Süddeutsche Zeitung

Lebensmittel:Wie deutsche Pestizide auf Früchten aus Brasilien landen

Greenpeace findet in der EU verbotene Spritzmittel in exotischen Früchten aus Südamerika. Ein Problem, das sich durch das Mercosur-Abkommen noch verschärfen könnte, warnen die Umweltschützer.

Von Silvia Liebrich

Wer mag sie nicht: Exotische Früchte wie Mangos und Limetten gehören längst zum festen Sortiment deutscher Supermärkte. Der globale Handel mit dem begehrten Obst hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Eine große Rolle spielt er auch im Freihandelsabkommen Mercosur, das die Europäische Union (EU)mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay plant. Die südamerikanischen Staaten versprechen sich bessere Absatzchancen für ihre Agrarerzeugnisse in Europa. Umgekehrt wollen EU-Länder mehr Pestizide, Autos und andere Güter exportieren.

Die Umweltorganisation Greenpeace hat dies zum Anlass genommen, Früchte aus Brasilien im deutschen Handel stichprobenartig auf Rückstände von Pestiziden zu untersuchen. Ergebnis: Von 70 getesteten Früchten enthielten 59 Pestizid-Rückstände. Insgesamt seien 35 verschiedene Pestizidwirkstoffen festgestellt worden, heißt es in dem Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht wird. In vier Fällen sei dabei gesetzlich zugelassene Grenzwert von Pestiziden überschritten worden, heißt es im Bericht weiter. In gut zwei Drittel der Proben wurden gleich mehrere Stoffe gefunden, eine Papaya enthielt sogar neun verschiedene Rückstände.

Getestet wurden Mangos, Papayas, Melonen, Feigen und Limetten, die zwischen April und Mai bundesweit gekauft wurden. Die Analyse gaben die Umweltschützer bei zwei unabhängigen Laboren in Auftrag. Dabei wurden Wirkstoffe nachgewiesen, die in der EU nicht erlaubt sind, etwa die Insektizide Imidacloprid und Chlorfenapyr, die unter anderem vom deutschen Bayer-Konzern beziehungsweise BASF hergestellt werden. Beide Firmen betonen, dass sie für diese Stoffe in der EU gar keine Zulassung als Pflanzenschutzmittel beantragt hätten.

Zwölf der in Früchten gefundenen Wirkstoffe werden laut Greenpeace unter anderem von Bayer vertrieben, sieben werden unter anderem dem Konkurrenten BASF zugeordnet. "Auch deutsche Chemieriesen schaden in Brasilien Menschen, Tieren und Natur. Ein toxischer Kreislauf, denn die belasteten Früchte landen wiederum in Deutschland in unserem Obstsalat", kritisiert Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. Er fordert einen Stopp des Abkommens, über das die EU-Handelsminister noch diese Woche in Brüssel beraten wollen.

Das Mercosur-Abkommen ist umstritten. Selbst unter Regierungen der EU-Länder und im Europaparlament gibt es großen Widerstand gegen den Handelsvertrag. Kritiker werfen etwa der brasilianischen Regierung vor, die Brandrodungen im Amazonas zu forcieren. Viele befürchten, ein Handelsvertrag könnte das Problem noch verschärfen. Das gilt auch für Pestizidexporte nach Südamerika.

Pestizidhersteller wehren sich gegen Vorwürfe der Umweltschützer

Laut Greenpeace wurden 2019 Pflanzenschutzmittel im Wert von mindestens 915 Millionen Euro aus der EU in den Mercosur-Raum exportiert. Deutschland liegt dabei nach Großbritannien und Frankreich an der Spitze. Bayer und BASF hielten 2020 etwa zwölf Prozent der in Brasilien zugelassenen Produkte. "Mehr als zwei Drittel der Wirkstoffe, die die deutschen Unternehmen in Brasilien verkaufen, sind als hochgefährliche Pestizide eingestuft", sagt Knirsch. Zahlreiche Wirkstoffe seien in der EU nicht zugelassen. "Gleichwohl erlaubt Deutschland den Export giftiger Pestizidwirkstoffe nach Brasilien, wovon die deutschen Chemiekonzerne profitieren", ergänzt er.

Die Pestizidhersteller wehren sich gegen die Vorwürfe. "Bayer verkauft bereits seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders toxisch eingestuft werden", so ein Sprecher. Sowohl Bayer als auch BASF bieten nach eigenen Angaben seit Jahren weltweit Schulungen für Landwirte an, damit Pestizide sachgerecht angewendet werden. Eine BASF-Vertreterin ergänzt: "Die Sicherheit von Lebensmitteln ist für uns essenziell. Wir vertrauen den Behörden und Lebensmittelüberwachungssystemen, die die Verfügbarkeit sicherer und gesunder Lebensmittel prüfen und sicherstellen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5297737
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.