Personal:Mit IT-Touch

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Unternehmen, die sich digitalaffin zeigen, haben bessere Chancen, Mitarbeiter zu finden. Dies wird im Wettbewerb um Fachkräfte wichtiger.

Von Marcel Grzanna

Wer sich heutzutage als Aussteller so alles bei einer Digitalmesse präsentiert, ist doch überraschend. Da gibt es zwischen digitalen Start-ups und den Softwareriesen aus aller Welt auch Stände von Firmen, die am meisten Geld damit verdienen, dass sie Haarwuchsmittel verkaufen. Manche Firmen gehören sogar zu Industriezweigen, denen man es noch zugestehen würde, wenn sie die Digitalisierung komplett verschliefen, weil sie irrelevant erscheint für deren Geschäftsmodell.

Doch das ist im Jahr 2019 ein schwerer Irrtum, was sich auch in den letzten traditionsbehafteten Berufsinnungen herumgesprochen hat. Auch Handwerke werden immer digitaler, kaufmännische Tätigkeiten sowieso. Kaum ein Bereich funktioniert heute ohne Digitalisierung. Häufig ist es aber auch der Fachkräftemangel, der die Präsenz bei einer Digitalmesse rechtfertigt oder gar notwendig macht. Denn Unternehmen haben nach wie vor Schwierigkeiten, Arbeitnehmer zu finden. Und qualifizierten Bewerbern stehen aufgrund der Globalisierung mehr Unternehmen zur Auswahl, die für sie infrage kommen. Noch dazu sinkt die Zahl der Kandidaten, weil die Geburtenraten längst nicht mehr so hoch sind wie vor Jahrzehnten. Das sogenannte Employer Branding gewinnt deswegen zunehmend an Bedeutung, darunter verstehen Marketingexperten die Entwicklung einer eigenen Arbeitgebermarke. Ein positives und digitalaffines Image hilft dabei, mit möglichen Bewerbern in Kontakt zu kommen.

Eine Studie der Jobbörse Stepstone ergab, dass fast 60 Prozent aller jungen Arbeitnehmer Wert auf die Philosophie eines Unternehmens legen, das für sie als Arbeitgeber infrage kommt. Vor allem junge Menschen wollen das Gefühl haben, dass sich ihre Werte und Ziele mit denen ihres Arbeitgebers überschneiden. Stichwort Sinnhaftigkeit. Employer Branding ist der Versuch der Firmen, sich ein entsprechendes Profil zu verschaffen.

Wer auf einer Digitalmesse präsent ist, feilt an genau diesem Image, auch wenn er deswegen seine Produkte nicht zwingend aus dem 3-D-Drucker spucken lässt. "Es geht vielmehr darum, dass die Talente dich in Bezug setzen zur Digitalwirtschaft und dich damit als innovations- und veränderungswilliges Unternehmen wahrnehmen, auch wenn du mit Digitalisierung vordergründig nicht viel zu tun hast", sagt Christian Wehner, Senior Experience-Manager beim Softwarehersteller SAP. Wehner selbst ist mit 32 Jahren eines jener Talente, für die Employer Branding ein wichtiger Aspekt bei der Wahl des Arbeitgebers ist.

Die Zahl der Stellenangebote ist größer als die Nachfrage, weswegen Arbeitnehmer ihre Ansprüche erhöhen können. Dazu gehört auch, dass gute Leute das Gefühl haben wollen, bei einem modernen und zukunftsorientierten Unternehmen untergekommen zu sein. SAP selbst steht hoch im Kurs bei jungen Arbeitnehmern, gerade auch bei jenen, die sich speziell mit IT beschäftigen. Die Personalberatung Kienbaum Consulting fand heraus, dass jeder zehnte IT-Absolvent am liebsten für den Walldorfer Dax-Konzern arbeiten würde. Lediglich Google war mit knapp 28 Prozent in der Umfrage noch beliebter, wenn auch sehr deutlich. Die Studie ermittelte zudem, dass den Bewerbern ein persönlicher Draht zunehmend wichtig ist, ehe sie sich für ein Arbeitsverhältnis entscheiden. Gerade für mittelständische Firmen spielt deswegen die Präsenz bei Digital-, aber auch bei Bewerbermessen eine wichtige Rolle, weil hier die entsprechenden Kontakte geknüpft werden können. Die Mitarbeiter, die bei diesen Messen die Firmen vertreten, werden somit zu "Botschaftern der Arbeitgebermarke". Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass schlechte Repräsentanten der Reputation ihres Unternehmens als Arbeitgeber nicht guttun. Ein Stand auf der Digitalmesse schadet dann mehr, als dass er nutzt.

Die Entwicklung einer eigenen Arbeitgebermarke umfasst aber noch mehr. Geld spielt dabei nicht mehr die Hauptrolle. Zwar will niemand unterbezahlt werden, wenn er nach vielen Jahren der Ausbildung und Praktika endlich fest angestellt in die Berufswelt einsteigt. Doch längst haben sich andere Aspekte mindestens gleichwertig etabliert. "Die sogenannten Millennials (ab 1980 Geborene) wechseln überproportional oft die Stelle und fokussieren sich mehr auf Verantwortung und das Feedback ihrer Vorgesetzten als Mitarbeiter älterer Jahrgänge. Außerdem ziehen sie häufiger eine ausgeglichene Work-Life-Balance einem hohen Gehalt vor", heißt es in einer Untersuchung der Personalberatung Robert Walters.

Experten raten deshalb besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich mit den großen Firmen im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte befinden, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die die eigenen Besonderheiten und Qualitäten herausstellt. Es sei dabei jedoch sehr wichtig, Authentizität zu bewahren. Es nutze nur wenig, sich ein Image anzulegen, dass an der Realität scheitert. Solche Missverhältnisse sprechen sich im digitalen Zeitalter über entsprechende Arbeitgeber-Bewertungsplattformen enorm schnell herum und lassen sich später nur schwer korrigieren. Als wirksame Marketing-Werkzeuge gelten derweil Präsenzveranstaltungen wie eben Digital- oder Bewerbermessen. Das gilt für Software-Unternehmen sowieso, aber zunehmend auch für Betriebe jenseits der IT.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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