Perry Soldan über Bonbon-Firma:"Wenn es nur noch eine dünne Scheibe ist, beiße ich es durch"

Soldan

Bonbons vom Band.

(Foto: Soldan)

Hinter Bonbons wie Em-eukal steht die Firma Dr. C. Soldan. Im Interview spricht der Chef über die Kunst, neue Karamellen auf den Markt zu bringen - und den Konkurrenten Ricola.

Von Elisabeth Dostert

SZ: Waren Sie dieses Jahr schon erkältet?

Perry Soldan: Nein. Ich bin nicht sonderlich anfällig. Eine angemessene Ernährung, ein bisschen Sport und alternative Medizin sind die beste Vorbeugung.

Ich hatte schon befürchtet, Sie nutzen die Frage um für Ihre Bonbons zu werben.

Die sind doch nicht vorbeugend. Die kommen bei den ersten Anzeichen einer Erkältung zum Einsatz.

Schaffen Sie es eigentlich, so ein Bonbon zu Ende zu lutschen, bis es sich völlig aufgelöst hat?

Nein, wenn es nur noch eine dünne Scheibe ist, beiße ich es auch durch.

Die Firma

Dr. C. Soldan GmbH

  • Sitz: Adelsdorf bei Erlangen
  • Gründer: Dr. Carl Soldan
  • Umsatz: ca 72 Millionen Euro (brutto im Geschäftsjahr 2013/2014)
  • Mitarbeiter: ca. 200
  • Gesellschafter: Helga Soldan, 71, und Perry Soldan, 48

Lutschen Sie öfters mal fremd?

Ich muss doch sehen, was auf dem Markt ist.

Welcher Konkurrent beeindruckt Sie am meisten?

Beeindruckt! Das ist mir ein zu großes Wort.

Bewundern?

Eher Respekt. Die aus der Schweiz.

Der Name Ricola kommt Ihnen nicht über die Lippen?

Nein.

Aber der Name klingt doch eigentlich ganz gut?

Ein wenig hart.

Aber er ist marktgängiger. Er spricht sich leichter aus als Em-eukal, ein leicht auszusprechender Markenname erleichtert doch die Internationalisierung, oder?

Jetzt sind Sie in die gleiche Falle gegangen wie alle anderen auch. Die haben einfach ein größeres Werbebudget.

Die sind ja auch deutlich größer als Ihre Firma, obwohl Ricola ein paar Jahrzehnte später angefangen hat. Die machen gut 300 Millionen Schweizer Franken Umsatz, Sie gerade mal 70 Millionen Euro. Das ist schon ein Größenunterschied!

Nichts, was nicht überbrückbar wäre.

Machen Sie Scherze?

Nein. Ricola ist ein Mittelständler genauso wie wir. So groß können wir auch werden.

Das klingt jetzt ganz schön selbstbewusst!

Seit ich 2005 die Führung übernommen, habe ich dazugelernt. Als ich zum ersten Mal auf der Süßwarenmesse in Köln war und die ganzen Bonbon-Anbieter gesehen habe, hatte ich schon Zweifel, ob ich in dieser Welt überleben kann. Die waren alle größer. Nach dem Tod meines Vaters Felix hat mir ein Beirat den Ratschlag gegeben, dass ich nach meiner Vision für die Firma suche. Das habe ich dann gemacht. Ich glaube, dass wir die Lücke schließen können.

In welchem Zeitraum wollen Sie denn die Umsatzlücke zu Ricola schließen?

Familienunternehmen denken in Generationen.

Heißt, Sie schaffen es nicht mehr, sondern Ihre Nachfolger. Das klingt dann doch wieder vernünftig. Was hatten Sie denn für Zweifel, damals in Köln?

Ob ich dieser Verantwortung gerecht werde.

Wann sind die Zweifel geschwunden?

Mit jedem kleinen Erfolg werden die Zweifel kleiner.

Es gibt also immer noch welche?

Ein paar Zweifel werden immer bleiben, ich bin Unternehmer.

Seit fast einem Jahrzehnt führen Sie die Firma. Welche wesentlichen Veränderungen gehen auf Ihr Konto?

Die Fokussierung auf das, was wir am besten können, die Herstellung von hochwertigen Bonbons.

Was haben Sie aufgegeben?

2005 habe ich unsere letzte Parfümerie geschlossen und 2007 die Druckerei.

Das muss weh tun, Geschäfte einzustellen, die Ihre Vorfahren aufgebaut haben? Ihre Tante Helga, der die Hälfte der Firma gehört, und Erika haben die Parfümerien geleitet.

Weh tat, dass ich Menschen entlassen musste, die mich auch von klein auf kannten. Aber es war wirtschaftlich notwendig. Wobei wir glücklicherweise einige davon in unsere Bonbonherstellung integrieren konnten. Es ist gefährlicher, wenn man weiß, dass solche Entscheidungen anstehen und man sie dann nicht trifft, sondern rumlaboriert. Das hat schon manches erfolgreiches Unternehmen in den Ruin getrieben.

Ihr Schweizer Konkurrent ist drei Jahrzehnte jünger und mehr als vier Mal so groß. Was hat Soldan falsch gemacht?

Vielleicht hat der Konkurrent auch was falsch gemacht. Der ist nicht so groß wie Nestle.

Der Vergleich hinkt, Nestle ist kein Konkurrent. Ricola und Em-eukal bewegen sich auf einem sehr ähnlichen Markt!

Die Frage, die sich jeder Unternehmer stellt, ist doch: Wann bin ich erfolgreich? Bin ich erfolgreich, wenn ich das Unternehmen in die nächste Generation führe - gesund und schuldenfrei? Oder bin ich erfolgreich, wenn ich der Größte bin gemessen am Umsatz oder am Gewinn? Oder bin ich erfolgreich, wenn ich die höchste Rendite in der Branche erziele?

Die Antwort, bitte!

Mein Vater und mein Großvater waren erfolgreich und zufrieden, weil sie der nächsten Generation einen Betrieb übergegeben konnten, der gut da stand, aber sicherlich nicht der größte. Wenn man Größe als Maßstab für den Erfolg nimmt, kann sich jeder schlecht denken. Ich bin froh, wenn ich unser Familienunternehmen so weiterentwickeln kann, dass wir ein relevanter Marktteilnehmer bleiben.

Heißt: Sie müssen wachsen!

Wir müssen unter anderem auch deswegen wachsen, weil die Kosten jedes Jahr steigen. Und wir wollen den Markt für Bonbons mit Wirkung definieren so wie Apple einige Jahre den Markt für Smartphones definiert hat. Wir wollen als Bonbonmacher den Maßstab für Rezepturen und Verpackungen auf unserem Markt setzen. Das ist die Vision.

Gewinn ist für Sie kein Erfolgsmaßstab?

Doch und noch mehr der Cashflow, um unsere Unabhängigkeit zu wahren. Wir brauchen eine angemessene Rendite, um zu überleben. Ob es aber 0,1 Prozent mehr oder weniger sind, spielt keine Rolle.

Definieren Sie mal angemessen?

Wir streben eine zweistellige Rendite an.

Vor Steuern?

Immer vor Steuern, den Staat haben wir ja nicht im Griff.

Fühlen Sie sich vom Staat drangsaliert?

Nicht steuerlich. Aber in den Regularien, die er uns für die Verkehrsfähigkeit unserer Produkte auferlegen.

Ein Beispiel, bitte?

Uns fehlt Rechtssicherheit und politische Beständigkeit.

Das ist zu pauschal!

Die Lebensmittel-Informationsverordnung, die seit Mitte Dezember verbindlich in allen EU-Mitgliedstaaten gilt, hat uns 750 000 Euro gekostet. Wir mussten jede Verpackung ändern. Wir mussten Rezepturen anpassen, weil manche Deklarationen nicht mehr zulässig sind. Wir haben früher Bonbons mit Kiwi-Extrakt grün eingefärbt. Kiwi-Extrakt gilt nicht mehr als natürlich. Deshalb müssen wir jetzt Spirula nehmen, weil wir nur natürliche Zutaten nehmen. Und jetzt wird schon wieder über die Lebensmittel-Ampel diskutiert. Jedes Mal die Verpackung ändern, kostet irre viel Geld. Ein Haus aus der Schweiz mit 300 Millionen Euro Umsatz mag das easy abbilden, einem Mittelständler wie uns fällt das schwerer. Für manche Firmen, und es gibt viele die kleiner sind als wir, ist so ein Betrag existenzgefährdend.

"Wenn die Fahne mal fehlt, gibt es Reklamationen."

Wie viele neue Produkte haben Sie seit Ihrem Amtseintritt auf den Markt gebracht?

Wir bringen jedes Jahr zwischen zehn und 15 neue Produkte auf den Markt.

Was ist so richtig gefloppt?

Roter Apfel ist nicht gut gegangen. Da haben wir versucht etwas fruchtiger zu werden, damit wir nicht nur auf dem Thema Erkältung unterwegs sind. Das funktioniert für die Marke Em-eukal nicht.

Haben Sie das neue Bonbon denn nicht probelutschen lassen?

Doch, natürlich. Geschmacklich war das eine wunderbare Rezeptur. Aber die letzte Hürde ist die Marke. Mit der Marke Em-eurkal verbindet der Verbraucher zuerst Wirkung und dann Geschmack.

Funktioniert Ingwer-Orange denn besser? Auf der Packung steht wie beim Roten Apfel natürlich erfrischend.

Ja, sehr gut sogar. Ich habe dazu eine Theorie. Das Konsumverhalten ist komplex. Auch wenn man viel Marktforschung betreibt, lassen sich nicht alle Fragen klären. Doch offensichtlich harmoniert Ingwer mit der Marke.

Welches Produkt verkauft sich am besten?

Bonbons mit Minze und Eukalyptus. Salbei-Bonbons verkaufen sich auch gut.

Macht Sie das nicht nervös, dass Ihnen seit Jahrzehnten kein Knaller mehr eingefallen ist und der Verkaufsschlager immer noch grün eingewickelte Karamellen sind?

Nein. Und es gibt ja neue Produkte, die gut angelaufen sind wie Em-eukal als Gummidrops.

Wieso tragen diese Verpackungen noch Ihren Slogan "Nur echt mit der Fahne"? Die Gummidrops sind nicht einzeln verpackt.

Damit sich der Verbraucher orientieren kann. Der verbindet Em-eukal mit der Fahne. Wenn die Fahne mal fehlt, was selten genug vorkommt, gibt es Reklamationen. Die Fahne gehört zur Marke.

Die Fahne macht die Verpackung doch teurer?

Ja, aber auch einzigartig.

Wäre es das Ende von Em-eukal, wenn sie Bonbons ohne Fähnchen im Wickelpapier verkaufen würden?

Nicht das Ende, aber wir würden viel verlieren. Wir würden etwas Großes aufgeben.

Weil der Verbraucher so schwer erziehbar ist?

Nicht schwer erziehbar, aber er gewöhnt sich nur langsam an Neues. Es ist schon schwer genug ihm beizubringen, dass wir nicht nur Eukalyptus und Salbei sind, sondern auch andere gute Rezepturen, das ist schon ein harter Weg.

Ist das wirklich so schwer? Der Verbraucher lässt sich doch auch jede Menge neue Joghurts oder Smartphones aufschwatzen!

Aber da stehen gigantische Budgets und Fernsehwerbung dahinter. Wenn sie die Budgets, wie zum Beispiel Konkurrenten aus der Schweiz nicht haben, dauert es länger, dem Verbraucher etwas Neues beibringen.

Fernsehwerbung können Sie sich nicht leisten?

Noch nicht. Aber wenn wir in die erste Liga wollen, müssen wir irgendwann ins Fernsehen. Wir modernisieren nicht nur die Produkte und den Marktauftritt, sondern das ganze Unternehmen.

Was heißt das konkret?

Die Mitarbeiter sind stärker involviert. Früher gab es keine Informationen von oben, da war alles geheim, die Bücher, die Ergebnisse, die Umsätze.

Weiß denn heute jeder Ihrer Mitarbeiter, was Soldan verdient?

Nein, das interessiert die Leute doch gar nicht. Wir sind heute viel transparenter, wie kommunizieren bei jeder Veranstaltung unsere Unternehmensziele. Wir beschreiben die Wege, wie wir sie erreichen wollen. Alle sollen wissen, wo die Reise hingeht. Früher gab es auch keine Betriebsveranstaltungen. Ich verschicke auch Video-Botschaften.

Wann gab es denn die letzte, und was hatten Sie mitzuteilen?

Anfang Dezember die Neubesetzung einer Position in der Produktion. Ich habe erläutert, warum wir die Stelle brauchen.

Wäre es nicht persönlicher, Ihre Mitarbeiter in der Kantine zu versammeln und es ihnen direkt zu sagen?

Das machen wir auch zwei Mal im Jahr.

Wie sieht denn Ihr Reiseziel für das Jahr 2020 aus?

Bis dahin wollte ich die Erlöse im Vergleich zu meinem Amtsantritt verdoppeln. Wir wollen DIE Bonbonmacher in Deutschland werden.

Wie hoch waren die Erlöse, als Sie die Führung übernahmen?

Im Bonbon-Geschäft, also im verbliebenen Kerngeschäft, bei ungefähr 50 Millionen Euro.

Schaffen Sie die Verdoppelung?

Das Ziel steht und fällt mit den neuen Artikeln.

Gehört es auch zu Ihren Zielen, dass Ihre Kinder mal die Nachfolge antreten?

Wer denn sonst?

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