Wer einen kranken Angehörigen zu Hause betreut, muss auf vieles verzichten. Nicht allein auf Gehalt, Karriere, Kollegen und Freizeit. Auch auf Rente. Meist sind es Frauen, die zwei Drittel der über 2,9 Millionen Pflegebedürftigen daheim versorgen - und sich jahrelang im Verzicht üben. "Wer heute pflegt, ist morgen arm", gibt Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz zu bedenken. Die Pflegereform zu Jahresbeginn sollte Besserung bringen. Jetzt haben mehr ehrenamtlich Pflegende die Chance auf einen Rentenzuschlag. Ein einheitliches Plus, wie bei Kindererziehungszeiten üblich, gibt es aber nicht, wie Olaf Christen vom Sozialverband VdK in Berlin kritisiert. Die Gutschrift ist vielmehr gestaffelt: Je höher die Pflegebelastung, desto mehr Geld gibt es. Wer schon in Rente ist und pflegt, bekommt keinen Cent Belohnung. Ein Überblick:
Das gilt:
Weil die vielen pflegenden Ehefrauen, Töchter, Schwiegertöchter und Enkelinnen vor allem auch finanzielle Einbußen in Kauf nehmen, haben sie seit 1995 einen Rentenanspruch. Der Staat zählt ihre ehrenamtliche Pflege bei der Rente wie Erwerbsarbeit und vergibt dafür Rentenpunkte. Zur Orientierung: Ein Arbeitnehmer bekommt genau einen Rentenpunkt, wenn er ein Jahr zum durchschnittlichen Bruttogehalt sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Die Beiträge zur Rentenversicherung übernimmt die Pflegekasse oder die private Pflegeversicherung des Kranken. Die Betreuungskraft zahlt nichts. Das Pflegerentenplus gibt es ungekürzt zu sonstigen Rentenansprüchen aus einem Job. Teilen sich Angehörige die Pflege, fließen Versicherungsbeiträge anteilig.
Das ist neu:
Mit Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II hat der Gesetzgeber die Hürde für die Pflegerente abgesenkt. Waren es bisher mindestens 14 Stunden, die sich Pflegende regelmäßig um einen oder mehrere Kranken kümmern mussten, sind es seit 2017 nur noch zehn, verteilt auf wenigstens zwei Tage die Woche. "Das ist durchaus ein Gewinn", betont VdK-Experte Christen. Wenigstens hätten jetzt mehr Menschen als bisher die Chance, die Hürde zum Rentenanspruch zu überspringen. "Die Pflegenden bekommen aber deutlich zu wenig", betont Verena Querling, Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Ein Jahr Pflege kann die Altersrente lediglich um Beträge von 5,22 bis maximal 29,30 Euro im Monat aufpeppen. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, die Gefahr der Altersarmut wird damit nicht bekämpft", kritisiert Christen. Wirklich hilfreich sei es nur für all diejenigen, die Lücken bei ihrer Rentenanwartschaft auffüllen müssen.
Weitere Hürden:
Unverändert gilt die Vorgabe, dass die Pflegeperson in einem Job neben der Pflege nicht mehr als 30 Stunden arbeiten darf. Der Kranke muss zudem daheim betreut werden und in die Pflegegrade 2 bis 5 eingestuft sein. Damit der Rentenanspruch klar geht, müssen Pflegende ihn bei der Pflegekasse des Kranken anmelden. Und dafür den "Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen" ausfüllen. Die Pflegekasse prüft, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind. "Das geht in aller Regel reibungslos", erklärt Christen.
Diese Personen gehen leer aus:
Wer schon selbst im Ruhestand ist, hat nach wie vor keinen Anspruch, seine Altersrente durch die Pflege aufzustocken. "Leider betrifft das einen Großteil der Pflegepersonen, nämlich alle älteren Menschen", kritisiert Christen. "Das ist nicht gerecht." Betreut etwa eine Rentnerin ihren kranken Mann, wird das nicht honoriert. Ebenfalls null zusätzlichen Rentenanspruch bekommt, wer sich um Patienten kümmert, die mit Pflegegrad 1 eingestuft sind. Der Pflegeaufwand in dieser Stufe wird als eher gering eingeschätzt. Wenig Arbeit, kein Rentenplus.
So viel bekommen andere:
Je höher der Pflegegrad des Patienten und je weniger Hilfe von Profi-Pflegediensten gebraucht wird, desto mehr Rente bekommt die Pflegeperson. Entscheidend ist auch, ob sie in Ost- oder Westdeutschland pflegt. Wer zum Beispiel Demenzkranke ohne körperliche Einschränkungen mit Pflegegrad 2 betreut, kann seine Altersrente für ein Jahr Pflege nach aktuellem Stand um 5,22 Euro (Ost) bis 7,91 Euro (West) im Monat verbessern.
Mit dem Pflegeaufwand steigt die Rente: Bei Pflegegrad 3 ist ein Plus von monatlich 8,31 bis 12,60 Euro möglich, bei Grad 4 von 13,52 bis 20,51 Euro. Daneben sind Zusatzleistungen möglich ( Tabelle). Am meisten Geld bekommen pflegende Angehörige, wenn sie einen Schwerkranken mit Grad 5, also etwa Patienten im Wachkoma, oder Krebs im Endstadium, ganz allein versorgen. Schaffen sie diese Belastung, steigt ihre Rente später um maximal 27,60 und 29,30 Euro monatlich. Eine Entlastung der Pflegenden mit Kürzungen bei den Rentenansprüchen zu verknüpfen, sei ein schwerer Fehler, kritisiert Christen.
So wird gerechnet:
Mit wie viel Rentenplus der Einzelne genau rechnen kann, hängt von einer komplizierten Rechnung ab. Grundsätzlich tut die Pflegekasse erst einmal so, als bekäme der Angehörige ein Gehalt. Derzeit werden Verdienste zwischen 562 und 2975 Euro (West) und zwischen 503 Euro und 2660 Euro (Ost) monatlich für die Berechnung der zusätzlichen Rentenansprüche durch Pflege zugrunde gelegt. Auf diese fiktiven Summen zahlt die Pflegekasse dann den vollen Rentenversicherungsbeitrag von aktuell 18,7 Prozent. Wie sich das letztlich auf die Rente auswirkt, hängt von vielen Stellschrauben ab.
Eine kostenlose Beratung zu diesem nicht ganz leicht zu durchschauenden Thema bietet die Deutsche Rentenversicherung telefonisch an unter der Nummer 0800/10 00 48 00.