Süddeutsche Zeitung

Gescheiterte PKW-Maut:Debakel kostet Steuerzahler mehr als 50 Millionen Euro

  • Allein die Vorbereitungskosten für die PKW-Maut liegen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums seit 2014 bei 53,6 Millionen Euro.
  • Der Europäische Gerichtshof hatte die für 2020 geplante Maut nach Klagen aus Nachbarländern gestoppt und sie als ausländerdiskriminierend eingestuft.
  • Im Etat des Bundesverkehrsministeriums klafft durch das Maut-Aus in den nächsten Jahren eine enorme Lücke. Es fehlen wichtige Einnahmen.

Von Markus Balser, Berlin

Das Scheitern der umstrittenen Pkw-Maut wird auch finanziell zum Fiasko. Allein die Vorbereitungskosten für die Abgabe liegen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums seit 2014 bei 53,6 Millionen Euro. Das geht aus einem Bericht an den Verkehrsausschuss des Bundestages hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Europäische Gerichtshof hatte die von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für 2020 geplante Einführung der Maut nach Klagen aus Nachbarländern gestoppt und sie als ausländerdiskriminierend eingestuft. Denn unter dem Strich hätten nur ausländische Fahrzeughalter die Maut zahlen müssen.

Die bereits verlorenen Gelder sind nur ein Teil der finanziellen Folgen des Debakels. Im Etat des Bundesverkehrsministeriums klafft durch das Maut-Aus in den nächsten Jahren eine enorme Lücke. Es fehlten wichtige Einnahmen für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, heißt es in dem Schreiben weiter. "Im Finanzplanungszeitraum war hierfür bisher zusätzlich rund eine Milliarde Euro veranschlagt." Der bisherige Planungszeitraum reichte bis 2023. Diese Einnahmen aus der Maut wollte der Bund für den Erhalt und Ausbau der Straßen ausgeben.

Das Verkehrsministerium geht nach der Entscheidung nicht mehr davon aus, die Maut in der geplanten Form doch noch durchsetzen zu können. Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, habe es sofort alle Arbeiten an der Einführung der Infrastrukturabgabe gestoppt, heißt es in dem von Staatssekretär Steffen Bilger verfassten Papier. Die erst im vergangenen Jahr geschlossenen Verträge mit dem österreichischen Mautsystem-Anbieter Kapsch und dem deutschen Ticketvermarkter Eventim seien noch am Tag des Urteils vergangene Woche gekündigt worden.

Als Konsequenz drohen möglicherweise auch Entschädigungen für die Betreiber. Das schließt auch das Ministerium nicht aus. Ob Entschädigungszahlungen fällig würden, sei rein "spekulativ", heißt es in dem Scheiben an die Abgeordneten. Wenn es Streitigkeiten gebe, sähen die Verträge Mechanismen für eine rasche Entscheidung vor. Auch im Streit um die verzögerte Einführung der Lkw-Maut war ein Schiedsverfahren vereinbart, das sich jedoch über weit mehr als zehn Jahre hinzog und Hunderte Millionen Euro an Verfahrens- und Anwaltskosten verschlang. Kapsch und Eventim hatten erklärt, für den Fall der Kündigung seien sie abgesichert. Verkehrsminister Scheuer lehnt eine Veröffentlichung der Verträge bislang ab. Abgeordnete sollen nur vertraulich in der sogenannten Geheimschutzstelle des Bundestages Einblick bekommen. Den Grünen und der FDP reicht das nicht. Die Opposition droht bereits mit einem Untersuchungsausschuss. Scheuer muss diesen Mittwoch im Parlament Rede und Antwort stehen.

Die Pkw-Maut war ein Prestigeprojekt der CSU, das von Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt angestoßen wurde. Sie war wegen der geringen Einnahmen von nur einigen Hundert Millionen Euro jährlich bei gleichzeitig großem Aufwand umstritten.

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SZ vom 26.06.2019/lüü
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