Unternehmensführung:Das unterschätzte Ressort

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Eine Studie bemängelt, dass viele Firmen ihrer Personalpolitik einen zu geringen Stellenwert zubilligen. (Foto: imago images/Shotshop)

Weniger als die Hälfte von 677 großen deutschen Unternehmen verfügt über einen eigenständigen Personalvorstand. Welche Folgen das hat, beschreibt nun eine Studie.

Von Clara Thier, Duisburg

Den Mensch in den Mittelpunkt der Arbeit stellen, mehr Investitionen in Humankapital schaffen - solche Phrasen klingen gut. Aber wie wichtig sind die Interessen von Beschäftigten in der Unternehmensführung wirklich? Nicht immer wird dem Bereich Personal auch der entsprechende Platz zugestanden, bemängelt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag. Die Stiftung untersuchte 677 große deutsche Unternehmen und kam zu dem Schluss: Jedes zweite hat keinen eigenständigen Personalvorstand. Na und, könnte man fragen, ist das denn notwendig? Ja, sagt der Autor der Studie, Jan-Paul Giertz, und bezeichnet die Ergebnisse seiner Forschung als "ernüchternd".

Fast ein Drittel der untersuchten mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern verzichtet komplett darauf, die Verantwortung für Personal explizit auf Vorstandsebene zu benennen. Bei Tochterunternehmen mit ausländischer Mutter beträgt dieser Anteil sogar 43 Prozent. Diese Nicht-Benennung sei bezeichnend dafür, dass dem Thema eine untergeordnete Rolle zugeschrieben wird - dabei sei Personal ein wichtiger Teil einer strategischen Unternehmensführung, so die Studie.

In einem Viertel der Unternehmen betreut ein Vorstandsmitglied neben dem Personal auch noch andere Ressorts, oft trägt zum Beispiel der Vorstandschef oder Finanzchef zusätzlich die Rolle des Personalvorstands. Die Gefahr solcher Mischressorts: "Da entstehen Zielkonflikte, die für die einzelne Person nicht auflösbar sind", sagt Giertz. "Wenn es zum Beispiel um die Schließung eines Standorts geht, stehen sich finanzpolitische und beschäftigungspolitische Interessen gegenüber." Diese Zielkonflikte müsse die zuständige Person dann mit sich selbst ausmachen, anstatt sie im Vorstand zu diskutieren. Besser sei es, wenn große Unternehmen nicht nur einen eigenständigen Personalvorstand haben, sondern dieser auch noch Arbeitsdirektor im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes ist. In kleinen Unternehmen ist dies natürlich oft nicht möglich. Personalverantwortung muss hier im Rahmen der Möglichkeiten übernommen werden, so der Forscher der Hans-Böckler-Stiftung.

"Bei 80 Prozent Absolventinnen ist eine Frauenquote von 30 Prozent nicht gerade viel."

Ohne eigenständigen Personalvorstand mangele es an Verantwortlichkeit, Rollenklarheit und Fachwissen, schreibt der Studienautor. Betrachtet man die Geschlechterverteilung in Unternehmen, kommt noch ein Aspekt dazu: eine verfehlte Chance, mehr Frauen in den Vorstand zu kriegen. Denn Personalvorstände sind deutlich häufiger mit Frauen besetzt als andere Ressorts. Handelt es sich um einen eigenständigen Bereich, liegt die Frauenquote bei 32 Prozent; unter den Vorstands- und Finanzchefs mit Personalverantwortung sind jedoch nur fünf Prozent Frauen. Dabei könnten sich Frauen durch ein Personalressort einen ersten Zugang in männlich dominierte Vorstände verschaffen.

Das Fachwissen dazu haben sie auf jeden Fall: "Bei 80 Prozent Absolventinnen im Bereich Human Resources (HR) ist eine Frauenquote von 30 Prozent bei Personalvorständen nicht gerade viel - es gibt kaum einen Bereich, der diese gläserne Decke so deutlich zeigt", sagt der Sozialwissenschaftler Giertz. Dabei seien gerade Gleichstellung und Gleichberechtigung Themen, bei denen der Personalvorstand eine Schlüsselrolle einnehme.

Die Studie hat ausschließlich mitbestimmte Unternehmen untersucht - das heißt vereinfacht, dass der Aufsichtsrat je zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern und mit Vertretern der Anteilseigner besetzt ist. Viele Firmen nutzen jedoch juristische Schlupflöcher, um sich dieser gesetzlich vorgeschriebenen Mitbestimmung zu entziehen. Hier vermutet Giertz einen noch niedrigeren Anteil an eigenständigen Personalvorständen, anscheinend werden Beschäftigte dort nicht als strategischer Faktor mitgedacht.

Mischressorts können zu Konflikten führen

Auch Petra Nieken, Professorin am Institut für Unternehmensführung am Karlsruher Institut für Technologie, ist sich sicher: Ein eigenständiges Ressort funktioniere besser. Die Forschung sei gegen Mischressorts, eben wegen der möglichen Zielkonflikte, die Giertz in seiner Studie erwähnt. Durch den wachsenden Dienstleistungssektor gewinne das Personalwesen an Aufmerksamkeit, in der Tech-Branche zum Beispiel seien es die Mitarbeitenden, die die Innovationen schaffen. "Personal hat sich von einer rein administrativen hin zu einer strategischen Bedeutung entwickelt", sagt die Professorin für Human Resource Management.

Inwiefern ein Unternehmen abseits von einem eigenen Platz im Vorstand gute oder schlechte Personalpolitik betreibt, sei umso schwieriger nachzuweisen, meint Studienautor Giertz. Die "Ressource", die verwaltet wird, sei schließlich "ein handelndes Subjekt, dessen Aktivitäten schwierig vorauszusehen sind". So kann man die Arbeit mit Menschen natürlich auch beschreiben.

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