Peugeot will Opel übernehmen:Bei Opel geht die Angst um

GM-Spitze heute bei Opel in Rüsselsheim

Ein Mann wartet auf dem Gleis der S-Bahnstation Rüsselsheim Opelwerk.

(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)
  • Bei Opel sitzt der Schock tief. Das Unternehmen könnte bald von Peugeot übernommen werden.
  • Besonders brisant: Opel-Chef Neumann wusste wohl nichts von den Verhandlungen. Dabei sitzt er im Führungsteam vom Mutterkonzern GM.
  • Der Fall Opel dürfte auch zu einer politischen Angelegenheit werden. Die deutsche Regierung will wohl nicht tatenlos zusehen. Denn Arbeitsplätze sind in Gefahr.

Von Thomas Fromm, Max Hägler, Susanne Höll und Thomas Öchnser, München/Berlin

Karl-Thomas Neumann twitterte noch einmal am Montagabend: "Heute Abend noch eine Runde auf dem Rennrad virtuell trainiert / KTN." Eine typische Neumann-Zeile, der Opel-Chef twittert gerne und oft. Das sollte nicht nur Opel, diesen alten Traditionshersteller mit dem Blitz irgendwie trendiger aussehen lassen, sondern auch Neumann selbst. Schaltet ein beim Opel-Chef, und ihr erfahrt, was ihn so umtreibt. Und wenn es Radeln vorm Computerbildschirm ist. Am Tag danach dann kam nur noch eine Meldung: die über eine mögliche Übernahme des von ihm geleiteten Konzerns durch den französischen PSA-Konzern - dann war Funkstille.

Es war etwas Unvorhergesehenes passiert, nachdem der 55-jährige Opel-Boss am Montagabend von seinem virtuellen Rad gestiegen war: dass der US-Konzern General Motors (GM) seine Rüsselsheimer Europa-Tochter nach fast 90 Jahren an Peugeot verkaufen will, ist nicht einmal das Kurioseste an der Sache. Auch nicht, dass zwischen Detroit und Paris die geheimen Drähte heiß liefen, ohne dass es einer der mehr als 18 200 Opelaner in Deutschland mitbekommen haben will. Das wirklich Außergewöhnliche an der Sache ist: Zwei große Konzerne reden über den Verkauf eines dritten und damit über die Zukunft Tausender Jobs - und der zuständige Chef wird offenbar spät eingeweiht.

Karl-Thomas Neumann, in Rüsselsheim kurz "KT" genannt, soll zwar vor den anderen in Rüsselsheim informiert gewesen sein - die Rede ist aber nur von einigen Tagen. Während hinter den Kulissen wochenlang sondiert und taktiert wurde, soll Neumann in Rüsselsheim gesessen und über Plänen für den Umbau Opels in eine Elektroautofirma gebrütet haben. Dann wurden die Mitarbeiter überrascht. Im Rüsselsheimer Adam-Opel-Haus stehen sie am Mittwoch noch immer unter Schock. Man müsse sich erst einmal "sortieren", sagt einer. Viel Zeit dafür haben sie nicht. Denn jetzt müssen sich GM und PSA erklären. Vom Vorgang her scheint alles normal zu sein: Verkäufer und Interessent verhandeln über den Verkauf eines Autobauers. Und dennoch: Wenn der Mann, der den Laden hier seit vier Jahren führt, wirklich lange Zeit nichts von den Verhandlungen wusste, dann wäre dies ein Riesenaffront gewesen - gegen einen Top-Manager, der immerhin im sogenannten Executive Leadership Team von GM sitzt, einer Art internationalem Führungskreis.

Am Dienstag war all das erst bekannt geworden, am Mittwoch war dann bereits GM-Chefin Mary Barra in Rüsselsheim, sprach mit dem wohl auch recht überrumpelten Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Und ließ parallel einen Brief herumsenden an die Mitarbeiter: Ja, es stimme, GM und PSA prüften gegenwärtig Maßnahmen, "um die Profitabilität und Produktivität von GM und der PSA-Gruppe zu verbessern. Dies schließt einen möglichen Kauf von Opel/Vauxhall durch die PSA-Gruppe ein". GM würde alles daransetzen, bei einer Transaktion sicherzustellen, dass die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden, schreibt sie noch. Und dass die Gespräche noch nicht weit genug fortgeschritten sind. "Bitte lassen Sie sich nicht von der wichtigen Arbeit ablenken, die Sie leisten."

Das ist indes fast frech. Denn natürlich machen sich die Beschäftigten bei Opel Sorgen. Wenn die Franzosen übernehmen, dann dürften viele Arbeitsplätze in Gefahr sein, zu ähnlich sind sich Zielgruppen, Märkte und Produkte von PSA und Opel.

Opel wird zur politischen Angelegenheit

Man kennt das noch von der letzten Krise vor wenigen Jahren, was nun passieren könnte: Die Werke kämpfen vor den Augen der Eigentümer ums Überleben, wobei die effizientesten gewinnen. Diesmal könnte auch die Zentrale in Rüsselsheim betroffen sein: Verwaltungsleute und Einkäufer mit Erfahrung auf dem europäischen Markt gibt es auch im nicht weit entfernten Paris. Es ist anzunehmen, dass PSA versuchen würde, doppelte Strukturen abzubauen. Und zwar eher nicht am Heimatstandort, zumal der französische Staat 14 Prozent an PSA hält.

Eine politische Angelegenheit also, wobei die deutsche Seite von dem geplanten Milliardenzusammenschluss völlig überrumpelt zu sein scheint - aber offenbar nicht tatenlos zusehen will, wie Amerikaner und Franzosen um Opel feilschen. Am Mittwochmorgen sprachen die Bundesminister bei ihrer Kabinettssitzung über den Fall. "Für uns hat oberste Priorität, dass die drei Standorte und das Headquarter in Rüsselsheim erhalten bleiben", sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hernach. Opel dürfe "keine Unterabteilung eines französischen Konzerns werden". Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wiederum nahm noch am Mittwoch telefonisch Kontakt mit ihrem französischen Amtskollegen Michel Sapin auf. Zur Opel-Führung und zu Betriebsrat und Gewerkschaften habe das Ministerium ebenfalls Kontakt aufgenommen, hieß es weiter.

Auch Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der drei Länder mit Opel-Produktionen hat es dem Vernehmen nach bereits gegeben. Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen wollen sich beim weiteren Vorgehen eng abstimmen und gemeinsame Positionen vertreten. Ziel müsse es sein, einen Standortwettlauf zwischen den drei deutschen Produktionsstätten in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach zu verhindern. Allerdings verlautete auch, dass die Politik keine Sicherheitsgarantien abgeben könne. Es ist ein politischer Fall, doch das Sagen hat die Wirtschaft. Und diesmal auch nicht die deutsche.

Ein Tweet sorgt für Irritationen

Das zeigte sich am Mittwochvormittag. Da twitterte Opel noch ein Foto auf seinem offiziellen Nachrichtenkanal: Ein elektrischer Ampera war darauf zu sehen, der neue Hoffnungsträger des Autokonzerns aus Rüsselsheim. Samt kurzem Spruch zur urbanen Mobilität und einem Emoji. Interessant das Setting: französische Straßenszene, im Hintergrund der Eiffelturm. Die Botschaft: Opel fährt nach Paris ein!

Man kann davon ausgehen, dass es eine Spitze war gegen Frankreich. Indirekt, mehr geht nicht. Aber selbst das war zu viel, durfte offenbar nicht sein. Jedenfalls war der Eiffelturm am Mittag wieder verschwunden, gelöscht. Einfach so passiert so etwas nicht bei Opel, wo sie sich auskennen mit diesem Twitter. Damit ist klar, wer hier wo einfährt. Manchmal ist das wirkliche Leben noch schneller als das Netz.

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