MeinungPflegereform:Die Reichen zahlen mein Pflegeheim? Das ist eine linke Illusion

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Kommentar von Bastian Brinkmann

Lesezeit: 2 Min.

Wer soll die Pflege für so viele Menschen bezahlen? (Symbolbild)
Wer soll die Pflege für so viele Menschen bezahlen? (Symbolbild) (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Die Pflege wird immer teurer. Es gibt eine Lösung, doch die verlangt von Schwarz-Rot den Mut, Babyboomern und ihren Kindern etwas zuzumuten.

Für die eigene Geburt muss man nichts bezahlen. Der Start ins Leben ist umsonst. Das Ende allerdings nicht. Die meisten Menschen werden vor ihrem Tod pflegebedürftig, und das ist teuer. Ein Platz in einer Einrichtung, wenn man überhaupt einen bekommt, kostet Tausende Euro im Monat. Schon der Umzug ins Pflegeheim ist häufig mit Furcht besetzt. Dazu kommt die Angst, sich finanziell zu ruinieren.

Daher hatte die SPD im Wahlkampf damit geworben, die Pflegekosten auf 1000 Euro im Monat zu deckeln. Auch in der Union hatten Politiker sich dafür ausgesprochen, die Pflegekasse zu einer Vollversicherung auszubauen, die alle Kosten übernimmt. Doch egal, ob Deckel oder Vollversicherung: Das ist nur die halbe Rechnung. Wenn die Betroffenen ihre eigene Pflege nicht bezahlen müssen, sind die Kosten dafür ja nicht verschwunden. Die Rechnung für ein solches Pflegeparadies müsste jemand anders übernehmen.

Im Sozialstaat liegt es nahe, die Mitbürger mit hohen Einkommen und Vermögen heranzuziehen. Bei der Pflege gibt es aber ein Problem. Es gibt so viele Babyboomer, dass die Reichen die Pflege für alle nicht werden bezahlen können. Dass die immer weiter steigenden Pflegekosten nur mit Umverteilung ausgeglichen werden können, ist eine linke Illusion. Es gibt schlicht zu wenige Milliardäre und zu viele Menschen in der Mittelschicht, damit sich das finanziell ausginge. Selbst wenn ein Kanzler Friedrich Merz die Vermögensteuer aus dem Wahlprogramm der Linkspartei klauen und die kompletten Einnahmen daraus in die Pflegekasse stecken würde, wäre nicht genügend Geld da, um allen Babyboomern einen Platz im Pflegeheim zu bezahlen.

Die kommende schwarz-rote Regierung muss also eine andere Lösung finden. In ihrem Koalitionsvertrag steht leider keine. Dort ist nur abstrakt festgeschrieben, dass eine „große Pflegereform“ kommen soll. Union und SPD wollen dafür eine Bund-Länder-Kommission einsetzen. Immerhin soll die noch in diesem Jahr Ergebnisse vorlegen.

Falls die Pflegereform nicht groß genug wird, steigen die ohnehin hohen Sozialabgaben noch weiter. Nach vier Jahren Schwarz-Rot bliebe Arbeitnehmern dann weniger Netto von ihrem Lohn als heute. Merz hat gerade in einem Interview eingestanden, dass diese „Befürchtung aus heutiger Sicht sicherlich nicht ganz unberechtigt“ sei, wenn jetzt nicht das Richtige passiere.

Vorschlag: Man zahlt selbst, solange man es sich leisten kann.

Aber was ist das Richtige? Die Antwort wird vielen Älteren nicht gefallen. Die Reichen haben nicht genügend Geld, um jedwede Kosten zu übernehmen. Und den Jüngeren alles aufdrücken, ist unzumutbar. Die müssen ohnehin schon steigende Beiträge für die Rentenkasse übernehmen. Falls die schwarz-rote Pflegekommission mutig genug ist, wird sie den Babyboomern als Lösung präsentieren: Man zahlt selbst, solange man es sich leisten kann.

Das ist politisch unbequem. Aber Millionen Menschen, die in der Zukunft zum Pflegefall werden, haben genug Geld. Ihnen droht im Pflegeheim gar kein finanzieller Ruin, so teuer die letzten Lebensjahre dort auch werden. Denn sie haben sich in ihrem Leben ein Häuschen erarbeitet oder anders gespart. Das ist eine Altersvorsorge, die am Ende des Lebens aufgebraucht werden sollte, bevor die Solidarkasse einspringt – natürlich mit Nießbrauch für den Partner oder ähnlichen Lösungen. Doch damit platzt freilich der Traum, den Kindern etwas zu vererben. Das kann bitter sein. Aber die Pflegeversicherung ist keine Erbenversicherung, die der Mittelschicht ermöglicht, ihre Ersparnisse ohne Abstriche an ihre Kinder zu übertragen.

Wer kein Geld hat, sollte natürlich solidarisch finanziert im Alter gepflegt werden. Und nichts spricht dagegen, in einer Reform die Pflegeversicherung auch etwas solidarischer und effizienter zu machen. Neue Einnahmen könnte es außerdem bringen, wenn die Pflegekasse einen Teil ihrer vielen Milliarden Euro an den Kapitalmärkten investieren könnte. Noch sind genug Jahre Zeit, bis die meisten Babyboomer gepflegt werden müssen, um mit langfristiger Rendite die Kosten ein wenig zu lindern. Aber die Hauptzahler ihrer eigenen Pflege sollten sie selbst sein.

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