Pflege:Mehr als eine Sprachbarriere

In Deutschland herrscht ein großer Mangel an Pflegekräften. Da kämen Mitarbeiter aus dem Ausland recht. Doch für Personalchefs ist es alles andere als einfach, in anderen Ländern Mitarbeiter abzuwerben.

Von Guido Bohsem

Gesucht werden geeignete Bewerber für folgende Stelle: 40 Arbeitsstunden pro Woche, Schichtarbeit, bis zu drei Nachtdienste pro Monat. Der Kandidat soll die Bewohner des Heims betreuen und die anfallende Verwaltungsarbeit erledigen. Man erwarte "eine flexible, engagierte und belastbare Persönlichkeit", schreibt der Arbeitgeber. Das Gehalt ist branchenüblich, im Mittel beträgt es in der Altenpflege zwischen 1900 und 2600 Euro pro Monat.

Annoncen wie diese gibt es zuhauf: Die deutsche Pflegebranche verzeichnet einen Fachkräftemangel, und da die Gesellschaft weiter altert, werden in Kliniken und Pflegeheimen sowie bei ambulanten Hilfsdiensten immer mehr Alten- und Krankenpfleger benötigt. Experten prognostizieren für das Jahr 2025 einen zusätzlichen Personalbedarf zwischen 150 000 und 370 000 Fachkräften. Doch gutes Personal ist schwer zu finden, junge Menschen entscheiden sich lieber für andere Berufe - viele verbinden mit der Pflege eine hohe Belastung bei geringem Einkommen. Alternativ könnten die Unternehmen im Ausland Fachkräfte anwerben - doch das tun sie selten.

Nur jedes sechste Unternehmen in der Pflegebranche hat in den vergangenen drei Jahren versucht, außerhalb der Bundesrepublik neue Mitarbeiter zu gewinnen. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die am Montag in Gütersloh vorgestellt wurde. Zu Beginn des Jahres ließ das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus Mannheim im Auftrag der Stiftung knapp 600 Personalverantwortliche befragen. Im Schnitt meldeten sie, dass bereits jetzt 4,3 Stellen pro Unternehmen nicht besetzt seien. Es sind vor allem große Unternehmen - Krankenhäuser und die Träger von Pflegeheimen -, die sich im Ausland auf die Suche nach neuen Mitarbeitern machen. Im Bereich der ambulanten Pflege, wo es viele kleinere Anbieter mit wenigen Beschäftigten gibt, sah sich nur jeder zehnte Arbeitgeber außerhalb des Landes um. Von allen Unternehmen, die überhaupt im Ausland aktiv waren, konzentrierten sich 93 Prozent auf die Mitgliedstaaten der EU, vor allem auf Spanien, Polen und Kroatien. Demgegenüber suchten lediglich 31 Prozent der international agierenden Träger außerhalb Europas nach Fachkräften.

Gil Quiros of Spanish brushes resident's hair at SenVital elderly home in Kleinmachnow

Die Pflege von alten Menschen ist anstrengend und schlecht bezahlt. Junge Leute erlernen hierzulande lieber andere Berufe.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Vieles spricht dafür, dass bürokratische und rechtliche Probleme Personalchefs davon abhalten, aktiv im Ausland zu werben. Jene, die bereits Erfahrung mit der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte haben, zeichneten ein eher düsteres Bild: 83 Prozent gaben an, bei Bewerbern außerhalb der EU bürokratische Schwierigkeiten erlebt zu haben. Auch bei 72 Prozent aller Anwerbungsverfahren innerhalb Europas wurde das geschildert. "Überraschend" nennt die Bertelsmann-Stiftung das Ergebnis - und folgert, dass der abgefragte Zeitraum von drei Jahren eine Erklärung dafür sein könnte. Bulgarien und Rumänien sind bereits seit 2007 Mitglieder der EU, die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt jedoch erst seit Anfang 2014.

Viele hatten falsche Vorstellungen von der Arbeit - und kehrten nach kurzer Zeit in ihre Heimat zurück

In jedem Fall birgt die Rekrutierung einer Pflegekraft aus dem Ausland einen großen zeitlichen und teils auch finanziellen Aufwand für den Arbeitgeber. Der lohnt sich jedoch nicht immer. Zwar berichteten die meisten Personaler davon, dass die Belegschaft ihres Unternehmens die neue Fachkraft gut aufgenommen habe, in lediglich zehn Prozent aller Fälle gab es Probleme. Zugleich stellten die Befragten in jedem zweiten Fall fest, dass die Kandidaten falsche Vorstellungen von der Arbeit hatten - manche verließen das Unternehmen daher schon nach kurzer Zeit wieder. Von allen Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren im Ausland Pfleger rekrutiert haben, würde dies nur jedes dritte sicher wieder tun. Acht Prozent aller Befragten können sich dies "auf gar keinen Fall" noch einmal vorstellen.

"Unverzichtbar" nennt es Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, dass deutsche Pflege-Unternehmen verstärkt im Ausland nach Fachkräften suchen, um dem Pflegenotstand zu begegnen. Im Jahr 2013 kamen etwa 74 000 festangestellte Pfleger aus dem Ausland, dies entspricht knapp sechs Prozent aller Beschäftigten. Im Gastgewerbe hatte jeder vierte Angestellte keinen deutschen Pass, in der Land- und Forstwirtschaft jeder fünfte. Eugen Brysch, Chef der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sieht die Unternehmen in der Pflicht, für Personal zu sorgen. Pflegeheime und Krankenhäuser "verschlafen die Zukunft", kritisierte er. Dem widersprach die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). Der Pflegenotstand sei durch die Abwerbung im Ausland nicht zu lösen, die abgezogenen Kräfte fehlten schließlich in ihrer Heimat. Stattdessen müsse die Pflege in Deutschland gestärkt werden. Zudem würden Probleme wie mangelnde Sprachkenntnisse "leider oft verharmlost".

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