Pläne zur Bankenunion:Steuerzahler sollen nun doch haften

Wird das Versprechen nun doch gebrochen? Der Plan für die Bankenunion sieht vor, dass Banken sich in Zukunft selber retten sollen. Doch die EU-Finanzminister in Brüssel beraten über Ausnahmen, die für die Rettung von Banken die Staaten, also die Steuerzahler, wieder in die Pflicht nehmen sollen.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Das Versprechen, zur Rettung von Banken künftig nur noch im Notfall die Steuerzahler zur Kasse zu bitten, droht umfassend aufgeweicht zu werden. Zwar hatte der amtierende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den vergangenen Monaten stets verkündet, Steuerzahler würden weiterhin nur nachrangig zu den privaten Gläubigern und Investoren zur Kasse gebeten werden. Doch von diesem Prinzip soll es nun Ausnahmen geben.

In der Diskussion stehen gleich drei davon. Das bestätigten EU-Diplomaten und Abgeordnete in Brüssel, wo am Montag Verhandlungen der EU-Finanzminister begannen. Ziel ist es, sich bis Ende des Jahres politisch zu einigen - wobei die deutsche Regierung die Zahl der Ausnahmen möglichst auf eins begrenzen will, wie es Schäuble den Steuerzahlern versprochen hatte.

Der Streit dreht sich darum, ob private Gläubiger und Anteilseigner in jedem Fall zuerst zahlen müssen, wenn Banken Geld brauchen, um ihr Eigenkapital zu erhöhen oder ihre eigene Abwicklung zu zahlen. Nach den Erfahrungen aus der Bankenkrise, in der Steuerzahler mit einem vierstelligen Milliardenbetrag Geldhäuser retten mussten, sollten künftig die privaten Gläubiger selbst die Risiken ihrer Geschäfte tragen und in jedem Fall zuerst zahlen. Dazu wird es wohl nicht kommen.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Die europäischen Finanzminister hatten bereits vor Wochen eine Ausnahmeklausel in das Gesetzespaket hineinverhandelt, wonach Banken bei einer absehbaren Schieflage vorsorglich Notkredite beim Staat beantragen dürfen. Braucht beispielsweise eine bereits vom Staat gestützte Bank Geld, soll der Staat wieder einspringen dürfen. Jetzt drängt das Europäische Parlament auf weitere Ausnahmen.

Die Vertreter der konservativen Volksparteien (zu denen CDU/CSU gehören) wie auch die der Sozialisten/Sozialdemokraten fordern, dass bei einer drohenden systemischen Bankenkrise weiterhin grundsätzlich der Staat (und nicht die privaten Gläubiger) haften soll, sowie dass alle Einlagen privater Anleger geschützt werden sollen. Bisher sind Anlagen bis 100.000 Euro vor jeglichem Zugriff gesichert, höhere Beträge können zur Bezahlung laufender Sanierungs- oder Abwicklungskosten herangezogen werden.

Hintergrund ist die Sorge in vielen europäischen Ländern, dass Anleger und Anteilseigner, wenn sie grundsätzlich zuerst zur Kasse gebeten werden, sich aus ihren Investments zurückziehen, Geld abziehen und nach Amerika oder Asien verlagern könnten. Länder wie Frankreich, Italien und Griechenland plädieren auch dafür, erst von 2018 an die primäre Haftung der privaten Gläubiger einzuführen. Deutschland will dies von 2015 an tun.

Rauchende Köpfe bis spät in die Nacht

Eine Vorentscheidung über die neuen Haftungsregeln wird in den kommenden Tagen erwartet. Die EU-Parlamentarier verhandeln derzeit praktisch ununterbrochen mit der amtierenden litauischen Ratspräsidentschaft sowie der Europäischen Kommission über die beiden Richtlinien, die als Grundlage für das geplante Gesetz zur zentralen europäischen Bankenabwicklung dienen sollen. Das bedeutet: Erst wenn die beiden Richtlinien abgestimmt sind, kann das darauf basierende Gesetz zur zentralen Bankenabwicklung vereinbart werden.

Die Unterhändler streiten auch darüber, mit wie viel Geld die Banken jene beiden Fonds füllen sollen, die jede Regierung zur Sicherung der Bankeinlagen und für die Kosten der Abwicklung von Banken anlegen soll. Das Europaparlament fordert deutlich mehr, als die Regierungen zu geben bereit sind. Die Banken sollen allein für ihre Abwicklung in den kommenden 10 Jahren 55 Milliarden Euro ansparen. Das bedeutet, dass auch in Deutschland ansässige Geldhäuser deutlich mehr Vorsorge betreiben müssen.

Bundesfinanzminister Schäuble wollte am Montagabend mit einigen Kollegen über das weitere Vorgehen beraten. Auf den Tisch der Finanzminister lag am Montag so viel Strittiges, dass bereits für kommende Woche ein weiteres Treffen vereinbart wurde. Es soll vor dem am kommenden Donnerstag beginnenden EU-Gipfeltreffen stattfinden. Sollten die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag billigen, würde eine entscheidungsfähige Regierung in Brüssel anreisen .

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