Warenhauskonzern will 2000 Mitarbeitern kündigen:Karstadt baut massiv Stellen ab

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Zwei Jahre lang verzichteten die Beschäftigten auf Teile ihres Gehalts und leisteten damit einen Beitrag zur Sanierung des Traditionskonzerns Karstadt. Nun läuft der Sanierungstarifvertrag aus - und Investor Nicolas Berggruen kündigt den Abbau von 2000 Stellen an. Heute sollen die betroffenen Mitarbeiter informiert werden.

"Wir machen das nicht, weil wir das wollen, aber aus geschäftlicher Sicht haben wir keine andere Wahl", sagt Andrew Jennings am Dienstagvormittag in der Essener Konzernzentrale. Hunderte Mitarbeiter, die auf Treppen und Emporen verteilt über zwei Etagen verteilt stehen, hören gespannt auf seine Worte.

Karstadt will 2000 Stellen abbauen, "um wettbewerbsfähig zu bleiben". (Foto: dpa)

Der Karstadt-Chef muss sich erklären. Das Unternehmen hatte am Montagabend mitgeteilt, 2000 der etwa 25 000 Stellen abbauen zu wollen - und das obwohl die Mitarbeiter in den vergangenenen Jahren bereits erhebliche Einbußen hingenommen haben. Karstadt war 2009 in die Insolvenz gerutscht und dann ein Jahr später von dem Investor Nicolas Berggruen übernommen worden. Mit dem zeitlich befristeten Verzicht auf Gehaltsbestandteile wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld hatten die Mitarbeiter 2010 einen Beitrag zum Erhalt des traditionsreichen Unternehmens geleistet.

Als Nicolas Berggruen im Juni 2010 den Kaufvertrag unterschrieb, erklärte er, er wolle an den Mieten sparen, aber nicht am Personal. Karstadt sei eine Kultmarke, die Angestellten ihr Kapital. Ein Jahr zuvor, nach der Insolvenz, waren von 59.000 Mitarbeitern des Karstadt-Quelle-Konzerns 34.000 entlassen worden. Die Gewerkschaft Verdi stellte sich 2010 auf die Seite von Berggruen. Auch die Beschäftigten waren begeistert, als nach langem Ringen Berggruen endgültig übernahm. Man könne wieder Ideen einbringen, es ginge vorwärts, schwärmten damals einige. Der neue Besitzer schien es leicht zu nehmen. Er sagte im Dezember 2010 in einem Interview, Karstadt sei keine große Herausforderung, er verstehe die ganze Aufregung nicht. Er wiederholte, er werde keine Häuser schließen und niemanden entlassen. "Wir halten alles, was wir angekündigt haben." Schon damals allerdings war klar: Der Entlassungsschutz sollte nur bis Herbst 2012 gelten.

Der entsprechende Sanierungstrarifvertrag läuft zum 1. September aus. Dann bekommen alle Mitarbeiter wieder ihr ursprüngliches Gehalt. Einer möglichen Verlängerung der Kürzungen hatte die Gewerkschaft Verdi eine Absage erteilt. Doch offenbar ist das Unternehmen der Ansicht, dass die Zeit der Einsparungen noch nicht vorbei ist.

"Das ist schmerzhaft", kommentierte Karstadt-Chef Andrew Jennings die angekündigten Streichungen. "Aber wir leiden nicht nur unter komplexen und ineffizienten Altstrukturen, sondern befinden uns auch im wirtschaftlich schwierigen Umfeld der Eurokrise." Der Abbau erfolge mit dem Ziel, Strukturen und Prozesse weiter zu straffen und zu vereinfachen, und zwar in der gesamten Organisation.

Selbstverständlich solle der Stellenabbau, wie in solchen Fällen üblich, "so sozialverträglich wie möglich erfolgen". So wolle man zum Beispiel Mitarbeiter für einen freiwilligen Austritt oder einen früheren Übergang in die Rente gewinnen sowie befristete Verträge nicht verlängern. Einzelheiten würden in Abstimmung mit den Betriebsräten festgelegt und voraussichtlich im Oktober bekanntgegeben. Derzeit hat Karstadt etwa 25.000 Beschäftigte, davon etwa 18.000 in Vollzeit.

Verdi hat den angekündigten Stellenabbau bei Karstadt scharf kritisiert. "Das ist ein völlig falsches Signal an die Belegschaft und die Kunden", sagte Sprecher Christoph Schmitz. Karstadt brauche motivierte und engagierte Mitarbeiter, auch für die nötige fachliche Beratung. Statt Stellen zu streichen, müssten Unternehmensführung und Investor Nicolas Berggruen mehr Geld in die Modernisierung investieren.

Die Gewerkschaft will nun abwarten, bis die Pläne des Unternehmens klar seien. Karstadt wolle die Beschäftigten am Dienstag über den Stellenabbau informieren, sagte Schmitz, zunächst hätten davon nur die Filialleiter erfahren. Da es sich bei den wegfallenden Jobs teilweise auch um Teilzeitkräfte handele, sind von dem jetzt angekündigten Abbau der 2000 Stellen laut Angaben des ZDF tatsächlich bis zu 3000 Mitarbeiter betroffen.

Karstadt will "näher an den Markt"

Karstadt selbst spricht von der "nächsten Phase der Neuausrichtung". Alte Strukturen und Prozesse würden gemäß der Unternehmensstrategie "Karstadt 2015" umgebaut. In zwei Phasen soll sich der Stellenabbau vollziehen. Jennings erklärt, sowohl das Management als auch Eigentümer Berggruen seien "fest entschlossen, Karstadt durch ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld zu steuern und bleiben dem Unternehmen langfristig verbunden".

Eine weitere Schließungswelle sei nicht zu befürchten, sagte Jennings der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Alle Häuser lieferten gegenwärtig einen positiven Ergebnisbeitrag. Auch ein Teilverkauf, etwa die Trennung von den Premiumfilialen, sei nicht geplant.

Der Konzern verspricht, dass er seinen Verwaltungsaufwand weiter verringern wird. Karstadt sei "ein Unternehmen im Wandel", heißt es in der Mitteilung der Firma. Man sei schon deutlich näher am Markt und könne das Geschäft entsprechend anpassen.

Seit die Berggruen Holdings den Karstadt-Verbund kauften, seien mehr als 160 Millionen Euro in Häuser, Technologie und Infrastruktur investiert worden. 24 Warenhäuser wurden bereits neu eröffnet, bis 2015 sollen sich insgesamt etwa 60 von 83 Häusern neu aufstellen. "Was ich sagen kann ist, dass wir gute Fortschritte machen. Wir sind auf dem richtigen Weg", so Jennings.

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/infu/kat/vgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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