Pipers Welt:Aufschwung der Flüchtlinge

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Helfen Flüchtlinge der Wirtschaft oder schaden sie? Das ist nicht nur eine Frage der Einstellung, es gibt darauf auch klare Antworten.

Von Nikolaus Piper

Mit der Ökonomie und den Flüchtlingen ist es so: Wer Angst hat, der erwartet, dass die Syrer uns Wohlstand kosten. Wer dagegen sein Schild "Refugees Welcome" hochhält, der glaubt womöglich, dass die Flüchtlinge Wohlstand bringen werden. Apokalyptiker gegen Optimisten - wer hat recht? Zum Glück gibt hier die Standardökonomie ziemlich verlässliche Antworten.

Am einfachsten ist dabei der Fall, dass ein Flüchtling einen freien Arbeitsplatz besetzt. Dann produziert er, fragt Güter nach und erhöht so das Bruttoinlandsprodukt. Je mehr Menschen in Arbeit kommen, desto besser. Klar ist aber auch, dass dies anfangs nur ein sehr kleiner Teil der Flüchtlinge schaffen wird.

Viel wichtiger ist daher aus ökonomischer Sicht die große Mehrheit der Flüchtlinge, die (noch) nicht arbeiten können oder dürfen und daher von Hartz IV oder anderen Sozialleistungen leben müssen. Hier hängt alles davon ab, wie der Staat die Ausgaben finanziert. Eine Faustregel: Schichtet der Staat die Kosten im Haushalt um, streicht er also zum Beispiel Kita-Plätze für Flüchtlingsheime, dann ist das konjunkturpolitisch neutral. Erhöht er Steuern oder den Soli, kostete dies Wachstum. Finanzieren Bund, Länder und Gemeinden die neuen Ausgaben durch neue Schulden, dann wirkt das wie ein Konjunkturprogramm. Mehr Wachstum und Beschäftigung wären die Folgen.

(Foto: N/A)

Gegenwärtig scheint es, als hätten die Politiker keine der drei Möglichkeiten gewählt, weder gibt es neue Schulden, noch neue Steuern, noch größere Umschichtungen. Doch das scheint eben nur so. Tatsächlich spart der deutsche Staat weniger als im Vorjahr. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts sinkt der Einnahmeüberschuss von Bund, Ländern und Gemeinden 2016 als Folge der Flüchtlingskrise um 19 Milliarden Euro. Der Staat baut also seine Schulden langsamer ab als vorgesehen. Der Verzicht auf geplante Ersparnisse wirkt jedoch wie Neuverschuldung. Daher wird laut Ifo das Wachstum im nächsten Jahr von 1,8 auf 1,9 Prozent steigen. So gesehen stärken die Flüchtlinge tatsächlich den Aufschwung.

Das aber ist eine schöne Illusion. Nicht die Flüchtlinge schaffen den Aufschwung, der deutsche Staat schafft ihn durch den Einsatz seiner Reserven. Und das geht nur eine Zeit lang gut. Tatsächlich wird es nach 2017 kaum noch Einnahmeüberschüsse zum Verteilen geben. Dann müssen sich Wolfgang Schäuble (oder sein Nachfolger) und die Kollegen in den Ländern neu verschulden, wenn sie weiter schmerzfrei die Flüchtlingshilfe finanzieren wollen. Dementgegen stehen aber die Schuldenbremse im Grundgesetz, die Regeln des Euro und die Angst der Öffentlichkeit vor zu hohen Schulden. Irgendwann müssen alle auf Konsolidierung schalten und so den Flüchtlings-Aufschwung abrupt beenden.

Das hat es schon einmal gegeben, und zwar nach der Wiedervereinigung vor 25 Jahren. Die Kosten der Einheit hatte der damalige Finanzminister Theo Waigel anfangs wesentlich über neue Schulden finanziert - zu Recht angesichts der historischen Dimension der Aufgabe. Das Ergebnis war ein Boom mit Wachstumsraten von über fünf Prozent. Als Waigel dann die Konsolidierung einleitete, war das Ergebnis eine Rezession.

Auch die derzeitige, so bequeme Art der Flüchtlingsfinanzierung wird über kurz oder lang an eine Grenze stoßen. Wie schnell die erreicht sein wird, hängt auch davon ab, wie viele Flüchtlinge noch kommen und wie schnell sie ihren Weg in den Arbeitsmarkt finden. Es wäre daher keine schlechte Idee, sich für schwierige Zeiten zu wappnen.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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