Süddeutsche Zeitung

Online-Bezahldienste:Paydirekt ist vorerst gescheitert

Die deutschen Banken haben das Bezahlsystem als Großangriff auf Paypal gestartet. Nun zeigt sich: Paydirekt wird kaum genutzt. Noch ist der Kampf jedoch nicht ganz verloren.

Kommentar von Meike Schreiber

Eigentlich war das Verkaufsargument gar nicht so schlecht, das die deutschen Banken ausgetüftelt hatten, als sie 2015 zum Großangriff auf den amerikanischen Zahlungsriesen Paypal ansetzten: Sie warben mit dem deutschen Datenschutz, um ihrem Bezahlsystem Paydirekt den Startschub zu geben. Das Kalkül: Die heimischen Kunden würden sich immer häufiger für ein deutsches Verfahren entscheiden, wenn sie im Internet Bücher, Kleidung oder Reisen bezahlen. Dort wären ihre Zahlungsdaten sicher und würden nicht auf undurchsichtigen Wegen an Dritte weiterverkauft.

Gezogen hat das leider nicht: Vier Jahre später ist klar: Die deutschen Banken sind vorerst gescheitert mit ihrem Paypal-Klon. Nennenswerte Marktanteile hat Paydirekt jedenfalls nicht errungen. Zwar kaufen die Bürger immer mehr Waren im Internet ein. An den deutschen Geldhäusern geht der Boom aber weitgehend vorbei. Stattdessen profitieren Paypal oder US-Kreditkartenanbieter. Die deutschen Banken und Sparkassen verdienen allenfalls, wenn die Kunden an der Ladenkasse mit der Girocard ("EC-Karte") bezahlen.

Das ist bedauerlich für die deutschen Institute, die dadurch nicht nur von einer wichtigen Ertragsquelle abgeschnitten sind, sondern auch schleichend den Kontakt zu ihren Kunden einbüßen. Längst hat sich Paypal zum Dienstleister und zur Bank für Onlinehändler gemausert, vergibt Kredite und greift die Institute damit im Kerngeschäft an. Es ist außerdem schade für die Verbraucher, von denen viele vielleicht wirklich lieber ein heimisches System benutzen wollen - aber natürlich eines, das zugleich praktisch und bei fast allen Händlern eingebunden ist. Und letztlich würden auch die Händler von mehr Wettbewerb in diesem Bereich profitiert.

Doch dazu kommt es vorerst nicht: Zwar haben sich inzwischen rund 2,6 Millionen Kunden bei Paydirekt registriert, sie nutzen es aber wenig. Man könnte die Sache nun als Nischenproblem abtun, eines, das im Vergleich zu all den anderen Schwierigkeiten, vor denen die deutschen Banken stehen, nicht ins Gewicht fällt. Das mag sein. Trotzdem lohnt es sich, die Gründe für das Scheitern genauer anzusehen. Sie sind symptomatisch nicht nur für die deutschen Banken, sondern womöglich für die heimische Industrie generell, wo man sich gerne auf dem Erreichten ausruht: Nicht alle, aber viele Institute wähnen sich immer noch in Zeiten, in denen sie ihr Geld dank Zinsumfeld und Konjunktur im Schlaf verdienten und die Konkurrenz aus dem Ausland chancenlos war. Entsprechend ließen sie sich für Paydirekt richtig lange Zeit: Zwei Jahre dauerte es allein, bis man sich überhaupt einig war, ob und wie man den Kampf gegen den US-Rivalen aufnehmen könnte. Wer zögerte bis zuletzt? Die Sparkassen.

Dem Vernehmen nach grübelten sie mehr als ein Jahr lang, ob man lieber mit einem eigenen Sparkassen-System gegen Paypal ins Rennen ziehen solle. Hätten nicht die Volksbanken und Privatbanken Druck gemacht, würden die Sparkassen wohl heute noch diskutieren. Als sie später wiederum eine dringend benötigte weitere Finanzierung für Paydirekt anstießen, zögerten hingegen die anderen Banken die Sache hinaus.

Schlimmer noch: Womöglich aus Eitelkeit oder warum auch immer wollten die Verantwortlichen seinerzeit unbedingt ein neues Angebot basteln statt auf Vorhandenes aufzusetzen: Statt Giropay, ein bereits gut funktionierende Bezahlangebot unter dem Dach deutscher Banken, ins Rennen zu schicken, ließ man es lieber verhungern. Als sich für die Banken vor Jahren die Chance auftat, ein bayerisches Start-up namens "Sofort" zu übernehmen, winkte man ab. Später schnappte sich die schnell wachsende schwedische Zahlungsfirma Klarna das Unternehmen aus Bayern. Zielsicher manövrierte sich Paydirekt so in ein Henne-Ei-Problem hinein, aus dem man bislang keinen Ausweg gefunden hat: zu wenig Nutzer, daher zu wenig Händler. Und zu wenig Händler, daher zu wenig Nutzer. Zu guter Letzt legte man die Anforderungen des Kartellamts an die Preisfindung auch noch besonders akribisch aus, was den Einbindungsprozess für die Händler unnötig erschwerte.

Ist der Kampf verloren? Noch nicht ganz. Wie gerade bekannt wurde, wollen die Banken nun ihre drei Verfahren Paydirekt, Giropay und Kwitt, ein Angebot für Überweisungen von Handy zu Handy, bündeln. "Zwei bis drei Jahre" wolle man sich dafür Zeit nehmen, plauderte einer der Initiatoren gerade aus. So viel Zeit aber wird den Banken nicht vergönnt sein. Die Akteure müssen sich rasch entscheiden, wie viel sie investieren und wie sie das System verbessern. Der Markt wird nicht warten.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2019/vwu
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