Plan-W-Kongress:Warum Frauen seltener gründen

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Ina Schlie auf dem Podium des Plan-W-Kongresses in Berlin. (Foto: Johannes Simon)

Nur 16 Prozent der Gründer sind weiblich. Dabei können es Frauen genauso gut wie Männer. Ex-SAP-Managerin Ina Schlie erklärt, was dagegen zu tun ist.

Von Katharina Kutsche, Berlin

Ina Schlie hat eine Mission. Und die bringt sie ohne Schnörkel auf den Punkt: mehr Vielfalt. Damit beantwortet sie, warum sie in mehreren Aufsichtsräten sitzt und was sie dort antreibt. So erklärt sie aber auch, warum sie sich in der Gründerszene mehr Frauen wünscht. Bei Start-up-Nächten sieht sie regelmäßig Gründerinnen zu, die ihre Produkte vorstellen. Daher weiß sie, dass sie nicht schlechter abliefern als Männer. "Frauen, die gründen, sind besonnener und stellen ihr Geschäftsmodell noch einmal mehr auf den Prüfstand, als das vielleicht Männer tun würden", sagt Schlie.

Deswegen hat die ehemalige Managerin den Verein Encourage Ventures mit auf die Beine gestellt. "Wir wollen Frauen ermutigen, zu gründen, aber auch ermutigen, zu investieren." Frauen nämlich gründen seltener als Männer, Statistiken wie der Deutsche Start-up-Monitor zeigen, dass nur rund 16 Prozent der Gründer weiblich sind. Die Gründe für dieses Missverhältnis sind vielfältig: In der frühen Gründungsphase muss ein Unternehmen nun mal schnell wachsen, das ist mit einer geregelten Wochenarbeitszeit schwer zu machen, in Teilzeit schon gar nicht. Wer Kinder hat, braucht also Unterstützung oder lässt gleich ganz die Finger vom Selbständigen-Dasein. Zudem haben Frauen eher soziale Geschäftsideen oder gehen Probleme an, die Frauen betreffen, aber Männer nicht verstehen.

Vor allem aber bekommen Gründerinnen nachweislich seltener Kapital als ihre männlichen Pendants. Was daran liegt, dass auch die Geldgeber in den allermeisten Fällen Männer sind - und die fördern eben Männer. So zeigt beispielsweise der Female Founders Monitor, dass zwar rund ein Drittel der von Frauen geführten Unternehmen gern Business-Angels als Kapitalgeber hätte - aber nur 7,7 Prozent tatsächlich Geld aus dieser Quelle bekamen. Bei anderen Finanzierungsmöglichkeiten sieht es ähnlich aus: 41,5 Prozent der Gründer-Teams erhalten staatliche Fördermittel, doch nur 27,5 Prozent der Gründerinnen-Teams.

Ina Schlie will das ändern. Die gelernte Industriekauffrau und studierte Volkswirtin hat die meisten Jahre ihres bisherigen Arbeitslebens beim Software-Konzern SAP verbracht. Dort leitete sie die Steuerabteilung und war zuletzt Vize-Chefin für den Bereich Digital Government. Ihr Netzwerk Encourage Ventures, gegründet im Juni dieses Jahres, bietet ein Investment-Programm, hinter dem ausschließlich Frauen stehen: SAP-Managerin Alexa Gorman etwa oder Aufsichtsrätin Simone Menne, dazu Facebook-Europa-Chefin Angelika Gifford, Douglas-Chefin Tina Müller oder die ehemalige Bundesministerin Brigitte Zypries (SPD) und eben Schlie selbst. "Wir sind mit 60 Frauen an den Start gegangen", erzählt sie, "inzwischen sind es 300 Investorinnen." Hunderte Start-ups hätten sich gemeldet, die sich freuen, dass Frauen endlich mit an dem Tisch sitzen, an dem das Kapital verteilt wird.

Encourage Ventures fördert Start-ups, die mindestens eine Frau im Team haben - und zwar im Gründerteam, nicht in der Personal- oder Marketingabteilung, wie es so häufig der Fall ist. In den Pitch-Nights, die etwa alle sechs Wochen stattfinden, werden Gründerinnen, Investorinnen und solche, die es werden wollen, zusammengebracht. Da das Netzwerk ein eingetragener Verein ist, geben die Mitglieder entweder als Einzelpersonen Geld oder über die Beteiligungsgesellschaften, in denen sie sitzen.

Frauen gründen seltener Start-ups, allein oder gemeinsam - dabei können sie es genauso gut wie Männer. Das belegen Studien. Doch diejenigen, die Interesse daran haben oder schon Teil der Gründerszene sind, sprechen eben auch mit anderen Frauen und wissen daher, wie schwierig es sein kann. "Wenn ich dann höre, dass nur 1,6 Prozent des Wagniskapitals an Gründerinnen geht, ermutigt mich das nicht, mich ins Unternehmertum zu begeben", sagt Schlie. Ihren Gründerinnen rät die Multi-Aufsichtsrätin daher, sich immer unterschiedlichste Perspektiven ins Start-up zu holen, sich über alle Seiten des Produkts austauschen und sich Input zu suchen, um das eigene Geschäftsmodell zu schärfen.

Schlie rückt aber auch ins Bild, dass die Gründungsquote in Deutschland generell nur bei einem Prozent liegt, was aus ihrer Sicht schlecht ist: "Ich bin überzeugt davon, dass die Top-Innovationen aus der Start-up-Welt kommen." Doch die Angst vorm Scheitern sei sehr groß und Scheitern ohnehin nicht populär, "das ist ein großes Einstiegshemmnis". Die Gründerinnen und Gründer wüssten, dass der Zugang zum Kapital hier wesentlich schwieriger ist als in Ländern wie den USA, sagt Schlie. Hinzu kämen noch bürokratische Hürden. "In Deutschland braucht man drei Monate, um ein Unternehmen auch formal und mit allen Anmeldungen auf die Beine zu stellen. In 155 anderen Ländern dieser Welt braucht man dafür nur einen Tag."

Speziell den Frauen mangele es zudem an Netzwerken. Und es brauche politische und private Initiativen, sagt die Managerin. Bei Encourage Ventures möchten die Kapitalgeberinnen ihre Start-ups von Beginn an betreuen und unterstützen - von der Idee bis zum Börsengang, finanziell und als Mentorinnen. Die Expertinnen wünschen sich aber auch die Unterstützung von politischen Entscheidern. So hat die Bundesregierung im März zehn Milliarden Euro in einen Zukunftsfonds gesteckt, der mit weiteren 20 Milliarden Euro aus privaten und öffentlichen Mitteln angereichert wird. Schlie fragt sich: Wenn die Bundesregierung Unternehmen Frauenquoten vorschreibe könne, warum mache sie das in diesem Fall nicht? Der Staat könne regeln, dass bevorzugt in gemischte Teams investiert wird.

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