Milliardenfonds:Wie sich private Krankenversicherer am Klimaschutz beteiligen können

Milliardenfonds: Privat versichert? Das kann große Vorteile haben, deshalb stehen die Anbieter in der Kritik. Was aber, wenn sie nun etwas für den Klimaschutz tun würden?

Privat versichert? Das kann große Vorteile haben, deshalb stehen die Anbieter in der Kritik. Was aber, wenn sie nun etwas für den Klimaschutz tun würden?

(Foto: Uwe Umstätter/imago images)

Die privaten Krankenversicherer sind politisch immer wieder unter Druck. Nun hat ein führender Manager eine Idee.

Von Ilse Schlingensiepen, Köln

Die privaten Krankenversicherer (PKV) in Deutschland gehören zu den bedrohten Arten. Eine private Kranken-Vollversicherung nur für besserverdienende Angestellte, Beamte und Selbstständige, die neben einem gesetzlichen Versicherungssystem für den Rest der Bevölkerung steht - so etwas ist weltweit sehr selten.

Es führt auch immer wieder zu politischem Druck. Das System riecht nach Zweiklassenmedizin. Selbst wenn das bei den eigentlichen Behandlungen selten zutrifft: Viele der rund 73 Millionen Kassenpatienten ärgern sich kolossal, wenn sie beim Facharzt drei Monate auf einen Termin warten müssen, während die knapp neun Millionen Vollversicherten binnen weniger Tage drankommen, weil der Arzt mit ihnen höhere Einnahmen erzielt.

SPD, Grüne und Linke wollen die Abschaffung der PKV als Vollversicherung. Alle Einwohner sollen Mitglied der Bürgerversicherung werden, wer will, kann bei den Privaten Zusatzdeckungen kaufen. Die PKV verdankt es der FDP, dass für sie ein Bestandschutz im Koalitionsvertrag der Ampel steht. Dennoch - der Druck wird nicht verschwinden, sondern eher stärker. SPD und großen Teilen der Grünen ist die Kapitaldeckung in der Kranken- und Pflegeversicherung suspekt.

Die Versicherungskammer in München ist mit zwei Krankenversicherern tätig, der Bayerischen Beamtenkrankenkasse und der bundesweit tätigen Union Krankenversicherung. Zusammen sind sie mit 2,7 Milliarden Euro Umsatz die Nummer sechs im Markt.

Gut möglich, dass sich mit Staatsfinanzen allein die Klimaziele nicht erreichen lassen

Versicherungskammer-Vorstand Andreas Kolb glaubt, einen Weg gefunden zu haben, wie die Branche den Parteien die Kapitaldeckung schmackhafter machen kann. Die Investitionen der Branche könnten entscheidend zur Förderung des Klimaschutzes und der Dekarbonisierung genutzt werden, sagt Kolb im Interview mit der SZ. Denn es sei ganz klar, dass die Staatsfinanzen nicht ausreichen, um die hochgesteckten Klimaziele zu erreichen.

Die Politik müsse in der Kapitaldeckung nicht immer nur den Widerspruch zum Sozialsystem sehen, findet Kolb. "Man kann mit dem Geld auch etwas für die Gesellschaft tun." Die Überlegungen stünden noch am Anfang. "Vorstellbar wäre, dass ein Teil der Kapitalanlagen in der Vollversicherung und der Zusatzversicherung in eine Art Klimafonds fließt", erläutert Kolb. "Mit einem solchen Ansatz könnte man eine doppelte Rendite für die kommenden Generationen erzielen: auf der einen Seite der Aufbau einer Vorsorge fürs Alter und auf der anderen Seite eine schnellere, wirksame Finanzierung des Klimaschutzes."

Milliardenfonds: Wenn ein Teil der Kapitalanlagen in eine Art Klimafonds fließt, dann könne man so eine "doppelte Rendite für kommende Generationen erzielen", sagt Versicherungskammer-Vorstand Andreas Kolb.

Wenn ein Teil der Kapitalanlagen in eine Art Klimafonds fließt, dann könne man so eine "doppelte Rendite für kommende Generationen erzielen", sagt Versicherungskammer-Vorstand Andreas Kolb.

(Foto: Mareen Fischinger/imago images)

Allerdings: Das Risiko daraus will die PKV nicht allein tragen, staatliche Garantien sind nötig. Denn laut Kolb müsse ein solcher Fonds oder Anlagestock bis zu einem gewissen Grad besichert sein. "Wir dürfen mit den Alterungsrückstellungen nicht spielen." In der PKV wird ein Teil der Prämien für den Aufbau von Alterungsrückstellungen verwendet. Sie dienen dazu, die wegen der steigenden Gesundheitskosten im Alter sonst nötigen Prämiensteigerungen abzufedern. Branchenweit beliefen sich die Alterungsrückstellungen Ende 2021 auf stolze 302 Milliarden Euro.

Selbst mit einem Teil könnte man beim Klimaschutz schon etwas anfangen. Und dann könnte die Branche argumentieren, dass mit der Abschaffung der PKV auch der Klimaschutz geschädigt würde.

Vorstellbar wäre für Kolb eine Besicherung der Investitionen durch die Förderbank KfW. "Man könnte das Thema in Gespräche mit der Politik einbringen und den Veränderungswillen der PKV zeigen und die Bereitschaft, mitzuwirken."

Er hofft auf Dialogbereitschaft der Politik, gerade auch von Seiten des SPD-geführten Bundesgesundheitsministeriums. Minister Karl Lauterbach ist ein erklärter Gegner der PKV. Aber das schreckt Kolb nicht ab. "Wir müssen gemeinsam nach Lösungen suchen, nicht dogmatisch vorgehen, sondern aus dem, was wir haben, etwas Besseres machen."

Das gilt nicht nur für den PKV-Klimafonds, sondern auch für Politikbereiche wie die Prävention: Kolb begrüßt ausdrücklich, dass sich die Ampel-Koalition den Ausbau der Vorsorge auf die Fahnen geschrieben hat. "Wir wünschen uns, dass dies mit Einbeziehung der PKV erfolgt."

In der Vergangenheit lag das Problem der Privaten darin, dass die dem SPD-Finanzministerium unterstellte Aufsichtsbehörde BaFin die Finanzierung von Präventionsleistungen durch die PKV kritisch gesehen hat. "Die BaFin hat den Begriff der Krankheitskosten sehr eng ausgelegt", erläutert Kolb. Investitionen in Prävention habe sie als Werbemaßnahmen der Versicherer betrachtet.

Auch bei wichtigen gesundheitspolitischen Themen wie der Digitalisierung und der Verbesserung der Versorgungsstrukturen wolle und könne sich die PKV im Gesamtsystem einbringen, sagt Kolb. "Wir müssen gemeinsam an der Effizienz des Gesundheitswesens arbeiten."

Der Manager sieht die PKV vorne bei Innovationen. Im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen setzt er auf Zusammenarbeit statt Konfrontation. "Wir müssen die Kräfte stärker bündeln, partnerschaftlich auftreten und Berührungsängste abbauen."

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