Personalarbeit:Warum immer mehr Bewerber zum Persönlichkeitstest müssen

Personalarbeit: Jeder Mensch hat Vorurteile, oft unbewusst. Persönlichkeitstest sollen sie im Bewerbungsverfahren ausblenden.

Jeder Mensch hat Vorurteile, oft unbewusst. Persönlichkeitstest sollen sie im Bewerbungsverfahren ausblenden.

(Foto: Maskot /imago images)

Konzerne wählen Kandidaten immer häufiger per Persönlichkeitstest aus. Welche Fragen man beantworten muss - und was das bringt.

Von Kathrin Werner

Wie würde man antworten, wenn das Ergebnis entscheidet, ob man den Job bekommt? "Ich wäre gerne Tiefseetaucherin" oder "Ich denke mehr über meine Fehler als über meine Erfolge nach"? In Persönlichkeitstests klicken sich Testpersonen durch Hunderte solcher Aussagen, auf die sie mit "Starke Ablehnung", "Ablehnung", "Zustimmung" oder "Starke Zustimmung" reagieren können. Darunter sind Aussagen wie "Mir macht ein Spiel nur Spaß, wenn ich gewinne", "Ich verstehe, warum Sterne funkeln" und "Es fällt mir schwer, mich natürlich zu verhalten, wenn ich mit Fremden zusammen bin".

Die Antworten auf den Fragebogen sollen offenbaren, was für ein Mensch man ist. Wer Chef oder Chefin eines großen Unternehmens werden will, muss heutzutage immer öfter einen solchen Test durchstehen. Personalabteilungen setzen sie inzwischen für die Besetzung immer niedrigerer Positionen ein und manchmal auch bei schon angestellten Mitarbeitenden, wenn es darum geht, an Schwächen zu arbeiten und Karrieren zu fördern. Bei jedem zweiten Such- und Auswahlprozess, bei dem Personalberater engagiert werden, kommen Persönlichkeitstests zum Einsatz, wie der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) ermittelt hat.

"Deutschland ist kein einfaches Feld - unter anderem wegen einer gewissen Grundskepsis", sagt Arne Adrian, der Vorsitzende des BDU-Fachverbands Personalberatung. Doch das ändere sich, unter anderem "weil mehr Unternehmen verstehen, dass sich eine wissenschaftlich neutrale Perspektive auf die Kandidaten lohnt". Laut einer Prognose soll der globale Markt für Persönlichkeitsbewertung von 7,4 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf 16,5 Milliarden Dollar im Jahr 2028 wachsen.

Einer der Marktführer für solche Tests ist Hogan Assessments, ein Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Oklahoma. In den USA ist Hogan der Standard-Persönlichkeitstest für große Unternehmen. Mehr als drei Viertel der 500 umsatzstärksten US-Unternehmen nutzen ihn, aber auch Mittelständler, Anwaltskanzleien oder Wagniskapitalgeber für die Analyse von Start-up-Gründerteams. In Deutschland kommt er bislang vor allem bei großen, internationalen Unternehmen zum Einsatz. "Die Personalarbeit wird professioneller, das hilft uns", sagt Zsolt Feher, der Geschäftsführer von Hogan für alle Länder außer dem Heimatland des Unternehmens, den USA.

Personalarbeit: "Die Leute denken, dass sie auf eine Frage auf eine bestimme Art und Weise antworten müssen, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, aber in Wirklichkeit ist es ganz anders", sagt Zsolt Feher von Hogan.

"Die Leute denken, dass sie auf eine Frage auf eine bestimme Art und Weise antworten müssen, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, aber in Wirklichkeit ist es ganz anders", sagt Zsolt Feher von Hogan.

(Foto: privat)

Den Hogan-Test zu beantworten, dauert gut 45 Minuten. Alle Antworten zusammen sollen ein Bild über den Kern der Persönlichkeit ergeben: Wie gesellig oder introvertiert ist der Mensch, der den wichtigen Job haben will? Wie gewissenhaft, wie geltungssüchtig, wie wissbegierig, wie einfühlsam? Hogan definiert das Wesen des Menschen durch drei Tests, die drei verschiedene Bereiche abklopfen: Was sind Stärken und Schwächen im Alltag? Welche persönlichen Ziele, Interessen und Antriebe hat der Mensch? Und wie verhält er sich unter Stress, was sind also die Risiken, wenn er den Job bekommt?

Obwohl sie ihr Innerstes nach außen kehren müssen, weigern sich Menschen nur sehr selten, Persönlichkeitstests zu machen, sagt Arne Adrian vom Verband BDU. Die Bereitschaft dazu sei vor allem eine Frage der Kommunikation. Personaler müssen gut erklären, warum sie den Test einsetzen, wie er funktioniert und dass er auch Vorteile für die Bewerberinnen und Bewerber habe. "Es hilft, wenn man herausstellt, dass es nicht nur darum geht, sich für oder gegen einen Kandidaten zu entscheiden, sondern auch darum, sich besser kennenzulernen, damit man die ersten Monate zusammen gut gestalten kann", so Adrian. Richtige und falsche Ergebnisse gebe es ohnehin nicht. Und von Job zu Job unterscheide sich stark, welche Persönlichkeitsmerkmale erwünscht sind.

Bei den absoluten Top-Positionen kämen Persönlichkeitstests in Deutschland noch immer eher selten zum Einsatz, sagt Sabine Thiemann vom Personalberater I-Potentials. Es gebe ein Akzeptanzproblem und die Furcht, dass ein neutraleres, strukturiertes Verfahren zu Ergebnissen führt, die man nicht will. "Die Manager, die Kandidaten auswählen, haben oft schon eine Präferenz und finden es gefährlich, dass sie ihren Favoriten nicht einstellen können, wenn er im Persönlichkeitstest nicht gut abschneidet", sagt Thiemann.

Probleme mit der Akzeptanz habe Hogan dagegen nur selten, sagt Zsolt Feher. Die meisten Menschen hätten zwar Respekt vor der Analyse, aber auch Freude daran, die Fragen zu beantworten. "Besonders Führungskräfte sind ja oft sehr ich-bewusst und wollen mehr über sich selbst erfahren", sagt Feher. Hogan bespricht die Testergebnisse nicht nur mit den auftraggebenden Unternehmen, sondern auch mit den Kandidatinnen und Kandidaten, die dann allerdings auch ertragen müssen, dass ihre Schwächen zur Sprache kommen.

Der Markt für Persönlichkeitstests ist groß

Wenn Feher Zweiflern begegnet, liege das meist daran, dass sie mit anderen Persönlichkeitstests schlechte Erfahrungen gemacht hätten, "die einfach keinen Sinn ergeben". Der Markt für Persönlichkeitstests ist groß, es gibt etliche Anbieter, und nicht alle Tests sind gleich seriös. In Deutschland gibt es einige Hundert. Sie kosteten zwischen 100 und 1000 Euro pro Teilnehmer. "Ich halte die Verfahren für geeignet, die nicht zu starr typisieren, weil Persönlichkeit viele Facetten hat", sagt Arne Adrian. Viele gängige Tests beruhen auf dem sogenannten Myers-Briggs-Typenindikator, der inzwischen sehr umstritten ist, weil er Menschen schematisch in zu enge Gruppen einteilt. Tests wie der von Hogan dagegen messen verschiedene Eigenschaften auf einer Skala. Sie sind oft Weiterentwicklungen des sogenannten Fünf-Faktoren-Modells, dem Referenzmodell in der Persönlichkeitspsychologie.

Vor einigen Jahren gab es auch einigen Wirbel um das Start-up Precire, das die Persönlichkeit von Bewerbern mithilfe von künstlicher Intelligenz analysieren wollte, die auswertete, wie Menschen sprechen - was nicht zuverlässig funktionierte. "Wir als gesamte Branche müssen daran arbeiten, Vertrauen wieder aufzubauen", sagt Feher. Ein Problem für Personaler, oft Laien ohne ausgewiesene Fachkompetenz, sei aber, dass es nicht leicht ist, zwischen guten und schlechten Tests zu unterscheiden, sagt Thiemann. "Es gibt einen Hype und eine sehr kommerzielle Vermarktung, die suggeriert, dass man mit ein paar schnellen Fragen den Erfolg eines Managers voraussagen kann."

Hogan, gegründet 1987 von den amerikanischen Eheleuten und Psychologieprofessoren Robert und Joyce Hogan, wirbt mit 50 Jahren Erfahrung - mehr als neun Millionen Menschen weltweit haben den Test schon absolviert - und den vielen Wissenschaftlern, die die Testfragen erstellen und immer wieder überarbeiten. Im vergangenen Jahr kamen die Hogan-Tests in allen Ländern der Welt außer Nordkorea zum Einsatz - und überall werden sie an kulturelle Besonderheiten angepasst. Es gibt die Tests in 56 Sprachen, in Deutschland seit Kurzem mit geschlechtergerechter Schreibweise. Jede Antwort im Test wird mit Hunderttausenden anderen Antworten abgeglichen. So wird die Besonderheiten des Einzelnen ermittelt. Der Test gilt als einer der zuverlässigen, auch weil die gleiche Person ähnlich abschneidet, wenn sie ihn wiederholt. Dennoch warnen Experten davor, die Testergebnisse für hundertprozentig sicher zu halten. "Ein Persönlichkeitstest kann ein wertvoller Mosaikstein in einem professionellen Auswahlverfahren sein", sagt Sabine Thiemann.

Die Richtige Antwort gibt es nicht

Ein Problem ist das sozial erwünschte Antworten. Wer sich auf einen Chefposten bewirbt, wird sich im Test eher nicht ankreuzen, dass er die meisten Mitmenschen verabscheut. Dennoch sei es schwer zu mogeln, sagt Feher. "Die Leute denken, dass sie auf eine Frage auf eine bestimme Art und Weise antworten müssen, um zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, aber in Wirklichkeit ist es ganz anders." Die Fragen seien komplex formuliert, es sei oft unklar, welche Antwort zu welchem Ergebnis führe. Außerdem stelle der Hogan-Test die gleiche Frage auf viele verschiedene Arten und filtere so Tricksereien heraus. "Es passiert eigentlich nicht, dass sich Menschen nach den Tests nicht in ihren Ergebnissen selbst wiedererkennen", sagt Feher.

Im Idealfall bespreche das Hogan-Team mit den Personalern zuerst ein konkretes Profil, also welche Eigenschaften die ideale Person für die Stelle hat. Dann sucht es Kandidaten, die dem Profil entsprechen. Nach dieser Vorauswahl beginnen dann die Gespräche. "Wir würden nie dazu raten, die Entscheidung nur auf das Testergebnis zu basieren", sagt Feher. "Aber es hilft, die Gespräche strukturierter und objektiver zu führen."

Das Ziel der Persönlichkeitstests ist, einen neutraleren Blick auf die Kandidaten zu bekommen und so die richtigen Menschen zu finden, weil etwa die Hautfarbe oder das Geschlecht keine Rolle mehr spielen. "Die wissenschaftlich fundierten und somit aussagekräftigen Tests sind in der Durchführung und Auswertung objektiv, valide und zuverlässig", sagt Thiemann. "Interviews haben ein größeres Risiko der Wahrnehmungsverzerrung." Jeder Mensch hat Vorurteile, oft unbewusst. Selbst wenn man sich Mühe gibt, tendiert man dazu, Menschen zu bevorzugen, die einem ähneln oder die einfach sehr sympathisch sind. "Kandidaten begrüßen es zunehmend, wenn es ein professionelles und möglichst objektives Auswahlverfahren gibt", sagt Thiemann. "So können sie sich darauf verlassen, dass sie ausgewählt werden, weil sie die richtigen Eigenschaften haben."

Der derzeitige Fachkräftemangel hat Hogan zunächst Sorgen gemacht, weil Unternehmen nichts anderes übrig bleiben könnte, als einfach jeden einzustellen, der sich bewirbt, oder sie sich nicht trauen, mehr Zeit für den Testprozess einzuplanen , weil Kandidaten sonst abspringen. Bislang sei es dazu aber nicht gekommen, sagt Feher. "Es gibt ein großes Bewusstsein dafür, wie teuer es sein kann, die falsche Person einzustellen."

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