Mobilität:Weg mit der Pendlerpauschale

Mobilität: Pendlerverkehr in Köln.

Pendlerverkehr in Köln.

(Foto: Christoph Hardt via www.imago-images.de/imago images/Future Image)

Die Entlastung von Autofahrern geht in Deutschland zu weit. Um Pendler und Klima zu schonen, gibt es bessere Lösungen. Auch für jene, die auf dem Land leben.

Kommentar von Nakissa Salavati

Glücklich macht Pendeln nicht, so viel ist klar. Weder die Städter, die sich über Staus vor ihrer Haustüre ärgern, noch die Pendler, die ebenfalls genervt sind: von langen Wegen, schlechten Anbindungen und von Menschen, die es in der Stadt am liebsten genauso grün hätten wie die auf dem Land. Vor allem aber ist die Debatte derzeit so emotional, weil Inflation und Klimawandel das Problem verstärken. Wie soll das gehen: Menschen entlasten, die aufs Auto angewiesen sind und gleichzeitig klimaneutrale Mobilität fördern? Anlass zum Streit hat gerade Christian Lindner (FDP) gegeben, der sich vorstellen könnte, die Pendlerpauschale erneut zu erhöhen. Schließlich gelte diese steuerliche Entlastung für jedes Verkehrsmittel - also etwa auch fürs Fahrrad - und sei "ein faires Instrument". Damit macht es sich der Bundesfinanzminister allerdings sehr leicht und er hat offenbar auch eine eigenwillige Definition davon, was fair bedeutet. Denn die Pendlerpauschale entlastet eben nicht jene, die unter der Inflation besonders leiden und bezuschusst vor allem lange Autofahrten. Die Pendlerpauschale gehört nicht erhöht, sondern in ihrer bisherigen Form abgeschafft.

Eine Auswertung des Statistischen Bundesamts hat gerade ergeben, dass besonders Geringverdiener lange Wege zur Arbeit auf sich nehmen. Auf den ersten Blick könnte man nun denken, sie seien es auch, die von einer höheren Pendlerpauschale profitierten. Allerdings erhalten sie über die Werbekosten eine deutlich geringere steuerliche Entlastung als Pendler mit höheren Einkommen. Man kann das gerecht finden, schließlich zahlen Gutverdiener grundsätzlich auch mehr Steuern. Wenn man aber die gezielte Entlastung ärmerer Menschen im Sinn hat, ist die Pendlerpauschale kein geeignetes Mittel. Die Mobilitätsprämie als Ergänzung zur Pendlerpauschale wiederum soll unabhängig vom Steuersatz Geringverdiener unterstützen. Leider hat auch sie Nachteile, weil der bürokratische Aufwand steigt, eine Steuererklärung notwendig ist und die Erstattung nicht besonders üppig ausfällt.

Die Verbraucherzentrale etwa schlägt stattdessen ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld vor, das alle erhalten und von dem relativ gesehen Geringverdiener am meisten hätten. Das Entlastungsproblem wäre damit vielleicht gelöst, der Klimaschaden aber bliebe. Denn solange sich der Betrag an den gefahrenen Kilometern orientiert, bekommt viel, wer viel fährt. Das ist auch das Problem der Pendlerpauschale. Und lange Wege legen die meisten immer noch mit dem Auto zurück.

Die Entlastung wirkt für Menschen mit weiten Arbeitswegen

Das hat die Auswertung der Statistiker nämlich auch gezeigt: 90 Prozent der Pendler vom Land bestreiten mindestens einen Teil ihres Arbeitswegs mit dem Auto und sogar 67 Prozent der Städter. Die einen können oft nicht anderes, die anderen sind schlicht bequem. Wie also zum Umsteigen bewegen? Es gäbe die Möglichkeit, nur jenen einen Entlastung zuzugestehen, die keine Alternative haben, weil es im ländlichen Raum oft keinen öffentlichen Nahverkehr gibt. Sie könnten die Pauschale geltend machen, andere mit Verkehrsanbindung nicht. Zeitlich begrenzt wäre dies eine Lösung, wenn parallel dazu Bus und Bahn ausgebaut würden und es endlich eine echte Strategie für E-Mobilität gäbe.

Kostet alles, stimmt. Aber Einsparungen sind möglich. Die Grünen etwa wollen das Dienstwagenprivileg streichen und Kerosin nicht länger von der Energiesteuer befreien, um vergünstigten Nahverkehr zu finanzieren. Die spanische Regierung wiederum will dafür eine Sondersteuer auf Gewinne von Ölkonzernen einführen. Dagegen gibt es berechtigte Einwände, natürlich, auch von der Industrie. Die perfekte Lösung mag es nicht geben, aber eine bessere schon. Dazu gehört, weiter zu denken: Wer zum Beispiel gezielt mittelgroße Städte aufwertet - etwa, weil Ämter, Zweigstellen von Universitäten und Firmen dort ihren Sitz haben - ermöglicht kürzere Arbeitswege und entlastet Großstädte. Die Pendlerpauschale zu erhöhen, ist jedenfalls mutlos und erinnert an Zeiten, als Stadt und Land für Autos gebaut wurden. Um Hitzewellen und Energiekrisen zu überstehen, ist das keine Lösung mehr, auch keine soziale.

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