Süddeutsche Zeitung

Pensionskassen:Tausenden drohen Kürzungen bei Betriebsrenten

  • Zehn Pensionskassen mit 130 000 Betroffenen sind besonders gefährdet.
  • Ziel ist es, Kürzungen der Betriebsrenten doch noch zu vermeiden.
  • Notfalls müssen Unternehmen einspringen.

Von Jonas Tauber, Berlin

Die Bundesregierung hat zum ersten Mal das Ausmaß der Krise bei den Pensionskassen öffentlich gemacht. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen teilt das Finanzministerium mit, dass die Finanzaufsicht Bafin "intensive Gespräche" mit 45 Pensionskassen führt. Das Ziel sei es, Kürzungen der Betriebsrenten zu vermeiden.

Bei diesen Kassen haben 2,8 Millionen Angestellte Versorgungsansprüche, rund 300 000 von ihnen beziehen bereits eine Rente. Zehn Kassen mit 130 000 Betroffenen - 30 000 davon in Rente - sind besonders gefährdet.

Bereits im Mai hatte die Bafin öffentlich gewarnt, dass die Leistungsfähigkeit einiger Pensionskassen ohne frisches Kapital bedroht sei und die Behörde ihre Aufsicht deshalb verstärkt habe.

Niedrige Zinsen treffen Pensionskassen besonders hart

Mittels der Pensionskassen haben zahlreiche Unternehmen die betriebliche Altersversorgung (bAV) für ihre Mitarbeiter organisiert. Doch die niedrigen Zinsen treffen Pensionskassen besonders hart, weil sie, anders als die Lebensversicherer, ausschließlich lebenslange Renten auszahlen.

Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt, während die Renditen sinken. Die Aufsicht dringt darauf, dass die hinter den 45 in Bedrängnis geratenen Kassen stehenden Unternehmen frisches Kapital nachschießen. Sonst drohen Leistungskürzungen. Ein Bafin-Sprecher sagte, es lägen bereits Zusagen mehrerer Unternehmen vor. Im Mai waren zwölf Pensionskassen besonders bedroht. Inzwischen haben zwei Unternehmen feste Zusagen für frisches Kapital gegeben. Heute sind noch zehn Anbieter in kritischem Zustand, präzisiert die Regierung jetzt. Die Nennung der Namen lehnt sie aus wettbewerbsrechtlichen Gründe ab.

Ärger über Geheimhaltung

Der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick kritisiert die Geheimhaltung. Der Lebensstandard vieler Menschen hänge von den Auszahlungen ihrer Pensionskasse ab. "Sie haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie es um die Kasse steht und ob sich Beiträge noch lohnen."

Für Arbeitgeber bergen die Probleme von Pensionskassen große Risiken. Denn wenn die Kasse die Leistungen kürzt, können Mitarbeiter und frühere Angestellte die Differenz vom Arbeitgeber verlangen. Er haftet für die zugesagten Leistungen. Doch der Bafin-Sprecher stellt klar: "Diese Einstandspflicht greift nur, wenn der Arbeitgeber noch existiert."

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) betont, dass die 20 von Versicherern gegründeten Pensionskassen sogenannte deregulierte Kassen sind, deren Zusagen über den Reservetopf der Branche, die Zinszusatzreserve, abgesichert sind, und die bei finanzieller Schieflage unter das vom Staat organisierte Sicherheitsnetz fallen. Das ist anders bei den einst von Unternehmen gegründeten 120 regulierten Kassen, die Leistungen senken und Beiträge anheben können.

Allerdings leiden auch die versicherungseigenen Pensionskassen: 2016 hatte die von der Talanx kontrollierte Neue-Leben-Pensionskasse Leistungskürzungen angekündigt, nach Ansicht des GDV ein Sonderfall. Andere Versicherer versuchen, diese Töchter schnell loszuwerden. Im Januar hatte die Axa ihre Pro-BAV-Pensionskasse an den von chinesischen Investoren kontrollierten Run-off-Spezialisten Frankfurter Leben verkauft.

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SZ vom 13.07.2018/hgn
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