Pipers Welt :Trump besänftigen

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An dieser Stelle schreibt jeden zweiten Freitag Nikolaus Piper. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Das Defizit im deutsch-amerikanischen Handel ist ökonomisch irrelevant, auch wenn sich der US-amerikanische Präsident darüber ereifert. Trotzdem könnte Deutschland etwas tun, um seine Überschüsse in der Leistungsbilanz zu verringern.

Von Nikolaus Piper

Zu den vielen Dingen, die Donald Trump nicht mag, gehört Deutschland. Das liegt daran, so sagen Experten, dass die Deutschen Angela Merkel mit ihrer entnervend nüchternen Art zur Kanzlerin gewählt haben, dass sie zu wenig für ihre Verteidigung ausgeben und, das Wichtigste, dass sie jede Menge Autos von BMW, Mercedes, Porsche und VW in Amerika verkaufen, sich aber weigern, im gleichen Umfang Chevrolets, Cadillacs und Ford Mustangs made in the U.S. zu importieren, was dort Arbeitsplätze kostet.

Kaum ein Ökonom außerhalb des Weißen Hauses teilt Trumps Glauben, dass Defizite im Handel mit Waren und Dienstleistungen zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. (Im vergangenen Jahr ist das Defizit in der amerikanischen Leistungsbilanz von 449 auf 488 Milliarden Dollar gestiegen; gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.) Aber das Wissen über diese Zusammenhänge hilft nicht viel weiter. Trump ist nun mal Präsident und hat die Macht, nach seinen falschen Vorstellungen zu handeln. Derzeit erschüttert sein Handelskrieg mit China die Weltwirtschaft, die deutschen Autobauer haben noch eine Galgenfrist bekommen. Aber man darf sich nichts vormachen. Trump will das Defizit der USA im transatlantischen Handel abbauen, koste es, was es wolle. Damit ist Deutschland mit seinem bisher so erfolgreichen Modell des "Exportweltmeisters" äußerst verletzlich geworden. Es ist also keine schlechte Idee, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Das bedeutet einerseits Vergeltungsmaßnahmen einzuleiten, wenn die USA tatsächlich mit weiteren Strafzöllen kommen. Andererseits geht es aber auch darum, Deutschland und sein Wirtschaftsmodell abzusichern. Die Frage ist: Kann man Trump besänftigen, ohne gleichzeitig Unvernunft auch noch zu belohnen und/oder an anderer Stelle Schaden anzurichten?

Klar ist zunächst einmal, dass das Defizit der Amerikaner im Güterhandel mit den Deutschen für sich bedeutungslos ist, so wie alle bilateralen Überschüsse und Defizite. Man kann sich das klarmachen anhand einer Analogie aus dem Privatleben: Frau Müller lebt in München, hat einen Job bei Siemens und kauft ihre Lebensmittel beim Edeka um die Ecke. Ihre persönliche Leistungsbilanz mit Siemens ist immer im Überschuss: Sie verkauft ihre Arbeitskraft, bezieht von Ihrem Arbeitgeber aber keine Waren, warum auch? Umgekehrt ist ihre Leistungsbilanz mit Edeka immer im Defizit, weil sie dort zwar Milch, Käse und Tomaten kauft, aber selbst nichts zu verkaufen hat. Frau Müller käme aber niemals auf die Idee, sich über ihr Defizit beim Edeka zu beschweren. Man kann das Beispiel problemlos auf den internationalen Handel übertragen. Das moderne Handelssystem zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass ein Land dem anderen Waren verkaufen kann, ohne sich darum kümmern zu müssen, wie viel der Handelspartner umgekehrt kauft. Im Sozialismus war das übrigens anders, da waren ausgeglichene Austauschbilanzen zwingend, das Ergebnis hat man spätestens 1989 gesehen.

Nun erwirtschaftet Deutschland aber nicht nur mit den USA einen Überschuss, sondern mit fast dem gesamten Rest der Welt. Umgerechnet 294 Milliarden Dollar betrug der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz 2018. Er ist mit Abstand der größte der Welt und macht 7,4 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Das Problem liegt darin, dass diesem Überschuss irgendwo in der Welt Defizite gegenüberstehen müssen. Dabei ist das der Vereinigten Staaten noch die geringste Sorge, das Land ist heute fast unbegrenzt kreditwürdig, wie man am Kurs amerikanischer Staatsanleihen ablesen kann. Aber es gibt Länder, bei denen das anders ist und bei denen die deutschen Überschüsse indirekt Krisen auslösen könnten.

Der Schlüssel zu den Ungleichgewichten liegt bei den Ersparnissen

Was genau die Ursachen der Krise sind, ist im Einzelfall schwer nachzuweisen. Der Zusammenhang reicht aber, dass die EU-Kommission erklärt, Überschüsse von mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung seien nicht nachhaltig. Es gäbe daher gute Gründe, die Überschüsse zu senken, und sei es nur mit dem Zweck, sich weniger angreifbar zu machen und angesichts neuer Attacken gegenüber Freunden in Europa guten Willen zu zeigen.

Aber wie macht man das? Man könnte doch, so sagen viele, einfach die Löhne erhöhen. Dann hätten die Deutschen mehr Geld, um ausländische Waren zu kaufen und alles wird gut. Die Theorie ist - verständlicherweise - sehr beliebt, mit ihr gibt es nur ein Problem: Die Löhne sind bereits kräftig gestiegen. Der Anteil der Löhne an der Wirtschaftsleistung ("Lohnquote") liegt heute bei 69 Prozent - so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Überschüsse hat dies nicht zum Verschwinden gebracht.

Tatsächlich liegt der Schlüssel zu den Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz nicht bei den Löhnen, sondern bei den Ersparnissen. Die Deutschen sparen wesentlich mehr als andere Nationen und sie tun dies mit gutem Grund, wie der Ökonom Timo Wollmershäuser vom Münchner Ifo-Institut versichert: Sie bereiten sich auf die Verhältnisse in einer alternden Gesellschaft vor, indem sie Vermögen bilden. Die Sparquote der privaten Haushalte liegt bei mehr als zehn Prozent (USA: sieben Prozent). Der Staat spart, indem er Schulden abbaut. Das alles ist sehr rational. Doch vielleicht hat es der Staat dabei etwas übertrieben. Die Finanzminister sollten zwar die Schuldenbremse beibehalten, aber sich von der "schwarzen Null" verabschieden, sagt Wollmershäuser. Das würde Spielraum in den Haushalten schaffen für mehr Investitionen oder Steuersenkungen - und auch für einen Rückgang der Überschüsse. Ob dies dann den amerikanischen Präsidenten beruhigen würde, ist eine ganz andere Frage.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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