Eine höhere Pendlerpauschale sei eine prima Sache, glaubt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), so könne man die Menschen zusätzlich entlasten. Schließlich sind Kraftstoffe, wie viele andere Produkte, gerade besonders teuer. Von einer höheren Pauschale "profitieren alle, denn das gilt unabhängig von Auto, Bahn und Fahrrad", sagte Lindner. SPD-Chefin Saskia Esken widersprach: Geringverdiener profitierten von solchen Erleichterungen kaum oder gar nicht. Stattdessen bekämen Menschen Hilfe, die sie nicht bräuchten. Pendler müssten zwar entlastet werden, sagt Esken, sie hält aber eine Mobilitätsprämie für sinnvoller, die allen zugutekäme.
Eine aktuelle Auswertung des Statistischen Bundesamtes schlüsselt nun auf, wer besonders viel Arbeitsweg zurücklegen muss. Die Daten zeigen: Geringverdiener pendeln durchschnittlich am längsten. Demnach legten Pendlerinnen und Pendler, die jährlich weniger als 10 000 Euro brutto verdienen, im Jahr 2018 durchschnittlich 32 Kilometer zurück, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Pendler mit 10 000 bis 50 000 Euro Bruttoverdienst fuhren im Schnitt 26 Kilometer, wer bis zu 100 000 Euro verdiente, 27 Kilometer. Für Menschen mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 500 000 Euro waren es 28 Kilometer. Erst ab mehr als einer halben Million Euro Verdienst sank der durchschnittliche Arbeitsweg wieder auf 25 Kilometer.
Hat Christian Lindner also recht, profitieren alle und vielleicht sogar besonders diejenigen, die am wenigsten verdienen? Wer pendelt, kann in Deutschland unabhängig vom Verkehrsmittel bis zu 30 Cent pro Kilometer des einfachen Arbeitswegs geltend machen, seit einer Reform sind es in diesem Jahr vom 21. Kilometer an 38 Cent. Die Statistiker erfassen nur Fälle, die über dem Arbeitnehmer-Pauschalbetrag von 1000 Euro liegen. Wer darunter bleibt, gibt die Pendelstrecke in der Steuererklärung häufig nicht an. Und wer unter dem Grundfreibetrag liegt - für Singles je nach Jahr zwischen 9000 und knapp 10 000 Euro - zahlt keine Steuern und wird in den Daten nicht erfasst. Es handelt sich also um vergleichsweise wenige Geringverdiener, die wirklich profitieren. In den Daten der Statistiker sind es etwa 243 000 Fälle, besonders groß ist entsprechend die Gruppe mit einem Bruttogehalt von 20 000 bis 50 000 Euro (mehr als 7,6 Millionen Fälle), die im Schnitt 26 Kilometer zurücklegt. Außerdem wirkt sich die Steuerprogression darauf aus, wer wie stark entlastet wird. Wer ein hohes Einkommen hat und damit auch einen hohen Steuersatz, profitiert stärker vom Abzug der Werbungskosten.
Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes stammen aus dem Jahr 2018, weil die Daten wegen langer Steuerfristen erst nach etwa dreieinhalb Jahren vollständig zur Verfügung stehen. Das Statistische Bundesamt hat daher auch noch keine verlässlichen Daten aus der Pandemiezeit. Eventuell gab es da eine Verschiebung: Menschen, die plötzlich nicht mehr zur Arbeit fahren mussten, und ihre Jobs von zu Hause erledigen konnten, verdienen meist mehr als Erwerbstätige, die weiter pendeln mussten, um auf Baustellen, in der Gastronomie oder in Kindergärten zu arbeiten.
Die Pendlerpauschale ist nicht nur umstritten, weil sie besonders Gutverdiener entlastet, sondern auch, weil sie einen Anreiz bietet: Erwerbstätige nehmen einen langen Weg zwischen Wohn- und Arbeitsort in Kauf, und legen diesen oft klimaschädlich zurück. So zeigen die Daten auch, wie Arbeitsweg und Wohnort zusammenhängen. Wer in einer Großstadt mit mehr als 100 000 Einwohnern lebt, pendelt weniger (23 Kilometer) als jemand aus der Kleinstadt (28 Kilometer). Und, wenig überraschend: Je ländlicher der Wohnort, desto häufiger nutzt er oder sie auch das Auto. In Landgemeinden gaben sogar 90 Prozent an, zumindest einen Teil der Strecke das Auto zu nutzen, in Großstädten waren es immerhin noch 67 Prozent. Zwar gilt die Pendlerpauschale für alle Verkehrsmittel, sie lohnt sich aber erst ab längeren Strecken und zwar für solche, die man üblicherweise nicht mit dem Fahrrad bewältigt.