Piloten-Streik bei der Lufthansa:Umstrittener Held der Lüfte

Lesezeit: 3 min

Wenn die Piloten der Lufthansa von Montag an wirklich ihren verheerenden viertägigen Streik beginnen, dann gibt es dafür nur einen Grund: Und der heißt Thomas von Sturm.

Jens Flottau, Frankfurt

Was Thomas von Sturm angeht, so gibt es zwei Lager: Die einen vergöttern und verklären ihn als denjenigen, der ihre Interessen gegen die "da oben" endlich mit Macht durchsetzt. Die anderen hassen ihn geradezu, weil er so rücksichtslos, radikal und dabei scheinbar emotionslos für die Interessen seiner Berufsgruppe kämpft.

Thomas von Sturm führt die Konzerntarifkommission. (Foto: Foto: Vereinigung Cockpit e. V.)

Wenn die Piloten der Lufthansa von Montag an wirklich ihren verheerenden viertägigen Streik beginnen, dann gibt es dafür nur einen Grund: Und der heißt Thomas von Sturm. Kein anderer in der sonst eher farblosen Führung der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) wäre in der Lage gewesen, seine Leute so gegen die Lufthansa aufzubringen wie der Leiter der Konzerntarifkommission.

Ein Trauma für die Lufthansa-Chefs

Von Sturm ist charismatisch, ziemlich eloquent und den meisten Mitstreitern intellektuell weit überlegen. "Schade nur, dass er seine Fähigkeiten nicht für alle Piloten einsetzt", sagt ein langjähriger Bekannter. Wenn die Lufthansa-Crews ihre Stellung zementieren, leiden darunter indirekt die Kollegen bei Eurowings und CityLine.

Der 49-Jährige ist für die beiden letzten Lufthansa-Chefs Jürgen Weber (jetzt Aufsichtsratschef) und Wolfgang Mayrhuber längst zum Trauma geworden. 2001, damals stand der heutige Boeing-747-Kapitän als Präsident an der Spitze der VC, orchestrierte er den letzten großen Streik, in dem er nie dagewesene Gehaltszuwächse durchsetzte. Seither ist das Verhältnis zwischen Management und Piloten hinüber. Und von Sturm selbst hat das zu spüren bekommen: Im Aufsichtsrat, in dem er als Arbeitnehmervertreter bis 2008 saß, hat ihn der impulsive Jürgen Weber immer wieder angeschrien, so erzählen Insider.

Er werde ihm nur die Informationen geben, die ihm gesetzlich zustehen, habe Weber ihm zugerufen, heißt es. Die anderen Kollegen in dem Gremium wie Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel würdigten ihn sowieso keines Blickes. Am Ende war von Sturm selbst mürbe geworden, heißt es, und er beschränkte sich eine Weile auf das Fliegen.

"Notwendige Revolte"

Gut ein Jahr lang verschwand der Mann von der großen Bühne. Bei der VC übernahm sein ehemaliger Vize Tim Würfel den Chefposten. Bis Anfang vergangenen Jahres versuchte der, das Verhältnis zur Lufthansa zu reparieren und gleichzeitig über Kompromisse die langjährigen Streitthemen zu lösen. So hätten sich VC und Lufthansa vor einem Jahr fast geeinigt, wer die Embraer-Regionaljets fliegen darf. Doch dazu kam es dann doch nicht mehr.

Von Sturm und einige Mitglieder der Konzerntarifkommission schrieben einen offenen Brief an Würfel, der den alten Vorstand demontierte. Die Neuwahlen verloren Würfel und seine Leute haushoch. Von Sturm ließ sich zum Leiter der Tarifkommission wählen, VC-Präsident wurde mit Winfried Streicher ein Vertrauter, der allerdings bislang noch kein einziges Mal öffentlich in Erscheinung getreten ist. Auch jetzt überlässt er von Sturm den öffentlichen Auftritt. In aller Seelenruhe beschreibt von Sturm den damaligen Streit. Die Revolte sei "notwendig gewesen", weil die Tarifkommission übergangen worden sei.

Der Kompromiss mit der Lufthansa sei nicht machbar gewesen, weil dabei die Pensionsansprüche der Lufthansa-Piloten gefährdet worden wären. Die Einigung hatte vorgesehen, das sowohl die Crews der Lufthansa als auch die Tochter CityLine die Embraer-Jets fliegen.

"Lebenslüge des Thomas von Sturm"

Die Sache mit den Pensionsansprüchen bezeichnen selbst Weggefährten als "Lebenslüge des Thomas von Sturm", der in den Internetforen einfach nur TvS heißt. Es sei ausgeschlossen, dass er selbst jemals daran geglaubt habe. Er habe das Thema Pensionen lediglich dazu genutzt, um Ängste zu schüren und damit den internen Machtkampf zu gewinnen.

Nur ein paar hundert Piloten genügen, um an einem beliebigen Tag den Konzern lahmzulegen. Piloten seien in der privilegierten Lage, ohne Rücksicht auf Verluste für ihre Interessen zu kämpfen, weil sie hinterher keine beruflichen Nachteile zu befürchten haben, erklärte von Sturm jüngst in kleiner Runde.

Piloten sind über Senioritätslisten abgesichert, die die Beförderung auf das nächstgrößere Flugzeug regeln. In anderen Berufsgruppen müssten die Mitarbeiter viel mehr Repressalien des Managements fürchten, so dass sie sich aus Rücksicht auf die Karriere im Zweifel lieber ducken.

Von Sturm hat seine als machtvoll und sicher empfundene Stellung aber nicht nur genutzt, um die Interessen der Piloten durchzusetzen. Unter den Kollegen gelten auch seine Auftritte beim Lufthansa-Management als legendär. "Ich bin in den Diskussionen mit dem Lufthansa-Vorstand immer ruhig und sachlich geblieben", erzählt er. "Das hat die Gegenseite immer noch mehr auf die Palme gebracht."

© SZ vom 19.02.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: