter & Gamble oder Beiersdorf. Monatelang diskutierten sie, wie dem Problem beizukommen sei. Gemeinsam könnten sie in der Tat einiges bewegen. Bei dm und Rossmann kaufen so viele Menschen ein, dass sie die Hälfte der Haushalte in Deutschland erreichen könnten. Doch das Resultat ist ernüchternd.

Geeinigt haben sich die Unternehmen auf ein Logo, das den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt. Es hebt lediglich einen "hohen Recycling-Anteil"hervor, ohne präzise Angaben zur Prozentzahl oder Plastikart. Wer nun, einige Tage nach Einführung des Logos, durch die dm-Filialen geht, dem fällt auf, dass dm das Logo nicht nur, aber besonders oft dafür verwendet, seine Eigenmarken zu bewerben. So, als wäre es ja auch naiv gewesen zu glauben, den Unternehmen gehe es wirklich um die Umwelt und nicht um den eigenen Vorteil. Das Thema Plastikmüll ist in der Gesellschaft emotional so aufgeladen, dass die Firmen es jetzt dafür nutzen, sich möglichst "grün" zu geben. In den Drogeriefilialen ist das nun zu besichtigen.

Die Kunden werden zwar zunächst an einen Infostand über Recycling am Eingang geleitet, was sinnvoll ist, weil viele nicht ausreichend Bescheid wissen. Dann aber weisen lediglich blassblau umrahmte Preisschilder auf erschreckend wenige Produkte hin, die dem Mindeststandard entsprechen. Die stehen zudem direkt neben nicht ausgelobten Produkten, die mit eigenen Recycling-Aufklebern selbst für sich werben. Darunter Reinigungsflaschen von Henkel, auf denen angepriesen wird, dass diese aus Industrieabfällen hergestellt wurden. Das machen alle Hersteller seit Jahren so, dm und Rossmann geben ihnen jetzt die Gelegenheit, sich mithilfe der Kampagne grünzuwaschen. In den Regalen stehen auch Procter & Gambles "Ocean Plastic"-Flaschen, obwohl längst nachgewiesen ist, dass sie mit Plastik aus dem Ozean nichts zu tun haben.

So wird sich der Plastikmüll nicht reduzieren lassen. Die Industrie hat das Bedürfnis einer breiten Öffentlichkeit nicht verstanden. Die Menschen wollen nach 30 Jahren des weitgehend sinnlosen Plastiksortierens nicht weiter verschaukelt werden. Es ist daher höchste Zeit, dass sich die Politik der Sache richtig annimmt.

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