Wie sehr Ferdinand Piëch sein Unternehmen geprägt hat, war jüngst nachzulesen in einem Glossar, das im Zuge der Untersuchungen zum Dieselskandal ans Licht kam. Ein Audi-Ingenieur berichtet darin, wie es lange Zeit zuging bei den Testfahrten der Autos aus dem Volkswagen-Imperium: So groß war die Furcht vor dem Urteil der Manager, Ferdinand Piëchs wie seines obersten Angestellten Martin Winterkorn, dass man sich einen eigenen Sprech ausdachte, um das Donnerwetter abzuwenden. "Dem gehen wir gezielt nach", bedeutete etwa: Da haben wir noch nicht mal einen vagen Ansatz.
Es ist ein besonders anschauliches Beispiel für die Kultur im Hause Volkswagen. Tatsächlich lief und läuft es in vielen Firmen ähnlich, wenn auch weniger prominent. Das System Piëch war über viele Jahre Archetyp für eine Managergeneration, die extra penibel hinschaute und die deutsche Industrie auf diese Weise zum Erfolg führte. Solche Chefs, allen voran eben Piëch bei VW, wussten alles besser, mitunter stimmte das auch. Aber sie machten das brutal: Hier gefällt etwas nicht? Versetzt! Eine Folge dieser Führung war bei den Untergebenen eine Kultur des Perfekt-sein-wollens um jeden Preis, auch zum Preis der Unredlichkeit, wenn es nicht klappt. Der Diesel-Skandal konnte in diesem Klima seinen Lauf nehmen.

Tod von Ferdinand Piëch:Ein bisschen Luxus darf's schon sein
Als Auto-Manager ließ Ferdinand Piëch Sportwagen entwickeln, kaufte Luxusmarken auf - aber fuhr auch mal im Ein-Liter-Auto nach Hamburg.
Für Volkswagen war es insofern sicherlich gut, dass Piëch vor vier Jahren seine Ämter aufgab, vor zwei Jahren dann seine Anteile verkaufte und aus seinem Unternehmen schied. Er konnte nun nicht mehr hineinregieren, orakelhaft, rücklings, genial, manchmal verbessernd, manchmal auch angstverbreitend.
Was sie nie vorgelebt bekamen, eignen sich Mitarbeiter sehr schwer an
Aber nur weil diese Generation nicht mehr herrscht, sind solche Probleme nicht obsolet. Zum einen klingt ein Führungsstil nach. Zur Erinnerung im Falle Volkswagen: Piëch war schon nicht mehr im Aufsichtsrat, als der Dieselskandal im September 2015 aufflog. Scheibchenweise erfolgte das Aufklären, immer wieder mussten interne Ermittler oder der von der US-Justiz entsandte Kontrolleur anmahnen, dass es nicht nur ums Autobauen gehe, sondern auch um "Integrität", also Ehrlichkeit und Offenheit. Was sie nie vorgelebt bekamen, eignen sich die Mitarbeiter eben sehr schwer an - und im Gegenzug bleiben die schlechten Angewohnheiten lange haften, über Jahre. Das zu ändern ist mühsam und zeitaufwendig.
Andererseits kann solch ein ungesundes Klima des Drucks immer noch entstehen. Dazu braucht es keine Leitenden mit derart vollumfänglichen Befugnissen, wie sie etwa Piëch in seiner aktiven Zeit hatte. Immer noch führen etliche Manager über Angst, Druck und Unklarheit. In so vielen Firmen, nicht nur der Autoindustrie, prägen deshalb immer noch Furcht und daraus folgend Buckelei die Kultur. Stattdessen bräuchte es Freude am Diskutieren: Widerworte zuzulassen, sollte eine Managementtugend sein.
Es gibt weiterhin zu viele Manager, die gern alles ganz genau wissen wollen, wenig vertrauen, Fehler nicht verzeihen - und oft haben sie nicht mal die Kompetenz der großen alten Manager, die so manches rechtfertigen würde. Dieses Selbstverständnis sät üble Laune, hemmt die Kreativität und bringt Firmen letztlich in Schwierigkeiten. Denn die Welt ist viel zu komplex geworden, als dass Alleinherrscher Erfolg haben könnten. Zum Beispiel die Autoindustrie: Bis vor zehn Jahren konnte ein Chef noch alles im Detail verstehen, wenn er denn Verbrennermotoren verstand. Doch heutzutage sind da noch die Elektrochemie, Millionen an Softwarezeilen, Start-ups und Kunden, die Autos gar nicht mehr so mögen. Zu viel für einen Patriarchen.
Wenn sich also die Wirtschaftselite nun an große Manager wie Piëch erinnert, gilt es ihre Leistungen in den Blick zu nehmen, die Leidenschaft, die Akkuratesse, das Wissen, das man aus guten Gründen respektieren kann. Aber darüber darf man nicht vergessen: So bitte nicht mehr.