Süddeutsche Zeitung

Plan-W-Kongress:"Als ich Ministerpräsidentin war, hatte ich mehr weibliche Kollegen als heute"

  • Annegret Kramp-Karrenbauer spricht auf dem Plan-W-Kongress in Berlin.
  • Dabei berichtet sie auch über eigenen Erfahrungen in den Machtkämpfen ihrer Partei.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Zeit ist knapp in diesen Tagen für die CDU-Chefin. Trotzdem wollte sich Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Termin nicht nehmen lassen. Ein Termin unter ihresgleichen, könnte man fast sagen, sind doch neun von zehn Gästen bei diesem Auftritt Frauen. Und so ist die Vorsitzende der noch immer mächtigsten Partei Deutschlands am Mittwoch zum Auftakt des Plan-W-Kongresses in die Factory Görlitzer Park gekommen und redet dort mit Frauen über Frauen, über Macht und über den Kampf darum. Kramp-Karrenbauer ist nicht als Feministin berühmt geworden. Aber dass ihr das Thema am Herzen liegt, lässt sich spätestens seit ihrer Wahl zur CDU-Vorsitzenden oft studieren.

Deshalb überrascht es nicht, dass sie nun mit Verve mehr Engagement von Frauen einfordert. Die Tatsache, dass Deutschland eine Kanzlerin habe, reiche nicht aus, um sich schon zurücklehnen zu können, warnt die CDU-Chefin. Ja, schaue man auf die Repräsentanz von Frauen in der Politik oder studiere die fast schon sichere Parität bei der Ämterverteilung der neuen EU-Kommission, dann gebe es manche schöne Momentaufnahme. Trotzdem bleibe alles "volatil" bei der Frage, ob Frauen die Gesellschaft heute schon entscheidend mitprägten.

"Wenn ich mir anschaue, wie unterdurchschnittlich Frauen in vielen Bereichen repräsentiert sind, macht mich das unruhig"

Als Beleg verweist sie auf eigene Erfahrungen. "Als ich Ministerpräsidentin war, hatte ich mehr weibliche Kollegen als heute." Das Gleiche könne man im Bundestag und anderswo studieren. Nein, man sei noch nicht in einer Situation, in der "alles ganz natürlich und selbstverständlich" in die richtige Richtung laufe.

Kramp-Karrenbauer passt als Zeugin gut in diese Debatte, weil sie die Probleme lange kennt, aber manchmal auch schon überwinden konnte. Als es im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz zum Duell mit Friedrich Merz kam, war es eine Mischung aus Unterstützung für sie und Ablehnung für ihn, die erheblich zu ihrem knappen Erfolg beitrug. Sie weiß, wie hart das war; und sie weiß, dass eine Frau heutzutage dabei erfolgreich sein kann.

Entsprechend gelassen wirkt sie an diesem Morgen; und entsprechend entschieden ist sie beim Versuch, an den Mut der Zuhörerinnen zu appellieren. Dabei warnt sie auf dem Kongress, der von der Süddeutschen Zeitung organisiert wird, auch davor, die allumfassenden Folgen der Digitalisierung außer Acht zu lassen. Gerade diese von der Technik getriebene Entwicklung verändere nicht nur die Kommunikation, sondern ganz grundsätzlich fast alle Prozesse des Zusammenlebens. Das mache ihr bis heute erhebliche Sorgen, weil Frauen sich bis heute von der Schulzeit an zu selten in ebenjene technische Ausbildung stürzen würden.

"Wenn ich mir anschaue, wie unterdurchschnittlich Frauen in vielen Bereichen repräsentiert sind, macht mich das unruhig", klagt die Christdemokratin. Zu wenig Studentinnen; zu wenig Jobs, die von Frauen besetzt werden; und zu wenig Frauen, die danach ihr eigenes Unternehmen gründen - das ist Kramp-Karrenbauers Diagnose. Eine Diagnose, die man auch als Aufruf verstehen könnte. Nach dem Motto: Forscht! Gründet! Nehmt das Schicksal selbst in die Hand!

Forscht und gründet - das klingt schöner, als über die Lage in der eigenen Partei zu sprechen. Das weiß die Vorsitzende der Christdemokraten - und räumt auf Nach-frage ein, dass gerade in den eigenen Reihen noch nicht alles gut ist. Jüngstes Beispiel: der linkische Umgang mit dem Youtuber Rezo und seiner Kritik an der Union. Ja, sagt Kramp-Karrenbauer so zerknirscht wie selbstkritisch, in diesem Fall seien sie "in ziemlich viele Fettnäpfchen getreten". Nicht zum Abschied, sondern als Hoffnung für die Zukunft erinnert Kramp-Karrenbauer schließlich an eine "Regel" aus ihrer Heimat. "Alles, was zweimal stattfindet, hat eine Tradition - und alles, was dreimal stattfindet, hat Wurzeln bis ins Mittelalter." Genau das wünsche sie sich für Veranstaltungen wie diese. Denn niemand könne sich schon sicher sein, dass "die Zu-kunft des Landes die Handschrift von Frau-en tragen wird."

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SZ vom 06.06.2019/hgn
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