Süddeutsche Zeitung

Angehörige:Ferien von der Pflege

Lesezeit: 3 Min.

Pflegende Angehörige gehen nur selten in Urlaub. Dabei haben gerade sie Anspruch auf Erholung. Wie sich längere Pausen und finanzielle Unterstützung organisieren lassen.

Von Berrit Gräber

Für viele der mehr als 3,2 Millionen Frauen und Männer, die Tag für Tag ein krankes Familienmitglied daheim betreuen, ist Urlaub zum Fremdwort geworden. Die einen haben seit Ausbruch des Coronavirus noch keine Woche am Stück freigemacht. Andere schieben sogar eigene Operationen vor sich her, weil sie davor zurückscheuen, ihren Mann oder die Oma in die Obhut anderer zu geben. Dabei haben auch Laienpfleger Anspruch auf Erholung. "Viele nehmen sich zu wenig längere Auszeiten, das ist aber gerade bei chronischer Überlastung wichtig", so Daniela Sulmann, Pflegeexpertin und Geschäftsleiterin im Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Viele wüssten nicht einmal, wie sich Ferien von der anstrengenden Betreuung überhaupt organisieren respektive finanzieren lassen. Ein Überblick, was Betroffenen zusteht, was finanziell drin ist und wo es Rat gibt.

Was alles möglich ist:

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, Urlaub von der kräftezehrenden Pflege zu machen: Die Verhinderungspflege, bei der der Kranke zu Hause von einer Ersatzperson versorgt wird. Und die Kurzzeitpflege, bei der der Patient vorübergehend in ein Heim kommt. Möglich ist eine Entlastung von bis zu acht Wochen im Jahr. Die Zeit muss nicht an einem Stück genommen werden. Pflegende Angehörige können auch gemeinsam mit dem pflegebedürftigen Ehemann oder der Oma verreisen. Allerdings nur innerhalb Deutschlands. Welcher Weg infrage kommt, sollte sich an den Bedürfnissen des Kranken orientieren, rät Gisela Rohmann, Expertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Nicht jeder Pflegebedürftige mag sein vertrautes Zuhause verlassen.

So funktioniert die Verhinderungspflege:

Sie kann eine gute Lösung sein, wenn Pflegebedürftige weiter daheim betreut werden wollen. Macht die Pflegeperson frei, können als Ersatz ambulante Pflegedienste einspringen oder aber Kinder, Geschwister, Nachbarn, Freunde. Die Pflegekasse übernimmt die Kosten ab Pflegegrad zwei, und zwar bis zu sechs Wochen lang, in einer Höhe von maximal 1612 Euro im Jahr. Während der Verhinderungspflege wird mindestens die Hälfte des Pflegegeldes weitergezahlt. Aber: Die vollen 1612 Euro gibt es nur dann, wenn ein Außenstehender als Ersatzperson einspringt, also etwa die Nachbarin oder die Freundin.

Vorsicht, Haken!

Übernehmen nahe Verwandte ersten oder zweiten Grades die Verhinderungspflege, beispielsweise die Schwester oder der Enkel, fließt weniger Geld, und zwar anteilig nur das, was dem Pflegegeld entspricht. Sie können höchstens noch Extrakosten für Fahrtkosten, Verdienstausfall oder eine notwendige Kinderbetreuung in der Vertretungszeit geltend machen. Außerdem wichtig, damit die Pflegekasse zahlt: Der oder die Kranke muss zuvor mindestens sechs Monate zu Hause gepflegt worden sein. Werden Profis vom ambulanten Pflegedienst als Urlaubsvertretung engagiert, ist das Geld der Kasse allerdings recht schnell aufgebraucht, so Rohmann. Die Auszeit muss dann entweder kürzer ausfallen, oder der Pflegebedürftige zahlt drauf. Viele Familien suchen deshalb einen Ersatz aus dem Umfeld.

So geht die Kurzzeitpflege:

Findet sich kein Ersatz oder ist eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung gefragt, kann die stationäre Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung eine Alternative sein. Viele Senioren- und Pflegeheime bieten Betten für Übergangszeiten an. Spontan verreisen oder freimachen wird aber kaum klappen. Freie Plätze sind Mangelware, lange Vorbereitung tut not. Auch die Kurzzeitpflege zahlt die Pflegekasse nur dann, wenn der oder die Kranke mindestens Pfle­gegrad zwei hat, dafür bis zu acht Wochen im Jahr mit bis zu 1774 Euro Zuschuss.. Unterkunft und Mahlzeiten müssen Hilfsbedürftige zudem selbst zahlen. Die Hälfte des Pflegegeldes wird auch während der Kurzzeitpflege weitergezahlt.

Geht auch ein Mix?

Ja. Interessant kann die flexible Kombination der Verhinderungs- mit der Kurz­zeit­pflege sein. Auf Antrag stockt die Pflegekasse das Geld für die Verhinderungs­pflege dann um die Hälfte des Betrages für die Kurz­zeit­pflege von 1612 Euro auf maximal 2418 Euro auf. Oder sie erhöht den Zuschuss zur Kurz­zeit­pflege auf bis zu 3386 Euro, wenn die Verhinderungspflege ungenutzt blieb, wie die Stiftung Warentest vorrechnet.

Gemeinsame Auszeit nehmen:

Wer zum Beispiel seinen kranken Ehepartner mit in Erholung innerhalb Deutschlands nehmen will, kann das tun. "Es gibt immer mehr spezialisierte Urlaubsangebote für Pflegende und deren Angehörige", sagt Sulmann. Inzwischen haben sich viele Pensionen, Ferienanlagen und Pflegehotels auf diese Art der "Pflegeferien" spezialisiert. Wer möchte, kann zum Beispiel die Kurzzeitpflege des Kranken in Bayern oder an der Ostsee organisieren und selbst dort Urlaub machen. Oder gemeinsam in einem Pflegehotel Zeit verbringen.

Wer hilft und berät?

Wer Urlaub von der Pflege braucht, hat Anspruch auf kostenlose Beratung, auch zu finanziellen Zuschüssen. Anlaufstellen für pflegende Angehörige sind unter anderem die Pflegekassen sowie die Pflegestützpunkte in den Bundesländern. Auch einige Verbraucherzentralen beraten. Das ZQP bietet unter www.zqp.de/beratungsdatenbank eine deutschlandweite Übersicht mit nicht-kommerziellen Beratungsangeboten.

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