Pilotprojekt:Job mit Herzblut

Mehr Lehrverträge im Handwerk

Die Initiative „Experiencing Europe“ fördert arbeitssuchende junge Erwachsene durch die Vermittlung internationaler Praktika.

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Eine Initiative ermöglicht jungen Arbeitslosen aus EU-Ländern Praktika. Dabei geht es um Berufsperspektiven, es soll aber auch die Begeisterung für Europa geweckt werden.

Von Andrea Rexer

Eine Starkstromleitung verlegen, das können nicht viele. Der 24-jährige Kevin Pape gehört jetzt dazu. Wenn er erzählt, was er alles in seinem Praktikum in Rumänien und Ungarn gelernt hat, strahlt er über das ganze Gesicht. Für ihn waren die vier Wochen in Osteuropa einzigartig: zuvor war er arbeitslos, jetzt hat er nicht nur eine Ausbildungsstelle, sondern hat zwei Länder kennen gelernt, die viele andere in seinem Alter bestenfalls aus den Nachrichten kennen. Pape ist Teilnehmer eines Pilotprojekts der Initiative "Experiencing Europe", die 30 Frauen aus den Führungsetagen verschiedener deutscher Unternehmen ins Leben gerufen haben.

Die Initiative ermöglicht jungen Arbeitslosen Praktika in anderen EU-Ländern. "Ziel ist es, jungen Arbeitslosen nicht nur neue Jobperspektiven zu bieten, sondern sie für Europa zu begeistern", sagt Ariane Reinhart, Personalvorständin beim Autozulieferer Continental. "Ein friedlich vereintes Europa ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr", so Reinhart. Deswegen wollten die Managerinnen aktiv werden. Continental hat im Sommer das Pilotprojekt mit 30 jungen Arbeitssuchenden durchgeführt.

BA-Chef Detlef Scheele glaubt, dass Jugendliche so einen Startvorteil bekommen

Die Erfahrungen waren so positiv, dass die Initiative jetzt in die nächste Runde gehen kann. Jetzt können sich auch andere Unternehmen am Projekt beteiligen - und zwar mit politischer Rückendeckung: Die Arbeitsagentur unterstützt Experiencing Europe und hilft bei der Vorauswahl der Praktikanten. "Es ist eine Möglichkeit, junge Leute, die es nicht leicht auf dem Ausbildungsstellenmarkt haben, zu unterstützen und gleichzeitig den europäischen Gedanken zu befördern", begründet der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, die Unterstützung der Behörde. Er glaubt, dass Jugendliche, die das Programm durchlaufen haben, einen "gewissen Startvorteil" bekommen. Denn Erfahrungen im Ausland vorweisen zu können, sei in der Zielgruppe etwas Besonderes.

Die Strategieentwicklung und Projektsteuerung von Experiencing Europe hat die Beratungsfirma Oliver Wyman übernommen. Deren Deutschland-Chefin Finja Kütz wirbt jetzt gemeinsam mit BA-Chef Detlef Scheele und Ariane Reinhart dafür, dass weitere Unternehmen Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Im nächsten Jahr wird es drei Praktikumsrunden geben: die erste im Januar, die zweite im April und die dritte im November. Die Daten sind abgestimmt auf das Ausbildungsjahr.

Besonders interessant ist Experiencing Europe für Unternehmen, die in anderen EU-Ländern Niederlassungen haben. Kevin Pape hat zwei Wochen bei Conti in Budapest und zwei Wochen bei Conti in Sibiu mitgearbeitet, einmal hat er bei der Qualitätskontrolle mitgearbeitet, einmal im Facility Management, also der Gebäudeverwaltung. "So anders ist das dort gar nicht wie bei uns", sagt er. Kevin schwärmt davon, wie freundlich alle zu ihm waren, erzählt, wie der Chef das gesamte Team mit zu einem Open-Air-Konzert genommen habe, wie gut ihm die Mitarbeiter erklärt haben, was zu tun ist. Mal auf deutsch, mal auf englisch. Bis heute hat er Kontakt zu Freunden, die er dort kennen gelernt hat.

"In Gastfamilien tauchen die Teilnehmer viel tiefer in den Alltag ein."

Untergebracht werden die Praktikanten soweit es möglich ist in Familien der Mitarbeiter. "Wir möchten Europa wirklich erlebbar machen. In Gastfamilien tauchen die Teilnehmer viel tiefer in den Alltag ein", sagt Kütz. "Junge Menschen ohne Beruf und Ausbildung konnten den Mehrwert, den Europa ihnen bieten kann, häufig noch nicht erfahren. Die positiven Erlebnisse im Praktikum ändern ihr Europabild und bewegen womöglich zu mehr Offenheit und Toleranz gegenüber einer anderen Kultur", fügt die Beratungschefin hinzu. Indem die Teilnehmer über Soziale Medien ihre Freunde von den Erfahrungen berichten, könnte dieser Effekt auf andere junge Menschen ausgeweitet werden, hoffen die Initiatoren.

Die Jugendlichen sind jedoch nur die eine Seite des Programms - die Wirkung auf die eigenen Mitarbeiter ist die andere. "Es war überwältigend zu sehen, mit wie viel Herzblut sich unsere Mitarbeiter für das Pilotprojekt engagiert haben", berichtet Conti-Personalchefin Reinhart. Auch die Bundesagentur sieht Vorteile auf beiden Seiten: "Wir wissen, dass Interkulturalität für die Unternehmen stetig wichtiger wird. Menschen unterschiedlicher Nationalitäten arbeiten in den Unternehmen, oder das Unternehmen kooperiert international. Da ist es immer gut, wenn jemand einige Wochen im Ausland gearbeitet hat", so Arbeitsagentur-Chef Scheele.

Für Kevin Pape hat sich die Teilnahme ausgezahlt: er hat eine Ausbildungsstelle als KfZ-Mechatroniker bei einer Conti-Tochter bekommen. Dass er dafür von Hannover nach Dresden umziehen musste, hätte manch andere vielleicht abgeschreckt, für Pape ist es nach den Erfahrungen im Sommer nicht mal der Rede wert.

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