Roger Federer:Und er schweigt

Lesezeit: 3 min

Roger Federer bei einer Autogrammstunde nach seinem Training in Hangzhou, China. Seine Fanbase ist dort groß, er wird von vielen bewundert. (Foto: Zhan Yu/Imaginechina)

Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai verschwindet, der Fall löst globale Aufruhr aus. Von ihrem berühmtesten Kollegen Roger Federer hört man: nichts. Er will in China eigene Geschäfte machen.

Von Uwe Ritzer

Die Abgesänge haben begonnen. Und einher mit ihnen diskutiert die globale Tennis-Community die Frage, ob Roger Federer den richtigen Moment für ein angemessenes Karriereende schon verpasst hat. 40 Jahre ist der Schweizer inzwischen alt, er ist einer der ganz Großen des Weltsports, aber nach dessen Maßstäben auch ein Methusalem. Inzwischen verbringt er mehr Zeit auf Operationstischen, in Reha und beim Aufbautraining als auf Turnierplätzen, auch aktuell ist er noch auf viele Monate hinaus verletzt.

Aber Federer will nicht aufhören. Finanzielle Gründe können es nicht sein; Experten schätzen sein Vermögen auf eine halbe Milliarde Euro; 2019/2020 verdiente dem Magazin Forbes zufolge kein Sportler mehr Geld, 106,3 Millionen US-Dollar. Dass es ihm nach seiner Tenniskarriere langweilig wird, ist unwahrscheinlich. Roger Federer ist längst seine eigene Marke und erfolgreicher Unternehmer seiner selbst. Genau in dieser Rolle jedoch hat der smarte Schweizer gerade ein Problem.

Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai ist verschwunden; es scheint, als habe das Regime in Peking die 35-Jährige aus dem Verkehr gezogen. Aus Rache, weil sie einen der früher ranghöchsten Politiker des Landes öffentlich des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hat. Die Sportwelt ist in Aufruhr und Sorge; die WTA, die Profiorganisation im Frauentennis, sagte bis auf weiteres alle Turniere in China und Hongkong ab. Für Roger Federer kommt all dies zur Unzeit. Denn er ist wie kein anderer Tennisprofi geschäftlich mit China verbandelt. Was wohl seine Zurückhaltung im Fall Peng Shuai erklärt. Vorsichtig sprach er bei Sky Italia von "schon sehr beunruhigenden Nachrichten" und äußerte die Hoffnung, dass es der Berufskollegin gut gehe. Im Übrigen halte die Tennisfamilie zusammen, das wisse er ganz genau, sei sie schließlich seine zweite Familie.

Das war's. Kein weiteres Interview, kein Wort auf seiner Internetseite oder seinem Twitter-Kanal, wo ihm 12,7 Millionen Menschen folgen. Stattdessen bedankte sich Federer bei seinem Sponsor Credit Suisse dafür, dass dieser auch seine Stiftung unterstützt, den armen Kindern in Afrika hilft. Würde Roger Federer Peng Shuai helfen, wenn er sich mit den Machthabern in Peking anlegen würde? Es würde zumindest den Druck auf China erhöhen, wo der Schweizer zu den beliebtesten ausländischen Sportlern zählt. Andererseits würde Roger Federer vermutlich seinen Geschäften massiv schaden und schlimmstenfalls zerstören, was sein Manager Tony Godsick seit Jahren kontinuierlich aufgebaut hat.

So flog Federer Ende 2019 aus seinem Zweitwohnsitz Dubai für zwei Tage ins ostchinesische Hangzhou, und zwar nur, um mit dem Deutschen Alexander Zverev ein wenig Spaß-Tennis zu spielen, Autogramme zu schreiben, ein paar Bälle mit chinesischen Kindern zu schlagen und an einem Charity-Dinner teilzunehmen. Den Flughafen und große Hausfassaden in der Neun-Millionen-Einwohner-Stadt zierten riesige Fotos von Federer. Der verpflichtete sich, als Zugpferd bis 2023 am Hangzhou Tennis Invitational teilzunehmen, einem Einladungsturnier. Dessen Veranstalter ist der staatliche Mischkonzern Shanghai Jiushi Group, der auch in Shanghai ein Tennisturnier und das Formel-1-Rennen durchführt.

Medienberichten zufolge ließ sich Federer auch als Werbe-Testimonial für die Asienspiele einspannen, die im September 2022 ebenfalls in Hangzhou stattfinden. Ein sportliches Großereignis wie gemacht für die Regierung in Peking, um sich zu inszenieren. Und ausgerechnet Federer hilft dabei, der "Inbegriff von Konsens, Diplomatie und Neutralität", wie Simon Häring irritiert schrieb, Journalist und einer der besten Schweizer Federer-Kenner.

"Roger und seine Bekanntheit, auch in China, helfen uns dort enorm."

Dass manche Sportler wenig Skrupel kennen und sich für viel Geld von zweifelhaften Regimen vor deren Image-Karren spannen lassen, weiß man nicht erst, seit Ex-NBA-Basketballstar Dennis Rodman Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un mit seinem Besuch adelte, oder die deutsche Fußballlegende Lothar Matthäus in Grosny freundschaftlich mit dem tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow kickte.

Federers geschäftliche Interessen in China gehen allerdings über die schnelle Groß-Gage hinaus. Die Schweizer Sportschuhfirma On arbeitet mit Hochdruck daran, sich den chinesischen Markt zu erschließen. Federer ist nicht nur mit schätzungsweise bis zu 100 Millionen Schweizer Franken an On beteiligt, sondern auch der wichtigste Werbeträger der Marke. "Roger und seine Bekanntheit, auch in China, helfen uns dort enorm", sagte vor kurzem On-China-Chefin Bianca Pestalozzi der Handelszeitung. "Seine Fanbase in China ist groß, er wird wie in der Schweiz als Athlet und Mensch von vielen Chinesen bewundert."

Ähnlich Expansionspläne verfolgt Federers Textil-Sponsor Uniqlo. Die japanische Bekleidungsfirma will die Zahl ihrer 820 Geschäfte in China binnen zehn Jahren verdreifachen. Federer, seit seiner Trennung vom langjährigen Ausrüster Nike 2018 bei Uniqlo unter Vertrag, soll dabei helfen. Angeblich zahlt ihm Uniqlo 30 Millionen Euro jährlich; der Vertrag läuft zehn Jahre. Auch die Schweizer Süßigkeitenfirma Lindt und Sprüngli setzt Roger Federer ein, um mehr Schokolade in China zu verkaufen. In Werbespots trat Federer mit der bekannten Schauspielerin Xin Zhilei auf, oder wünschte den Chinesen auf Mandarin ein gutes neues Jahr.

Da passt der Fall Peng Shuai nicht wirklich ins Konzept. Was im Übrigen nicht nur für Roger Federer gilt, sondern für das gesamte Herren-Profitennis. Zwar ist die Tennisspielerin kurzzeitig in Videos zu sehen gewesen, soll aber nach allem, was bekannt ist, weiter unter Hausarrest stehen. Anders als die Frauen-Organisation WTA lehnt der Männerbund ATP einen China-Boykott ab. Was wenig verwundert, denn an jener ATP-Tochterfirma, welche die Fernsehrechte an den Turnieren vermarktet, ist die Firma Shanghai Juss Event Management mit zehn Prozent beteiligt. Und sie gehört wiederum zur Shanghai Jiushi Gruppe - Roger Federers Geschäftspartner im Fall Hangzhou.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: