Pflegereform:Bis zu 30 Prozent mehr

Pflege

Gute Pflege braucht gute Fachkräfte, das ist in der Politik angekommen.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Viele Menschen profitieren von den Änderungen bei den Pflegegesetzen, private Zusatzpolicen sind nun aber oft teurer.

Von Anne-Christin Gröger

Der Schritt ist überfällig: Die große Koalition will etwas gegen den Pflegenotstand in Deutschland tun. Krankenhäusern und Pflegeheimen hat sie mehr Personal versprochen. Dazu sollen 8000 neue Fachkraftstellen in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden, bezahlt aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. So steht es im Koalitionsvertrag. Außerdem sollen mehr Kranken- und Altenpfleger nach Tarif bezahlt werden, Tarifverträge möglichst flächendeckend gelten.

Das ist eine gute Nachricht für all diejenigen, die jeden Tag unter schwierigen Bedingungen alte und kranke Menschen versorgen. Wie sich der Schritt auf die Beiträge in der Pflegeversicherung auswirken wird, ist noch nicht abzusehen. Klar ist: Die letzte Pflegereform von 2017, auch bekannt als das zweite Pflegestärkungsgesetz, hat zu Preissteigerungen bei privaten Pflegezusatzpolicen geführt.

Denn der Gesetzgeber hat damit eine neue Systematik zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit eingeführt: Geistige Einschränkungen stehen seitdem gleichberechtigt neben körperlichen Gebrechen. Statt drei Pflegestufen gibt es fünf Pflegegrade. Das ist besonders für Demenzkranke und Alzheimerpatienten wichtig. Sie sind lange durch das Raster der Pflegeversicherung gefallen.

Von den neuen Regeln ist zwar vor allem die gesetzliche Pflegeversicherung betroffen. Doch weil die privaten Anbieter erst dann zahlen, wenn die gesetzliche Pflegeversicherung einen Pflegegrad festgestellt hat, und weil die privaten Leistungen der Anbieter von der Höhe des Pflegegrads abhängen, hat die Gesetzesänderung auch Auswirkungen auf die privaten Angebote.

Fast immer folgt die Pflegeversicherung der Krankenversicherung. Wer gesetzlich krankenversichert ist, ist auch gesetzlich pflegeversichert, wer privat krankenversichert ist, entsprechend. Aber beide, die gesetzliche und die private Pflegeversicherung, sind nur Teilkaskodeckungen. Die Leistungen reichen im Pflegefall in der Regel nicht aus. Deshalb können Verbraucher zusätzlich privat vorsorgen. Die Gesellschaften bieten die Verträge in vier Varianten an: als Pflegetagegeld-Versicherung, als Pflegekosten-Versicherung und als Pflege-Rentenversicherung. Außerdem gibt es noch den "Pflege-Bahr", eine staatlich geförderte Pflegetagegeld-Versicherung ohne Gesundheitsprüfung, benannt nach dem ehemaligen Gesundheitsminister und jetzigen Allianz-Manager Daniel Bahr.

Die Zahl der anerkannten Pflegebedürftigen hat durch die Pflegereform zugenommen. Laut Medizinischem Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), der die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen in Deutschland berät, sind 2017 im Vergleich zu 2016 etwa 304 000 Versicherte mehr durch die neue Begutachtung als pflegebedürftig anerkannt worden. Nach aktuellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums sind es aktuell 2,75 Millionen Pflegebedürftige. "Mehr Menschen haben nun früher und insgesamt einen besseren Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung", sagt Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.

Die besseren Leistungen schlagen sich in den Prämien für die privaten Zusatzversicherungen nieder, berichtet Gerhard Reichl von der Ratingagentur Assekurata. "Seit der Umstellung sind die Prämien im Bestand durchschnittlich um 9,2 Prozent gestiegen." Dabei habe Assekurata Sprünge von bis zu 30 Prozent beobachtet. "Bei einzelnen Anbietern sind die Prämien im Bestand unterm Strich leicht gesunken", sagt er.

Bei der Deutschen Krankenversicherung (DKV), dem größten Anbieter von privaten Zusatzpolicen, stiegen nach Angaben von Vorstandschef Clemens Muth die Prämien bei den ungeförderten Pflegezusatzversicherungen für 93 Prozent der Kunden um maximal 15 Euro monatlich, bei den geförderten lag die Erhöhung bei 83 Prozent der Versicherten unter 10 Euro pro Monat.

Prämiensteigerungen findet Charlotte Henkel von der Verbraucherzentrale Hamburg nicht per se schlimm. "Die Leistungen für die Versicherten haben sich ja auch verbessert." Problematisch ist für sie, dass sich in vielen Altverträgen die Bedingungen verschlechtert haben. Sie berichtet von einem Betroffenen, der eine Pflegetagegeldpolice abgeschlossen hatte. Bei Vertragsabschluss hatte er bei Pflegestufe 3 100 Euro als Tagesleistung vereinbart. "Der Versicherer hatte die alte Pflegestufe 3 auf Pflegegrad 5 umgestellt, die am schwierigsten zu erreichende Stufe, in die nur schwerstpflegebedürftige Menschen eingeordnet werden." Erst bei Erreichen dieser Stufe sollte der Mann seine vereinbarten 100 Euro pro Tag bekommen. Bei dem der Pflegestufe 3 allerdings eher entsprechenden Pflegegrad 4 wollte der Versicherer nur 40 Euro pro Tag bezahlen. "Die Umstellung hatte also eine drastische Leistungskürzung zur Folge."

Henkel rät, in den Bedingungen nachzusehen. Wer von Leistungskürzungen betroffen ist, sollte zu einem Versicherungsberater zu gehen und Alternativen prüfen lassen. "Vielleicht lassen sich die Leistungen ja aufstocken." Auf keinen Fall sollten Versicherte kündigen. "Dann ist das bisher gezahlte Geld weg."

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