Pestizide:Eis mit Schokolade und Glyphosat

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Rezeptur mit unerwünschter Zutat: Bei Untersuchungen wurde Glyphosat in Speiseeis gefunden.

(Foto: mauritius images)

Das umstrittene Pestizid kann auch in populärem Speiseeis nachgewiesen werden - wenn auch in sehr geringer Dosis. Trotzdem stellt sich die Frage: Wenn Glyphosat überall ist, sind dann vielleicht auch viele Kleinstmengen schon zu viel?

Von Silvia Liebrich und Lena Kampf

Wer Eis verkaufen will, muss sich einiges einfallen lassen. Die Konkurrenz im Tiefkühlregal ist groß. Auf eine persönliche Ansprache setzt der Hersteller Unilever bei "Ben & Jerry's", einer Marke, die besonders bei Kindern und Jugendlichen beliebt ist. "Wie magst du deine Eis-Euphorie am liebsten?", heißt es da auf der Internetseite. Dort verspricht der Konzern viele leckere Zutaten, etwa "gute alte Schokolade und unwiderstehliche Vanille". Nur von einem ist dort nicht die Rede: Spuren des umstrittenen Pestizids Glyphosat, die nun bei Analysen in der Eissorte entdeckt wurden.

Die Marke Ben & Jerry's ist offenbar keine Ausnahme. Wissenschaftler fanden das umstrittenen Pestizid in 13 von 14 untersuchten Eisproben. Das zeigt eine Untersuchung, die der französische Forscher Gilles-Eric Séralini und sein US-Kollege John Fagan diese Woche in Brüssel vorgestellt haben. Der Hersteller Unilever gibt sich gelassen. Die nachgewiesenen Glyphosatspuren lägen deutlich unter allen Grenzwerten, die in den USA und Europa gelten. "Unsere Produkte sind sicher und können bedenkenlos verzehrt werden", erklärte Unilever weiter. Glyphosat werde weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt und sei in nahezu allen Lebensmitteln zu finden, sogar im Regenwasser.

EU-Parlament wollte Fragen zu Glyphosat klären

Damit räumt der Konzern fast nebenbei ein, was viele Verbraucher bisher nur geahnt haben. Das Pflanzegift Glyphosat ist omnipräsent - Brot, Bier, Linsen und nun eben auch Speiseeis. Das wirft Fragen auf: Wie etwa summiert sich das über den Tag, wenn man morgens mit dem Brot zum Frühstück anfängt, zum Mittag ein Eis schleckt und abends noch ein Bier trinkt? Und ist Glyphosat überhaupt gefährlich? Die Lage ist unklar, einige Wissenschaftler sagen Ja, andere Forscher meinen Nein, EU-Behörden geben Entwarnung.

Diese und andere Fragen wollte das Europäische Parlament diesen Mittwoch klären. Auslöser für die Anhörung waren unter anderem Berichte über eine mögliche Einflussnahme des Glyphosat-Konzerns Monsanto auf unabhängige Wissenschaftler (Mosanto-Mails). Zuletzt waren Vorwürfe bekannt geworden, dass das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR), das die Vorarbeit auf EU-Ebene leistete, bei Monsanto abgeschrieben haben soll.

Die EU muss bis Jahresende über die weitere Zulassung entscheiden

Dass der US-Konzern nicht zu der Aussprache erschien, verursachte bereits im Vorfeld großen Wirbel und führte zum Ausschluss von Monsanto-Lobbyisten aus dem Parlament. Auch das deutsche BfR wollte keinen Vertreter nach Brüssel schicken. Damit fehlten zwei wichtige Akteure bei dem Termin. Das Hearing fand in einem der großen Sitzungssäle des Parlaments statt. Der Andrang war groß.

José Tarazona, der Leiter der Pestizidabteilung der EU-Lebensmittelbehörde Efsa, verteidigt das deutsche Institut. Die Plagiatsvorwürfe würden von Leuten geäußert, die den Prozess nicht verstünden. "Das BfR hat kopiert, was es kopieren musste und abgeändert, was es abändern musste", sagt Tarazona. Die Behörden halten Glyphosat für nicht krebserregend.

Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation halten das für ein Fehlurteil. Professor Christopher Portier von der Universität Maastricht äußerte "schwere Bedenken". Die Behörden hätten Daten der Industrie ungeprüft übernommen und sich nicht mit allen einschlägigen Forschungsergebnissen befasst. Die Behörden sollten das neu bewerten, forderte er.

Die irische Abgeordnete Mairead McGuiness, Mitglied der konservativen Gruppe EVP, brachte nach dreieinhalb Stunden auf den Punkt, was wohl viele im Saal dachten: "Als eine Politikerin versuche ich hier zu einer Entscheidung zu kommen, und glauben Sie mir, ich möchte die richtige Entscheidung treffen. Aber wie kann ich diese unterschiedlichen Sichtweisen zusammenbringen?"

Die Zeit drängt, bis Jahresende muss die EU entscheiden, ob das Mittel zugelassen bleibt. Geht es nach der Kommission, wird die Erlaubnis um zehn Jahre verlängert. Ohne Zustimmung der Länder wird das aber nicht passieren, das hat die Kommission auch deutlich gemacht. Und danach sieht es derzeit nicht aus, neben Frankreich haben auch Österreich und Luxemburg Einwände, und Deutschland dürfte sich wohl - wieder einmal - enthalten.

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